Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Seit ihrer Gründung 1987 führt die Hamas einen gnadenlosen Krieg gegen Israel. Doch aus welchen Ressourcen bestreitet die Organisation ihren Kampf, sodass sie trotz Unterlegenheit auf dem Schlachtfeld ihr Schreckenswerk weiter fortsetzen kann?
Hinter jeder erfolgreichen Terrororganisation steht ein Finanzsystem“, hat Herzl Halevi, Generalstabschef der israelischen Streitkräfte bis März 2025, gesagt. In der Tat sind die großen Terrorbewegungen auch immer große Finanz- und Wirtschaftsimperien. Auf der „Forbes“-Rangliste der zehn reichsten Terrororganisationen sind bis auf eine – „The Real IRA“ auf Platz 10 – allesamt radikal-islamisch. Die Hamas steht auf Platz 3 – nach der Hisbollah und den Taliban, aber vor al-Kaida und dem IS.
Dass man für einen jahrelangen Krieg gegen eine hochgerüstete Militärmacht wie Israel, für die Kontrolle beziehungsweise Unterdrückung von über zwei Millionen Menschen in Gaza und den Unterhalt eines quasistaatlichen Apparates sowie eines weltweiten Verbindungsnetzes immense Mittel benötigt, ist auf der Hand liegend. Doch wie generiert eine Organisation wie Hamas solch hohe Summen – und von welchen Beträgen müssen wir ausgehen?
Der „Business-Insider“ diagnostiziert ein „Geflecht aus Investitionen, vorgetäuschten ,Wohltätigkeitsorganisationen', Krypto-Transaktionen und internationaler Unterstützung“. Allerdings erwirtschaftet die Hamas darüber hinaus auch in Gaza selbst hohe Einkünfte. Das Wirtschaftsimperium der Terrororganisation soll einen Umfang von etwa 700 Millionen US-Dollar haben. Doch ist anzunehmen, dass die Summe der Besitztümer, die etwa auch die immensen Vermögen verschiedener Hamas-Führungspersonen umfassen, weit höher liegt. Seit die Hamas 2007 die Macht in Gaza übernahm, sollen allein aus Katar Milliarden in die Taschen der Organisation geflossen sein.
Die Finanzflüsse und Wirtschaftsaktivitäten, die die Hamas, ihre Führer oder ihre Strohmänner kontrollieren, sind so vielfältig und intransparent, dass eine verlässliche Schätzung ihres Gesamtvermögens oder des „Betriebskapitals“ auch nicht annähernd möglich ist. Gleichwohl gibt es durchaus Informationen, die zumindest ein ungefähres Bild von den finanziellen Verhältnissen der Hamas ermöglichen.
Iran und Katar als wichtigste staatliche Unterstützer
Der wichtigste Alliierte der Hamas ist der Iran. Für den Mullah-Staat ist die Hamas ein wichtiger Hebel zur Einflussnahme im Nahen Osten und im Konflikt mit dem alten Rivalen und Gegner Saudi-Arabien. Darüber hinaus erspart die Unterstützung der Hamas dem Iran den Einsatz eigener Menschen in der Auseinandersetzung mit Israel. Die iranischen Zuwendungen sollen bei etwa 100 Millionen US-Dollar jährlich liegen und sind somit eine wichtige finanzielle Konstante für die Terrororganisation.
Auch Katar ist ein enger Hamas-Verbündeter. Das Regime in Doha kooperiert einerseits eng mit den USA – die Al-Udeid Airbase ist die größte US-Militärbasis im ganzen Nahen Osten –, gleichzeitig unterhält der reiche Kleinstaat, der nur halb so groß wie Hessen ist und deutlich weniger Einwohner hat als Berlin, exzellente Beziehungen zum Iran, zu den Taliban, zur Hisbollah und zur Hamas.
Was widersprüchlich klingt, ist in Wahrheit ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Wenn der Westen, also etwa die USA, Deutschland oder sogar Israel, mit den Terrorgruppen und -regimen der islamischen Welt kommunizieren wollen oder verhandeln müssen, fungiert Katar als unverzichtbarer Vermittler und stellt seine Kanäle zur Verfügung. Da spielt es dann auch keine Rolle, dass aus Katar von 2007 bis 2023 wohl mindestens 2,1 Milliarden Dollar an die Hamas gegangen sind. 2018 hat Israel gar zugelassen, dass Katar 15 Millionen Dollar in Koffern durch Tunnel in den Gazastreifen schickte, um dort Gehälter zu bezahlen, die von der palästinensischen Autonomiebehörde nicht mehr kamen. So ist Doha für alle Seiten unentbehrlich. Die Berührungsängste sind auch in Deutschland stark zurückgegangen, seit man Katar als Energielieferanten schätzt. Zumal Katar, seit das Ende von Hamas absehbar ist, auf Distanz zu seinem einstigen Schützling geht.
