28.09.2024

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Hoffnung auf ein Ende der illegalen Zuwanderung: Die Wiedereinführung von Kontrollen an Deutschlands Grenzen
Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Danilo DittrichHoffnung auf ein Ende der illegalen Zuwanderung: Die Wiedereinführung von Kontrollen an Deutschlands Grenzen

„Die Regierung wirft Nebelkerzen“

Über das Scheitern der bisherigen Migrationspolitik, den Sinn der Wiedereinführung von Grenzkontrollen sowie die Frage, wem deutsche Politik vorrangig verpflichtet ist

Im Gespräch mit Christoph de Vries
26.09.2024

Seit wenigen Tagen gelten in Deutschland wieder feste Grenzkontrollen. Damit will die Bundesregierung die ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland stoppen. Sowohl bei Befürwortern als auch Gegnern einer stärkeren Regulierung der Migration stießen die beschlossenen Maßnahmen auf Widerstand. Zeit für eine kritische Einordnung.

Herr de Vries, wie bewerten Sie die wiedereingeführten Grenzkontrollen? Kann damit die ungesteuerte Einwanderung nach Deutschland gestoppt werden?
Die Einführung von Grenzkontrollen ist migrationspolitisch für die „Ampel“ durchaus ein großer Schritt, aber sie ist zur Bekämpfung der illegalen Migration nach Deutschland leider ein kleiner Schritt, der die Probleme nicht grundlegend ändern wird. Während die Union einen grundlegenden Kurswechsel mit einer echten Asylwende fordert, die auch die strikte Zurückweisung an unseren Grenzen umfasst, will die gegenwärtige Bundesregierung grundsätzlich illegale Einreisen in großem Stil weiterhin zulassen.

Das ist ein schwerer Vorwurf. Woran machen Sie diesen fest?
Innenministerin Faeser ist seit Beginn ihrer Amtszeit bei der Bekämpfung illegaler Migration eine Getriebene und keineswegs handelnde Akteurin. Was immer sie verkündet, geschieht gegen ihren Willen auf Druck der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers.

Wir sind jedoch an einem Punkt angekommen, an dem wir feststellen müssen, dass ein Großteil der Bevölkerung den unbegrenzten Zustrom nicht mehr will. Es geht jetzt nicht nur um kosmetische Korrekturen, sondern wir müssen die Asylmigration drastisch reduzieren. Dies bekommen wir jedoch nur hin, wenn wir illegale Einreisen nach Deutschland konsequent unterbinden.

Die jüngsten Vorschläge der „Ampel“ zielen jedoch lediglich auf die Beschleunigung eines Verfahrens, das in den letzten zehn Jahren nicht funktioniert hat und gescheitert ist. Die Regierung will nämlich das sogenannte

Dublin-Verfahren effektivieren, demzufolge Asylverfahren in demjenigen Land geführt werden müssen, in dem die Migranten in die Europäische Union einreisen. Damit liegen jedoch alle Hebel nicht in deutschen Händen, sondern bei unseren Nachbarländern, die seit Jahren jeden Tag europäisches Recht verletzen. Im vergangenen Jahr kam es zum Beispiel bei den rund 74.000 Anträgen auf „Dublin-Rücküberstellungen“ gerade einmal in 5000 Fällen zu einer erfolgreichen Rücküberstellung. Dieses System müssen wir also grundsätzlich ändern.

Was heißt „grundsätzlich ändern“?
Wir müssen zwischen kurzfristigen Maßnahmen zur Begrenzung der Migration und einem langfristigen Systemwechsel unterscheiden. Ich glaube, wir haben jetzt nicht mehr – wie es die Bundesregierung gern hätte – die Zeit zu warten auf das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das 2026 kommen soll. Wir müssen jetzt handeln.

Das bedeutet: kurzfristig strikte Zurückweisung all derjenigen, die aus einem sicheren Drittstaat oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union nach Deutschland einreisen wollen. Damit bewegen wir uns sowohl im Rahmen unseres Grundgesetzartikels 16a, demzufolge Zuwanderer aus einem Drittstaat keinen Anspruch auf Asyl haben, als auch des Paragraphen 18 des Asylgesetzes, der festschreibt, dass illegale Einreisen zu unterbinden sind. Nicht zuletzt würden wir damit auch für die Durchsetzung europäischen Rechts sorgen, da die Dublin-Verordnung das Verfahren ja eindeutig vorgibt.

