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In der Künstlerstadt Gmünd verknüpft sich Kultur mit Technik – Ferdinand Porsche kreierte hier seine Karossen
Kunstkenner aus der ganzen Welt schauen in diesen Tagen auf die Landkarte. Wo liegt denn bloß Gmünd in Kärnten? Ach, hier: knapp 90 Kilometer westlich von Klagenfurt oberhalb des Millstätter Sees am Zusammenfluss der Bergbäche Lieser und Malta (zum österreichischen Maltatal siehe PAZ vom 1. August). Mindestens bis zum 5. Oktober lockt dieser 2500-Einwohner-Ort ein internationales Publikum an. Denn so lange läuft im dortigen Kunsthaus im Stadtzentrum eine Ausstellung über den weltbekannten britischen Künstler David Hockney.
Der mittlerweile 88-Jährige zählt zu den teuersten lebenden Künstlern der Welt. Eines seiner Ölbilder aus der bekannten Swimmingpool-Serie erzielte 2018 auf einer Auktion rund 80 Millionen Euro. Die Gmünder Ausstellung konzentriert sich auf Hockneys graphisches Werk, darunter ein offizielles Werbeposter der olympischen Spiele von München 1972 mit einem in ein Wasserbecken springenden Schwimmsportler.
Dass man einen internationalen Kunststar in diese touristisch geprägte Region geholt hat, ist keinem Zufall zu verdanken. Gmünd selbst nennt sich Künstlerstadt. Hier trifft man auf eine Reihe von Ateliers, Galerien, Goldschmieden und seit Mai auch auf das Kunstmuseum. Dafür hat man ein leer stehendes spätgotisches Haus am Hauptplatz in ein Museum umgewandelt. Um die Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen und das 700 Jahre alte Gebäude den Erfordernissen der Barrierefreiheit sowie den brandschutztechnischen und anderen Bestimmungen anzupassen, waren aufwendige Arbeiten vonnöten. Möglich wurde das nur, indem man den früheren Chef des im benachbarten Spittal an der Drau gegründeten Straßenbauunternehmens Strabag als Sponsor mit ins Boot holte.
Museumsleiterin Erika Schuster hat das neue Kunsthaus also gleich mit einer hochkarätigen Ausstellung einweihen können. Seit 25 Jahren leitet sie die Geschicke der Kulturinitiative Gmünd, die bis zuletzt größere Kunstveranstaltungen im Gmünder Stadtturm ausgetragen hatte, der bei solchen Ereignissen aber aus allen Nähten platzte. Ihre langjährige Erfahrung half dabei, Hockney in die Künstlerstadt zu holen. „Wir hatten Kontakte zu einer Londoner Galerie, die es uns überhaupt erst ermöglichte, die Graphiken bei uns auszustellen“, erzählt sie.
In Gmünd, dieser kleinen und komplett von einer Stadtmauer umfassten Stadt, trifft man bei jeder Gelegenheit auf Kunst – und Design. Darunter sogar legendäres Autodesign. Der vor 150 Jahren in Böhmen geborene Ferdinand Porsche (siehe PAZ vom 22. August) hat gegen Ende des Zweiten Weltkriegs sein Konstrukteursbüro aus dem zerbombten Stuttgart in das vom Krieg verschonte Gmünd verlegt. Eine alte Holzfabrik diente dabei bis 1950 als Tarnung für die Entwicklung seiner neuesten Modelle.
Im Jahr 1982 hat dann der Gmünder Antiquitätenhändler und Porsche-Enthusiast Helmut Pfeifhofer das erste private Porsche-Automuseum Europas eröffnet. In den ehemaligen Hofstallungen der Grafen von Lodron, die ab dem Barock im Neuen Schloss von Gmünd herrschten, sind nun 48 Porsche-Oldtimer ausgestellt. Die Sammlung umfasst unter anderem den Porsche 356 Typ 356 020 ALU, einen schwimmfähigen Porsche-Jagdwagen von 1956 sowie diverse Porsche Rallye- und Rennwagen. Ein weiterer Höhepunkt ist Österreichs erster und einziger Polizei-Porsche 911. Das 95.000 Euro teure Gefährt war zwar schnell genug für Verfolgungsjagden, erwies sich letztlich aber als unpraktisch: Aus Platzmangel ließen sich in dem Sportwagen im hinteren Teil keine Verkehrssünder abführen.
Eine Überdosis Arsen
In einem unter anderem mit Porsche-Carrera-Motorblöcken eingerahmten Vorführraum gibt ein 15-minütiger Film Einblicke in die private Welt des Ferdinand Porsche. Als am Ende des Krieges die US-Amerikaner Gmünd einnahmen, lockte man ihn nach Baden-Baden, wo er in französische Gefangenschaft geriet, aus der er erst 1947 entlassen wurde.
Von einem anderen tragischen Gefangenenschicksal weiß Stadtführerin Hildegard Löffler zu erzählen: „1770 hat man die Bäuerin Eva Faschaunerin dort oben in den Kerker geworfen und gefoltert“ – Löffler deutet auf ein Fenster in einem Gebäude vis à vis vom Neuen Schloss. Die Frau wurde beschuldigt, ihren Mann mit Arsen vergiftet zu haben. Das Element fand sich in Unmengen in den umliegenden Bergwerken und galt früher als beliebte und – bei schwacher Dosierung – ungefährliche Droge, um die kalten Winter zu überstehen. Doch ein paar Gramm zu viel im Essen wirkten als tödliche Überdosis. Unter der Folter gestand die Faschaunerin die später angezweifelte Tat, und die Geistlichen im damals zum Erzbistum Salzburg zählenden Gmünd kannten keine Gnade. 1773 war die angebliche Giftmörderin das letzte Hinrichtungsopfer nach einer Inquisition in Österreich.
Doch zurück zur Kunst. Die findet sich nach einem Gang durch mit Schmiedearbeiten verzierten Gassen im Pankratium, auch „Haus des Staunens“ genannt. Hier kann man in eine interaktive Erlebniswelt eintauchen, die Kunst und Naturwissenschaft miteinander kombiniert. Bei den geführten Touren können die Besucher bei über 50 Experimentierstationen selbst sinnliche Erfahrungen machen, indem sie Klänge an Orgelpfeifen erzeugen oder eine Reihe von unterschiedlich großen Pendeln gleichzeitig so zum Schwingen gebracht wird, dass sich immer wiederkehrende Muster ergeben. Woanders nennt man es immersive Kunst, wenn das Publikum Teil der Inszenierung ist. So kommt man sich auch in der gesamten Künstlerstadt Gmünd vor, in der man aus der Kunst des Staunens nicht herauskommt.
www.kuenstlerstadt-gmuend.at; www.auto-museum.at; www.pankratium.at