Die ambivalente Rolle Israels
Ist das Ziel der Regierung Netanyahu jetzt die Vernichtung der Hamas, so war die Terrororganisation in früheren Zeiten durchaus eine wichtige Figur auf Israels Schachbrett. Denn eine Unterstützung der Hamas bedeutete früher eine Schwächung der palästinensischen Autonomiebehörde, die die Westbank kontrollierte, während Hamas 2007 die Macht im Gazastreifen an sich riss. Als in der Folge die Gelder der Autonomiebehörde für die dortige Verwaltung und öffentliche Dienste nicht mehr nach Gaza flossen, erlaubte Israel, dass Gelder aus Katar nach Gaza, also zur Hamas, gelangten. „Hamas wurde aufgewertet von einer reinen Terrorgruppe zu einer Organisation, mit der Israel indirekt Verhandlungen führte ... und der Bargeldzufluss aus dem Ausland gestattet wurde“, schrieb die „Times of Israel“ am 8. Oktober 2023.
Israel hatte ein Interesse daran, durch Förderung von Spannungen unter den palästinensischen Arabern die Gründung eines palästinensischen Staates zu konterkarieren. So soll, laut „Times of Israel“, Netanyahu 2019 gesagt haben, wer keinen palästinensischen Staat wolle, müsse den Transfer von Geldern nach Gaza unterstützen. Der 7. Oktober 2023 war damals noch nicht abzusehen.
Gaza als Hamas-Staat
Seit 2007 hat die Hamas den Gazastreifen faktisch zu ihrem Staat umgestaltet. Das heißt auch, dass alles, was dort geschieht, von der Hamas kontrolliert und – besteuert wird. Die Hamas hat die palästinensische Autonomiebehörde ausgeschaltet und ersetzt und ist längst alleinige Herrscherin im Gazastreifen. Hilfsgelder, die ins Land fließen, jede auch noch so kleine geschäftliche Transaktion innerhalb des Gazastreifens, jede Überweisung, an allem partizipiert die Hamas. Wechselbüros, Hamas-Monopol-Betriebe, Schmuggel, aber auch Erpressungen und Überfälle sind Wirtschaftsfaktoren und generieren der Terrororganisation Einkünfte.
Auch die von besten Absichten geleiteten Bürger eines europäischen Staates, die für die bedürftigen Menschen in Gaza spenden, zahlen der Hamas Steuern. Wer heute Geld an eine Person in Gaza aus dem Ausland überweisen will, kann sicher sein, dass der Empfänger in Gaza 40–50 Prozent davon als Gebühren an die Hamas abführen muss.
Welche Beträge allein hierdurch der Hamas zufließen, kann man nur vermuten. Denn die erhobenen Steuern und Abgaben sowie die erpressten und geraubten Gewinne sind oft willkürlich und nicht durch Gesetze geregelt, Transparenz gibt es nicht.
„Humanitäre“ Spendensammler
In Potsdam stellte vor zwei Jahren die Organisation „Die Barmherzigen Hände“ vor Fastfood-Läden Spendenbüchsen auf. Was als Gaza-Hilfe deklariert war, floss direkt an die Hamas. Seit 2023 ermittelte die Justiz, Anfang 2024 setzte sie dem Treiben ein Ende.
Schon lange sind fragwürdige humanitäre Organisationen mit Hamas-Bezug in Deutschland aktiv. Verboten wurde bereits 2002 der Al-Aqsa-Verein, 2005 die YATIM-Kinderhilfe und 2010 die „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation“. In den USA gingen die Behörden 2009 gegen die „Holy Land Foundation for Relief and Development“ vor, denn auch hinter diesem schön klingenden Namen versteckte sich die Hamas.
Es soll mindestens 30 Organisationen geben, die weltweit hinter ziviler Fassade als gemeinnützig agieren, tatsächlich aber Spenden für andere Hamas-Aktivitäten einwerben. Die „Legal Tribune Online“ befürchtet, dass die Hamas die „Hilfsbereitschaft gutgläubiger Spender“ missbraucht, die „unbewusst eine terroristische Organisation finanzierten“. Auch Kryptowährungs-Transaktionen spielen im Spendengeschäft von Hamas eine schnell wachsende Rolle.
