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Warum uns die Sache mit dem „Industriestrom“ bekannt vorkommt, und wieso es wieder nichts wird
Ich werde bei der ,Süddeutschen Zeitung' freundlicher begrüßt als bei der Jungen Union. So ändern sich die Zeiten!“, seufzte Friedrich Merz beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) in Berlin vergangenen Montag. Den Satz kann man so oder so drehen, bemerkenswert ist er von beiden Seiten: Ist die früher wegen ihrer Linkslastigkeit als „Alpen-Prawda“ verspottete „SZ“ ins konservative Lager gewechselt? Oder hat sich Merz so tief nach links verbeugt, dass er der „Prawda“ mittlerweile nähersteht als dem eigenen Parteinachwuchs?
Nach dem eisigen Aufeinandertreffen von CDU-Chef und Junger Union auf dem JU-Deutschlandtag kurz vor der „SZ“-Veranstaltung dürften die meisten auf Letzteres tippen. Da ging es um die Rente, aber die ist es bei Weitem nicht allein. Wir sehen ganz allgemein, wie auch der schwarze Kanzler dem roten Hobby verfällt, nicht funktionierende Systeme mit immer mehr und noch mehr Geld am Leben zu halten, statt sie zu reformieren – sei es aus Angst vor den Wählern, sei es aus ideologischer Verbissenheit.
Dabei erleben wir Sachen, die Lesern mit eigener DDR-Erfahrung erfrischend bekannt vorkommen müssen. Nehmen wir mal den „Industriestrom“. Zu ihrem Erstaunen mussten die Verantwortlichen feststellen, dass ihre grünliche Energiepolitik die Industrie zum Absturz bringt. Welche Überraschung! Und was machen sie dagegen? Blasen sie die grüne Energiewende ab und kehren zur Vernunft eines marktwirtschaftlich ausgerichteten Energiesektors zurück? Nichts dergleichen. Ebenso wenig, wie die SED ihre kommunistische Kommandowirtschaft zugunsten der Marktwirtschaft abgelöst hätte, denn die Vertreter der reinen Lehre, rot oder grün, lassen sich von den Lehren der Wirklichkeit eben nicht vom Pfad abbringen.
Sie machen was anderes: Wenn die Probleme in einem Sektor so erdrückend werden, dass selbst die Politiker sie nicht mehr schönreden können, kramen sie alle Ressourcen zusammen, um in dem kriselnden Bereich eine Scheinblüte zu immensen Kosten zu erzwingen. Blöderweise fehlen die Mittel dann zwar anderswo in der Wirtschaft. Und zum Schreien unwirtschaftlich ist es außerdem. Aber das ist ihnen immer noch lieber, als ihren monumentalen Irrtum einzugestehen.
Ein Beispiel: Als in den 80er Jahren mal wieder Schmalhans bei etlichen Alltagsgütern herrschte, verpflichtete die DDR-Führung ihre Kombinate, ebenso solche Güter herzustellen, statt das zu produzieren, was sie am besten können. Qualifizierte Dreher der Rostocker Warnow-Werft, die sonst Schiffsteile auf weltmarktfähigem Niveau bauten, wurden beispielsweise dazu verdonnert, simple Beistelltischen zu drechseln. Dadurch fielen die Einnahmen aus der hochprofitablen Schiffsteileproduktion weg. „Eine Katastrophe“, stöhnte der zuständige Kombinatsdirektor in einer späteren TV-Doku.
Das Muster hat sich erhalten: Nachdem immer drastischer klar wurde, dass weite Teile der energieintensiven Industrie unter der grünen Energieplanwirtschaft in die Knie gehen, kam die Merz-Regierung auf die Idee mit dem subventionierten Industriestrom. Nicht nur, dass Verbraucher und alle anderen Unternehmen dabei leer ausgehen. Sie müssen mit ihren Steuern die Subventionierung des Stroms für die wenigen begünstigten Betriebe auch noch finanzieren. Wie in der DDR, so auch hier: Man hebt einzelne zu immensen Kosten aus dem Morast, in welchen sie erst eine falsche Politik getreten hat, und lässt alle anderen dafür bluten. Die Idee dagegen, zu einer Energiepolitik zurückzukehren, in der die einen gar keine Subventionen benötigen und die anderen dafür auch nicht bluten müssen, die verwirft man. Indes, woher sollte diese Einsicht auch kommen bei einem Kanzler, der uns die staatlich verordnete CO₂-Bepreisung als Instrument der „Marktwirtschaft“ verkaufen will, als spräche Robert Habeck höchstpersönlich aus ihm?
