05.12.2025

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Atomtest Gelände

Die Welt ist übersät mit strahlenden Todeszonen

Wo einst Nukleartests durchgeführt wurden, kann oftmals bis heute kein Mensch leben. Die verantwortlichen Regierungen kommen ihrer Pflicht zur Entschädigung der Opfer nur schleppend nach

Wolfgang Kaufmann
19.10.2025

Zwischen Juli 1945 und September 2017 wurden weltweit mehr als 2000 Atomtests durchgeführt – davon etwa 600 in der Erdatmosphäre oder im Ozean und der Rest in Tunneln oder Bohrlöchern unter der Erdoberfläche. Hierzu nutzten die Kernwaffenmächte USA, Sowjetunion, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan und Nordkorea rund zwei Dutzend verschiedene Testgelände mit einer Gesamtfläche von schätzungsweise 100.000 Quadratkilometern, was ungefähr der Größe von Bayern und Baden-Württemberg zusammen entspricht.

Diese Areale, auf denen früher oft ganze Serien nuklearer Explosionen erfolgten, lagen entweder in Wüstengebieten beziehungsweise abgelegenen Gebirgsregionen oder auf einsamen Inseln wie Südsee-Atollen. Besondere Bekanntheit erlangten dabei das Nevada-Testgelände nördlich von Las Vegas, die beiden Atolle Bikini und Mururoa im Stillen Ozean, die „21. Basis der chinesischen Volksbefreiungsarmee für Erprobung und Ausbildung“ am Salzsee Lop Nor in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang, die im Nordpolarmeer liegende russische Insel Nowaja Semlja sowie das Testgebiet von Semipalatinsk in der damaligen Sowjetrepublik Kasachstan. Dort lief auch das Programm „Atomexplosionen für die Volkswirtschaft“, in dessen Rahmen 121 nukleare Sprengsätze gezündet wurden, um beispielsweise die Erdöl- und Erdgasförderung durch Kavernenbildung zu erleichtern.

Die größte Explosion aller Zeiten
Heute stellt sich die Situation rund um die ehemaligen Testgelände unterschiedlich dar, wobei es allerdings eine große Gemeinsamkeit gibt, nämlich die radioaktive Verseuchung. Besonders intensiv ist sie auf Nowaja Semlja am Ostrand der Barentssee. In den Gewässern rund um das Eiland im hohen Norden verschossen sowjetische U-Boote Torpedos scharfe Nukleargefechtsköpfen. Außerdem fanden hier sogenannte Volley-Tests statt, bei denen in kurzer Folge bis zu acht Sprengsätze detonierten. Ebenso warf eine Tu-95 am 30. Oktober 1961 über der Mitjuschikabucht die legendäre Zar-Bombe ab, welche die größte jemals von Menschen verursachte Explosion auslöste. Obwohl Nowaja Semlja durch die 130 durchgeführten Kernwaffentests bereits in erheblichem Maße verstrahlt war, entsorgte die UdSSR dort noch jede Menge radioaktiver Abfälle, darunter sieben Reaktoren von außer Dienst gestellten Atom-U-Booten.

Immer noch sehr stark kontaminiert ist auch das Testgelände von Semipalatinsk, wo Kernwaffen mit einer Sprengkraft von insgesamt 2500 Hiroshima-Bomben getestet worden waren. Die Strahlung in vielen Bereichen des Areals liegt nach wie vor 400 Mal höher als der zulässige Grenzwert. Infolgedessen leiden zahlreiche kasachische Steppenbewohner an dem Kainar-Syndrom, einer chronischen Strahlenkrankheit mit deutlich erhöhtem Auftreten von Tumoren aller Art. Alarmierende Krebsraten gibt es heute gleichermaßen im Umfeld des früheren britischen Testgeländes von Maralinga in der südaustralischen Nullarbor-Wüste, wo nicht nur sieben große Kernwaffen gezündet wurden, sondern bei mehreren Unfällen auch erhebliche Mengen Plutonium in die Umwelt gelangten.

Weniger verstrahlt sollen hingegen nach Angaben des Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) in Paris die ehemaligen französischen Testgelände in der algerischen Sahara bei Reggane und Ekker sowie auf den polynesischen Atollen Mururoa und Fangataufa sein. Das erscheint allerdings zweifelhaft, da bislang keine nennenswerte Dekontaminierung stattfand. Auf jeden Fall wurde Frankreich 2018 wegen der Folgen der Atomtests beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verklagt.

Ansonsten fällt auf, dass den Menschen, die einst im Bereich der späteren Testgelände lebten, neben fairen Entschädigungen für die Umsiedlung auch die Rückkehr in die alte Heimat verwehrt wird. Das gilt beispielsweise für die Westlichen Schoschonen, denen laut Vertrag von Ruby Valley eigentlich zwei Drittel von Nevada zustehen, wie für die 1956 von Nowaja Semlja deportierten Nenzen oder die australischen Aborigines.

Glücksritter ignorieren die Gefahr
Ebenso dürfen die Atolle Mururoa und Fangataufa von den Südseeinsulanern nach wie vor nicht betreten werden. Gleichzeitig weigert sich der französische Staat in aller Regel, für die Verstrahlung der Bevölkerung der umliegenden Inseln zu zahlen. Bislang erhielten nur 63 Polynesier eine individuelle Entschädigung.

Dass die Testgelände heute fast alle immer noch gesperrt sind, hindert manche Glücksritter nicht daran, die Areale zu betreten und nach brauchbaren Dingen zu suchen. Das trifft in besonderem Maße auf das 1991 stillgelegte Gelände bei Semipalatinsk zu. Illegal agierende Altmetallhändler haben hier sogar die 1996 versiegelten Stollen für die unterirdischen Tests aufgebrochen und etliche der darin zurückgelassenen Ausrüstungen gestohlen.

Eines der nuklearen Versuchsgelände wird heute allerdings weiter genutzt, nämlich das ausgedehnte Areal am Lop Nor im Tarimbecken. Nachdem die Volksrepublik China am 24. September 1996 den Kernwaffenteststopp-Vertrag unterzeichnet hatte, entstanden nahe der Ortschaft Malan etliche Forschungseinrichtungen. Darüber hinaus baute das Militär bei Qingghar eine fünf Kilometer lange Landebahn für Raumgleiter vom Typ CSSHQ, von denen der erste am 6. September 2020 auf der Piste aufsetzte. Des Weiteren gibt es in Malan nun ein Freilichtmuseum samt „Märtyrerfriedhof“, das Besucher aus dem In- und Ausland über die ruhmreichen und tragischen Aspekte des chinesischen Atomprogramms informieren soll.

Ansonsten steht auch das Gelände innerhalb des White-Sands-Sperrgebietes, auf dem am 16. Juli 1945 die erste Atombombe der Welt im Rahmen des Trinity-Tests gezündet wurde, zweimal im Jahr für Besucher offen. Manche von diesen brachten früher Stücke grünlichen Glases mit, welches durch das großflächige Schmelzen des Wüstensandes infolge der Hitze der Kernexplosion entstand. Mittlerweile ist das Auflesen der sogenannten Trinitide allerdings illegal und kann mit Geld- und Haftstrafen geahndet werden.


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