Nachbarn wie Polen und Österreich behaupten hingegen, dass Deutschland mit dem jetzigen Schritt, die Grenzen zu schließen und Migranten auch zurückzuweisen, gegen europäisches Recht verstieße.
Derlei Aussagen sind schon verwunderlich. Bei uns hört man solche Töne auch von den Grünen. Als in den letzten zehn Jahren das Dublin-Verfahren faktisch ausgesetzt war und somit täglich europäisches Recht verletzt wurde, haben sie das nie beklagt. Es ist schon bemerkenswert, dass sie jetzt, wo es um die Durchsetzung deutscher Interessen geht, auf europäisches Recht verweisen.

Unseren europäischen Nachbarn müssen wir entgegnen, dass jetzt das geschieht, was sie seit Langem von uns erwartet haben. Deutschland hat mit seiner Politik der offenen Grenzen viele Asylbewerber überhaupt erst ermuntert, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Wenn wir nun eine Wende vollziehen, werden zunächst auch unsere Nachbarn ihre Grenzen besser schützen und sich schon bald deutlich weniger Menschen auf den Weg zu uns machen. Das ist nicht zuletzt auch im Sinne der Stabilität der Europäischen Union. Denn das Migrationsthema hat nicht nur die Kraft, den Zusammenhalt einzelner Länder zu sprengen, sondern die europäische Integration insgesamt.

Im Übrigen müssen die Grenzkontrollen auch nicht von Dauer sein. Sobald der akute Migrantenzustrom gestoppt ist und wir wieder zu einem rechtmäßig funktionierenden Asylverfahren zurückzukehren, könnten die Maßnahmen auch wieder eingestellt werden.

Was soll mit denjenigen Migranten geschehen, die ausreisepflichtig sind, das Land aber nicht verlassen und weder von ihrem Heimat- noch Transitland zurückgenommen werden?
Ich glaube, für die Akzeptanz unseres Asylrechts ist es unerlässlich, dass diejenigen, die keinen Schutzanspruch haben, unser Land wieder verlassen. Das dies derzeit nicht der Fall ist, sorgt für zunehmenden Frust bei den Bürgern. Deshalb müssen Ausreisepflichten auch konsequent durchgesetzt werden. Und wenn Herkunfts- oder Transitländer ihrer Rücknahmepflicht nicht nachkommen, muss ihnen klar sein, dass dies Folgen für ihr Verhältnis zu Deutschland oder zur Europäischen Union haben wird.

Wir müssen in diesem Kontext auch die Frage stellen, warum Migranten hierzulande einen Schutzstatus bekommen, obwohl in ihren Heimatländern kein Krieg und keine politische Verfolgung herrscht. Wie kann es zum Beispiel sein, dass viele Syrer ohne Angst in ihr Heimatland zu Verwandtenbesuchen reisen? Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem Fall vor wenigen Wochen festgestellt, dass es in Syrien befriedete Gebiete gibt. Trotzdem wird in Deutschland nach wie vor jeder Syrer als schutzberechtigt anerkannt.

Ein Problem ist auch, dass unsere Außenministerin einen neuen Sicherheitsbericht verweigert mit dem Verweis darauf, wir hätten keine diplomatischen Kontakte zum Assad-Regime. Natürlich sind Länder wie Syrien oder auch Afghanistan hochproblematisch. Aber wir haben auch diplomatische Kontakte zum Iran, wo jede Woche Menschen hingerichtet werden. Letztendlich muss es für uns wieder darum gehen, unsere eigenen Interessen zu verfolgen.

Der Kanzler würde an dieser Stelle vielleicht einwenden, dass die amtierende Bundesregierung doch mit Usbekistan und Kenia gerade Rückführungsabkommen geschlossen und damit eine Wende in der Asylpolitik eingeleitet hat.
Was die Bundesregierung in dieser Hinsicht vor einigen Tagen verkündet hat, sind doch Nebelkerzen. Die Migrationsabkommen, die derzeit mit einzelnen Staaten geschlossen werden, dienen im Wesentlichen der Fachkräfteanwerbung und nicht der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer aus Deutschland. Und wenn wir uns die Länder anschauen, mit denen diese Abkommen geschlossen werden – Usbekistan, Kenia und andere –, sind die für unsere Migrationskrise kaum von Relevanz, da es aus diesen Staaten kaum Asylbewerber bei uns gibt.