Geizhals hier, reiche Erbtante dort
Nun ist es nichts Neues, dass wirtschaftlicher Sachverstand in der deutschen Politik auf dem Rückzug ist. Da macht offenbar selbst ein früherer Blackrock-Repräsentant wie Merz keine Ausnahme mehr.
Andererseits scheint es beim Gespür für die Eigenheiten der Politik bei manchem Wirtschaftswissenschaftler auch noch Nachholbedarf zu geben. Auch ifo-Chef Clemens Fuest zählte zu den Ökonomen, die sich Anfang des Jahres heftig für eine Lockerung der Schuldenbremse ins Zeug legten. Wie er betonte, dürfe die Bremse aber nur gelockert werden, wenn das viele geliehene Geld nicht zweckentfremdet wird, um laufende Haushalte zu kitten. Stattdessen dürften die Schuldenmilliarden nur für ein langfristig ausgelegtes Gesamtkonzept zur Gesundung des Landes ausgegeben werden.
Die angesprochenen Politiker nickten eifrig und versprachen alles brav so zu machen, und Fuest war offenkundig beruhigt. Hat der wirklich (keine Ironie!) kluge Mann tatsächlich geglaubt, dass die Politprofis ihr Versprechen halten würden? Also: Dass Politiker das langfristige Schicksal der Nation wichtiger nehmen als das Ziel, kurzfristig den Wählern teuren Sand in die Augen zu streuen, um die nächsten Wahlen zu überstehen? Armer Junge!
Dass der Strom nicht für alle günstiger werden, sondern für die meisten hoch besteuert werden muss, begründet Schwarz-Rot mit der klammen Haushaltslage. Das verstehen wir natürlich. Nachdem der Kanzler beim Klimagipfel in Brasilien die reiche Erbtante gegeben hat, muss das Geld halt woanders wieder eingefahren werden, also bei Ihnen, bei mir und bei all den Wirtschaftsunternehmen, denen der subventionierte Industriestrom leider nicht gewährt werden kann. Das sehen wir natürlich ein.
Aber alles lassen wir uns auch nicht gefallen. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ist stinksauer. Auf Merz? Auf die grüne Energiepolitik von Schwarz-Rot? Nein, auf Brüssel! Die EU bremse uns in Deutschland überall aus, weshalb es auch nicht vorangehe.
Ah ja, die EU mal wieder. Nur, Moment mal, wer hat denn da das Sagen? Dominieren nicht Haseloffs Christdemokraten im EU-Parlament? Warum ändern sie den Quatsch nicht gemeinsam mit den Rechtsparteien, mit denen sie gerade doch auch das hanebüchene EU-„Lieferkettengesetz“ weitgehend entschärft haben? Und wer stellt eigentlich in Brüssel die Kommissionspräsidentin?
Außerdem verbietet es Brüssel auf keinen Fall, dass man wenigstens nachsieht, welche Kernkraftwerke in Deutschland noch zu retten wären. Statt das zu tun, sprengt man lieber weiter lustig vor sich hin.
Nein, die Ausreden ziehen nicht mehr. Und an die sagenhafte Wiedergeburt unserer Wirtschaft nach Vollzug der „grünen Transformation“ glauben die Deutschen ebenso wenig wie weiland an die ferne „kommunistische Endgesellschaft“, die ihnen die SED versprochen hatte, wo alle Mühen der sozialistischen Mangelwirtschaft sagenhaft belohnt werden sollten.