Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Gemeinsame Bemühungen um den Erhalt der Kirche – es besteht erheblicher Renovierungbedarf
Das ehemalige Dorf Groß Volz, [Wołcza Wielka] heute Stadtteil von Rummelsburg [Miastko], liegt ca. 4 km außerhalb der Kreisstadt Rummelsburg. Die Kirche wurde auf einem Hügel mit kleinem Friedhof errichtet und ist ein unverwechselbares Wahrzeichen für den Ort. Bereits 1613 erhielt die damals schon im Ort ansässige Gutsfamilie von Massow die landesherrliche Erlaubnis zum Bau einer Kirche auf dem Gutsgelände, die zur Patronatskirche der Rummelsburger Kirchen wurde. In dieser wurde dann sonntäglich ein Gottesdienst für die umliegenden Dörfer abgehalten. Neben der Wahl und Berufung der Pastoren hatte die Familie das Recht auf Bestellung des Administrators aus dem Magistratsrat Rummelsburg. Letzterer hatte die Aufsicht über die Kirchen und deren Grundstücke. Letzter Besitzer bis 1945 war Rüdiger von Massow (*1902 † 1987).
Die aus Feldsteinen gebaute Kirche entsprach in ihrer Schlichtheit ganz den Bedürfnissen der hier lebenden pommerschen evangelischen Christen, deren ganzes Leben aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit und aus dem Glauben zu ihrem Herrgott bestand. Das silberne Abendmahlsgerät zierte das Massow-Wappen. Es ist abhandengekommen. Den Altar schmückt ein auf Holz gebranntes Christusbild, das Margarethe von Massow, geb. von Winterfeld (*1867 †1949), angefertigt hat.
Der Blick vom Kirchenportal führt zu dem ehemaligen Gutshof und dem Groß Volzer See. Auf dem Friedhofsplatz mit Betonpfeilern und Eisenkette (inzwischen 2-mal gestohlen) umrandet liegen u.a. acht Familienangehörige begraben. Auf einem der alten Gräber ist auf der Vorderfront eine Platte des letzten Besitzers vor der Vertreibung 1945, Rüdiger von Massow und seiner Ehefrau Ehrengard, geborene von Schack von der Tochter Ada von Hahn 2014 angebracht worden. Die Familie von Massow floh 1945 zunächst nach Schleswig Holstein und fand eine endgültige Bleibe 1951 in Wesel am Niederrhein. Dort kümmerten sie sich sogleich intensiv um ihre Landsleute und bauten einen Kreis- wie Landesverband der Pommern auf. Daneben bauten sie die Johanniterunfall-Hilfe in Wesel auf. Beide erhielten nacheinander das Bundesverdienstkreuz.
Nach dem 2. Weltkrieg blieb die Kirche trotz aller Veränderungen der Bevölkerung evangelisch, die Sprache wurde polnisch. Bei einem Besuch von Martin Niemöller in den 1950er Jahren bei der Evangelischen Kirche in Polen erreichte er, dass hier, wie in einer weiteren Dorfkirche in Polen, wenigstens einmal im Monat ein Gottesdienst in deutscher Sprache abgehalten wurde.
Über die Besucherzahlen in den Nachkriegsjahren liegen keine Angaben vor, sie werden durch die Vertreibung des größtenteils der Bevölkerung gering und in den großen Notzeiten ab Ende der 1970er Jahre noch weiter geschrumpft sein.
Der auch für die Groß Volzer Kirche zuständige Pfarrer in Köslin erreichte beim Kulturamt in Stolp, dass die Kirche auf die Liste der als Denkmal zu schützenden Kirchen aufgenommen wurde. Die Kirche erhielt Anfang der 1990er Jahre eine fast ungebrauchte moderne elektronische Orgel aus Wesel gespendet.
Die Pommersche Genossenschaft des Johanniterordens begann ab 1981 mit Hilfstransporten die evangelischen pommerschen Gemeinden zu betreuen. Sie fand in dem Gebiet Rummelsburg nur noch ca. 30 Familien als eingetragene Mitglieder der Kirche vor. Mindestens 2-mal im Jahr wurden von dem Zeitpunkt an Pakete mit Naturalien und Bekleidung zunächst über die Pfarrer, sehr bald aber in persönlichen Besuchen durch u.a. Ehrengard von Massow, Ehefrau des letzten Besitzers und Rechtsritters des Johanniterordens verteilt.
Für den Zusammenhalt der Gemeinde in und um Groß Volz spielte Frau von Massow eine besondere Rolle, die nach dem Krieg erstmalig auf einer Busreise 1980 u.a. die Not im Lande kennenlernte und davon elektrisiert den Entschluss fasste, dort den Menschen helfen zu müssen. Sie schloss sich sofort den Bemühungen des Johanniterordens an, die ab 1981 ihre Hilfstransporte starteten. 2- bis 3-mal jährlich unternahm sie diese Transportreisen. In 4 Tagen versorgte sie mit einer Johanniterbegleitung zunächst bis zu 130 Familien im großen Umkreis von Belgard über Rummelsburg, Stolp, Bütow, Lauenburg Wierschutzin bis Zoppot und Danzig mit Lebensmitteln, Kaffee, Tee, Schokolade, Wasch- und Haushaltsmitteln sowie Bekleidung. Bei Krankenhäusern und Ärzten in Rummelsburg und Lauenburg (altes Johanniterkrankenhaus) wurden Medizin und medizinische Geräte abgeladen. Ab 1987 übernahm ihre Tochter Ada von Hahn mit Ehemann (beide auch Johanniter) ebenfalls die Betreuungsaufgabe.
