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Im Wandel

Die roten Gemäuer von Tapiau

Die prächtige Burg bei Königsburg war einst ein Treffpunkt des Hochadels und endete als Irrenhaus und Prostituiertengefängnis

Wolfgang Kaufmann
03.09.2025

Die Deutschordensburg von Tapiau, etwa 35 Kilometer östlich von Königsberg gelegen, deren Wiederbelebung als Museum und Veranstaltungsort derzeit recht zügig voranschreitet (siehe PAZ vom 13. Juni), hat eine spannende Geschichte. Viele bekannte historische Persönlichkeiten hielten sich dort als Gäste auf. So logierte hier Herzog Albrecht III. von Österreich mit einem Gefolge von fünf Grafen und 50 Rittern, als er 1377 gegen die heidnischen Litauer und Samogiten Krieg führte. Ebenso bezog um 1390 der damalige Earl of Derby, Henry Bolingbroke, und spätere König Heinrich IV. von England während seines Litauer-Kreuzzuges Quartier in den Gemäuern von Tapiau. Ein weiterer Prominenter auf der Burg war Vytautas der Große, ab 1392 Großfürst von Litauen und Mitbegründer der polnisch-litauischen Union: Vytautas nahm auf seinem Weg zur Macht 1383 den katholischen Glauben an und ließ sich 1385 in Tapiau taufen. Und im Mai 1697 kam zudem noch die Große Gesandtschaft von Zar Peter I. im Zuge einer diplomatischen Reise nach Westen für kurze Zeit in der ostpreußischen Burg unter.

Deutlich weniger angenehm verlief der Aufenthalt des samländischen Bischofs Dietrich von Cuba. Der Hochmeister des Deutschen Ordens, Heinrich Reffle von Richtenberg, ließ den papsttreuen Geistlichen 1474 in den Tapiauer Kerker werfen, weil er eine Verschwörung gegen den Hochmeister angezettelt hatte. Dietrich starb dann – sehr zum Missfallen Roms – in seiner Zelle. Der Legende nach soll er jämmerlich verhungert sein. Ebenso segnete Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens und erste Herzog in Preußen, am 20. März 1568 auf der Burg von Tapiau das Zeitliche, wobei die Todesursache diesmal die Pest war.

Das Gemäuer, welches später genauso viel Glanz wie auch Elend sah, entstand um 1351 auf Initiative des Königsberger Ordenskomturs Siegfried von Danenfeld zwischen den beiden Flüssen Pregel und Deime an der Stelle einer alten prußischen Holzburg namens Sugurbi. Diese diente wohl ursprünglich einmal dem Zweck, die gefürchteten Einfälle plündernder Wikinger abzuwehren.

Von der adligen Burg zum bloßen Invaliden- und Pflegehaus
In der Folgezeit war das Bauwerk unter anderem Sitz eines Großkomturs, Pflegers der Komturei Königsberg, Amtshauptmannes und Domänenpächters. Als der Deutsche Orden 1457 seinen Hauptsitz auf der Marienburg verlor, wechselte der Hochmeister nach Königsberg, während der Großkomtur in Tapiau Einzug hielt und dabei das Ordensarchiv samt angeschlossener Bibliothek mitbrachte. Die Akten der Kanzlei des Ordens wurden in den Räumen über den Badestuben deponiert, wo sie im Jahr 1506 einem Brand zum Opfer fielen.

Die drastischste Veränderung bei der Nutzung der Burg Tapiau gab es dann während der Herrschaft von König Friedrich Wilhelm II. Auf den Grundmauern der Vorburg entstand ab 1792 das Königliche Landarmen- und Versorgungshaus zur Betreuung kranker und invalider Soldaten der preußischen Armee. 1801 kam zusätzlich eine „Corrections- und Besserungsanstalt“ für Bettler, Landstreicher und ähnliche Außenseiter hinzu – alles in allem hatte Tapiau damit nun mehr als 400 Insassen.

Letzte Station eines ehemaligen Herrschaftshauses: Irrenanstalt
Ab 1893 nahm man auf der Burg zudem auch noch Blinde und Taubstumme auf, wonach 1898 der nächste Schritt folgte: Weil die psychiatrischen Kliniken in Allenberg und Kortau komplett überlastet waren, entschied die ostpreußische Provinzialverwaltung, die beiden Häuser „von den störendsten und unbequemsten drittklassigen Kranken männlichen Geschlechts zu befreien“ und diese nach Tapiau zu verlegen. Nach der Überstellung von 50 solcher Patienten erging im Jahre 1900 der Beschluss, eine weitere Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt auf dem Burggelände zu errichten. Diese hatte bei ihrer Eröffnung am 15. Dezember 1902 eine Kapazität von 600 Betten, was aber nicht ausreichte, weswegen die Zahl der Plätze bis 1914 auf 1500 aufgestockt wurde.

Beim russischen Einmarsch während des Ersten Weltkrieges erlitt die Burg mit ihren verschiedenen Einrichtungen starke Beschädigungen, woraus die Notwendigkeit erwuchs, die Patienten Hals über Kopf nach Königsberg und in die Landesanstalt für psychisch Kranke in Konrad­stein zu verlegen. Während des dabei entstandenen Durcheinanders suchten viele Insassen aus Tapiau das Weite und mussten danach wieder mühsam „eingefangen“ werden.

Russen machten aus der Burg ein gefürchtetes Gefängnis
Zur Zeit des Nationalsozialismus fungierte die Burg von Tapiau zusätzlich noch als Anstalt zur Sicherungsverwahrung von Personen, welche als Prostituierte oder Asoziale galten, bevor 1942 die Umwandlung in ein Reservelazarett erfolgte. Vorher kamen die Insassen mit psychiatrischen Diagnosen in andere Pflegeanstalten des Reiches, sofern sie nicht der NS-Euthanasiepolitik zum Opfer fielen.

Am 23. Januar 1945 wurde Tapiau kurz nach der Evakuierung des Lazaretts von der Roten Armee eingenommen. Anschließend diente die weitgehend unbeschädigt gebliebene Burg als Internierungs- und Straflager. Später wiederum nutzten die neuen Machthaber das Bauwerk als Gefängnis, bis es 2013 in den Besitz der Oblast Königsberg überging, welche die ehemalige Ordensburg zum Zwecke der Restaurierung und touristischen Nutzung verpachtet hat.


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