Ein internationaler Wirtschaftsakteur
Überdies ist die Hamas in vielen Ländern unternehmerisch und als Investor aktiv. Dabei konzentriert sie sich auf Staaten, die der Bewegung wohlwollend gegenüberstehen. Bezeichnend ist in diesem Kontext, dass sich der Schwerpunkt von Saudi-Arabien in die Türkei verlagert hat, die sich zunehmend antiisraelisch positioniert.
Aktiv ist die Hamas vor allem im Immobilien- und Baugeschäft, aber auch in den Bereichen Infrastruktur, Hühnerzucht, Bergbau und Straßenbau. Wichtigste Firma ist die türkische „Trend GYO“, an der der Hamas nahestehende Elemente nach Angaben des US-Finanzministeriums 75 Prozent des Gesamtkapitals halten. Gegen sie hat das US-Finanzministerium 2022 Sanktionen verhängt.
Weitere Unternehmen mit Hamas-Bezug sind die Baufirma „Anda“ in Saudi-Arabien, die in Algerien aktive „Sidar“ und die „Itqan Real Estate JSC“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Von dort flossen Gelder zu den berüchtigten Kassam-Brigaden. Und im Sudan haben die „Agrogate Holding“ und die „Zawaya-Gruppe“ Bezüge zur Hamas. Die Hamas beschränkt sich aber nicht nur auf islamische Länder. 2022 gründete die al-Zawaya-Gruppe eine Zweigfirma im spanischen Valencia.
Diese ausgedehnten Wirtschaftsaktivitäten erfordern auch einen effizienten Finanzsektor. Zahlreiche türkische Banken führen Hamas-Konten, zum Beispiel auch die staatliche „Ziraat-Katilim“, welche gute Geschäftsbeziehungen mit deutschen Banken unterhält, die auf diese Weise daran beteiligt sind, Gelder – auch solche der Hamas – zwischen Deutschland und der Türkei zu transferieren.
Verantwortliche Personen im Hamas-Wirtschaftsimperium sind namentlich bekannt. Hisham Yunis Yahya Qafisheh aus Hebron beispielsweise spielt in vielen der genannten Firmen eine Führungsrolle. Er steht auf der Sanktionsliste der US-Regierung. Ebenso Zahir Ali Musa Jabarin aus der Gegend von Nablus, der als Finanzchef der Hamas gilt, aber auch Erfahrung in der Durchführung von Anschlägen mit Sprengstoffgürteln hat. Musa Dudin ist bekannt für besonders delikate Finanztransaktionen, zum Beispiel bei Waffengeschäften und beim Transfer von Geldern an Verwandte gefallener Märtyrer. Viele der in der Türkei tätigen Hamas-Akteure haben inzwischen türkische Namen angenommen und sogar die türkische Staatsbürgerschaft erhalten.
Geeignete Gegenmaßnahmen
Obwohl die Hamas seit 2001 durch die EU als Terror-Organisation eingestuft ist, wurde wenig gegen sie unternommen. Ein regelrechtes Hamas-Verbot gibt es in Deutschland erst seit November 2023. In den letzten Jahren haben sich Maßnahmen gegen die Hamas konkretisiert. Das US-Finanzministerium hat zahlreiche Hamas-Firmen und –Geschäftsleute mit Sanktionen belegt, die EU folgte nach. Die Zweigfirma der al-Zawaya-Gruppe in Spanien ist seit 2024 davon betroffen. Das „Rewards for Justice“-Programm der US-Regierung hat einen zweistelligen Millionenbetrag ausgesetzt für Informationen, „die zur Unterbrechung der Finanzmechanismen der terroristischen Organisation Hamas ... führen“.
Interessant ist die Frage, ob nach der sich abzeichnenden militärischen Ausschaltung der Hamas diese nicht als internationaler Wirtschaftskonzern weiterbestehen wird.
Dr. Alfred Schlicht ist Islamwissenschaftler und Diplomat. Nach akademischer Tätigkeit u.a. an der Universität Bamberg, am
Orient-Institut Beirut und als Orient-Referent der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik war er im Auswärtigen Dienst tätig. So lebte und arbeitete er acht Jahre im Nahen Osten, u.a. als stellvertretender Botschafter in Jordanien. Zu seinen Büchern gehört „Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte“ (Kohlhammer 2008).