Nach über 20 Jahren mehrfacher jährlicher Besuche im Jahr ging Ehrengard von Massow nach dem Tod ihres Mannes 78-jährig im Jahr 1992 wieder ganz in die alte Heimat zurück, pachtete dort 27 ha ihres Gutes und führte in Polen die Highland Cattle ein. Sie betreute intensiv die sich immer weiter verkleinernde Gemeinde. Das polnische Fernsehen berichtete mehrmals in den neunziger Jahren, zuletzt 2014 darüber ebenso in Deutschland das ZDF.
Bevor sie nach Deutschland zurücksiedelte, verkaufte sie ihr Anwesen mit inzwischen 36 Rindern an eine polnische Unternehmerin. Bis zum Ende ihrer Polenzeit blieb sie die Seele der Gemeinde. Nach der Rückkehr 2006 nach Deutschland (Reinbek bei Hamburg) starb sie dort 2014 im Alter von 98 Jahren.
Durch die stete Verringerung der Gemeinde wurde die meist leer stehende Kirche ab der 2. Hälfte der 1990er Jahre auf Betreiben u.a. von Frau von Massow auch von der katholischen Gemeinde mit genutzt. Eine Mieterhöhung veranlasste diese aber nach einigen Jahren der Nutzung das Mietverhältnis wieder aufzulösen. So wurde die Kirche nur noch von gelegentlichen Besuchergruppen aufgesucht, die dort auch Gottesdienste abhielten. Seit 5 Jahren gibt es keine registrierten Gemeindemitglieder mehr.
Neben dem Johanniterorden betreute auch der Pommersche Evangelische Konvent in Deutschland die Gemeinde mit Naturalien und kleinem Geldbetrag, sorgte auch dafür, dass das Dach der Kirche neu gedeckt, die Außenmauern neu verfugt und dem Innenraum ein neuer Anstrich gegeben werden konnten. Durch ihre und andere Spenden konnte das zerfallene Kirchenportal ersetzt werden. Unterschiedliche Nutzungsbeteiligte halfen immer wieder mit Spenden, die historische Kirche zu beleben, um damit einen Beitrag für notwendige Reparaturen zu leisten. Über die Jahre sind inzwischen erhebliche Wasserschäden an und in der Kirche vorhanden, die eine Grundsanierung nötig machen. Die Wulstverfugung der Kirche z.B. ist möglicherweise eine der Ursachen hierfür, muss also komplett herausgeschlagen und erneuert werden. Auch muss die Betonbodenplattenumrandung des Kirchengebäudes durch andere Schrägverlagerung verändert werden. Dadurch steigt Wasser auch von unten in die Wände und lässt den Putz abplatzen. Der Bürgermeister Roman Romain (bis 2019) sowie seine Nachfolgerin Frau Danuta Karáskiewicz von Rummelsburg (ab 2019) zeigten sich nach Kenntnisnahme des verfallenen Zustandes der Kirche an einer schnellen Übergabe der Kirche interessiert. Sie wollen die Kirche für den Ortsteil auch weiterhin als Wahrzeichen und Mittelpunkt für die dort inzwischen wachsende Bevölkerung erhalten, sie aber allen Religionsgemeinschaften zum Abhalten ihrer Gottesdienste zur Verfügung stellen sowie sie auch als Kulturzentrum nutzen.
Die Evangelische Kirche Polens hat sie in einem kleinen feierlichen Akt im Haus der Diakonie in Warschau der Stadt Rummelsburg am 16. Januar 2020 im Beisein von uns als Vertreter der Familie übertragen. (Die Pommersche Zeitung berichtete darüber in der Ausgabe Nr. 6/2020). Inzwischen ist das Gelände mit dem Friedhofsteil wieder in einem ordentlichen Zustand gebracht worden. Eine Kostenkalkulation für die Sanierung der Kirche ist inzwischen erstellt. Jedwede finanzielle Unterstützung ist willkommen. Die Möglichkeit steuerlicher Absetzung in Polen wie Deutschland wird derzeit geprüft. Gerne informieren wir Sie.
• Info bei Ada u. Dirk von Hahn, Jan-van-Werth-Str. 26, 41564 Kaarst-Büttgen, Tel: +49 2131 519980, Mail: ada@v-hahn.de
Jan Kerzel am 18.11.20, 05:09 Uhr
Das Verlorene kehrt nie zurück . Viele der Erlebnisgeneration sind in die ehemaligen Ostgebiete gereist, um endgültig Abschied zu nehmen. Manche haben versucht einen Anker zu werfen, um ein Stück Teilhabe zu erlangen. Das Trauma bleibt bis zum Schluss. Vielleicht war Frau von Massow 2006 bei ihrer Abreise erleichtert und war sozusagen durch, dann hat sich das Engagement für sie ganz persönlich ausgezahlt. Da der Himmel leer ist, müssen wir alles selber tun.