Ein großes Problem mit Zuwanderern, die bereits in Deutschland leben, ist die Messergewalt. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik gibt es täglich Dutzende Vorfälle, von denen die meisten zum Glück nicht tödlich enden. Die Antwort der Bundesregierung darauf ist, Verbotszonen auszuweisen, in denen ganz oder zeitweise keine Messer in der Öffentlichkeit geführt werden dürfen. Was halten Sie von derartigen Schritten?
Die Maßnahmen der Bundesregierung, die ja wesentlich von Frau Faeser verantwortet werden, kommen eher einer Bankrotterklärung gleich als einem Versprechen für mehr Sicherheit unserer Bürger.

Wenn wir uns das Ausmaß der Ausländerkriminalität insbesondere von Syrern, Afghanen und anderen Personen aus den relevanten Asylherkunftsstaaten anschauen und sehen, dass inzwischen jeder zweite Tatverdächtige keine deutsche Staatsbürgerschaft hat, ist unbestreitbar, dass eine strikte Begrenzung der Asylmigration auch ein wesentlicher Beitrag zu mehr Sicherheit in Deutschland ist.

Es gibt sicherlich eine humanitäre Verpflichtung, verfolgten Menschen auch aus anderen Ländern zu helfen. Aber die Kernaufgabe unseres Staates ist es, die Bürger des Landes zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Die Sicherheit von Straftätern oder auch von islamistischen Gefährdern darf nicht über die Sicherheit unserer eigenen Bevölkerung gestellt werden. Das sehen auch die vielen rechtschaffenen und fleißigen Migranten so, die zu Unrecht in politische Mithaftung für die Taten genommen werden und sich ebenfalls einen Kurswechsel in der Migrationspolitik wünschen.

Ihre Kritik an den derzeitigen Umständen leuchtet ein. Andererseits war es mit Angela Merkel eine Kanzlerin aus Ihrer Partei, die 2015 für eine Politik verantwortlich war, in deren Folge binnen kurzer Zeit Millionen Menschen unkontrolliert nach Deutschland einreisen konnten, was dann wesentlich zu den gegenwärtigen Zuständen führte. Hat die CDU beim Thema Migration nicht ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Den Vorwurf, dass es doch die Union war, die die ganzen Migranten ins Land gelassen hat, hören meine Parteifreunde und ich praktisch jeden Tag. Hierzu kann ich nur entgegnen, dass die CDU unter Friedrich Merz, der 2015 keine politische Verantwortung hatte, mit ihrem neuen Grundsatzprogramm einen grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik eingeschlagen hat.

Die Politik von 2015/2016 ist aus meiner Sicht ein Fehler gewesen, und ich habe daraus auch nie einen Hehl gemacht. Richtig ist aber auch, dass Deutschland schon unter Angela Merkel einen Kurswechsel eingeschlagen hatte. Bis 2020 konnten wir die Asylbewerberzahlen kontinuierlich herabsenken auf bis zu 102.000 Anträge pro Jahr. Das waren sogar weniger als vor der Flüchtlingskrise von 2015. Erst mit der „Ampel“ sind dann wieder alle Tore geöffnet worden.

Fakt ist: Die Migrationsfrage hat das Potential, unsere Demokratie nicht nur in Deutschland, sondern in Europa insgesamt zu gefährden. Das zeigen die Ergebnisse der jüngsten Wahlen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene, wo nahezu überall Populisten von Links oder Rechts erstarkt sind. Deshalb haben die Parteien der Mitte nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Europäischen Union, die in den vergangenen Jahrzehnten unser Land und unseren Kontinent auf einen Pfad des Wohlstands, der inneren Sicherheit und des äußeren Friedens geführt haben, die Pflicht, diese Frage zu lösen. Es ist der offensichtliche Wunsch einer breiten Bevölkerungsmehrheit, zu einer strikten Begrenzung der Zuwanderung zu kommen. Wer sich diesem Wunsch verweigert, gefährdet unsere Demokratie und nimmt in Kauf, dass Populisten weiter erstarken. Die Zeit von kosmetischen Korrekturen muss vorbei sein.

Das Gespräch führte René Nehring.

Christoph de Vries ist Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Mitglied im Innenausschuss, im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes (PKGr) sowie Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion. www.christophdevries.de


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