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Exklaven, Enklaven, hoch umstrittene Inseln oder Wüsten, die niemand haben will, Städte, die verlassen wurden und solche, in die nie jemand eingezogen ist – Skurrilitäten überziehen den ganzen Globus
Normalerweise kämpfen Staaten mit Zähnen und Klauen um jedes noch so kleine Zipfelchen ihres Territoriums – so wie derzeit vor allem die Ukraine. Aber es geht auch anders. Das zeigen beispielsweise der Sudan und Ägypten. Am Rande dieser beiden Länder liegt die 2060 Quadratkilometer große unbewohnte Steinwüste Bir Tawil, auf die weder Khartum noch Kairo Anspruch erheben. Weitere solcher Niemandsländer befinden sich zwischen dem Senegal und Guinea sowie zwischen Südafrika und Lesotho. Und auch die Volksrepublik China hat „ungeliebte Orte“: In 17 von 23 Grenzstreitigkeiten verzichtete Peking aus wirtschaftlichem und politischem Desinteresse auf 3,3 Millionen Quadratkilometer Land, während die Volksbefreiungsarmee zugleich im Südchinesischen Meer winzigste Riffe zu künstlichen Inseln erweitert und Truppen darauf stationiert hat.
Apropos Inseln: Manche Staaten finden heute immer noch Eilande, von denen sie gar nicht wussten, dass sie existieren. Seit dem Jahr 2000 entdeckten die Philippinen 534 bislang unbekannte Inseln in ihren Gewässern. Derartiges ist sogar in der eigentlich recht überschaubaren Ostsee möglich. 2015 stellten Geographen im Dienste der estnischen Regierung fest, dass die baltische Republik nicht 1521, sondern 2355 Inseln besitzt.
Noch verwirrender sind die Verhältnisse im Bottnischen Meerbusen zwischen Schweden und Finnland. Während der Eiszeit drückte das ungeheure Gewicht der Gletscher den Boden nach unten. Der „schwingt“ nun seit dem Abtauen des Eises vor rund 10.000 Jahren in die Gegenrichtung, und zwar um knapp einen Zentimeter pro Jahr. Daraus resultiert das Auftauchen ständig neuer Inseln vor allem im Bereich des Kvarken-Archipels. Im Durchschnitt wächst die Landfläche hier binnen zwölf Monaten um 1,3 Quadratkilometer.
Nur 53 Quadratmeter
Ebenfalls geologisch bedingt sind die umhertreibenden Inseln beziehungsweise Bimssteinflöße, welche bei Vulkanausbrüchen im Meer entstehen. Das leichte poröse vulkanische Glasgestein treibt oft jahrelang auf der Wasseroberfläche und bildet dabei regelrechte Felsteppiche. Einen solchen entdeckte die neuseeländische Luftwaffe im Jahre 2012. Der war fast so groß wie Belgien.
Dagegen sind der Pazifische Müllstrudel und die Sprüheisinseln künstlichen Ursprungs. Der erstere ist eine Zusammenballung von schwimmendem Müll auf einer Fläche von mehr als 70.000 Quadratkilometern und könnte teilweise auch „annektiert“ werden – nur reißt sich verständlicherweise niemand darum. Sprüheisinseln wiederum entstehen durch das gezielte Ausbringen von Wasser bei starken Minusgraden wie im Falle von Nipterk P-32. Diese Insel wurde 1989 binnen 53 Tagen von dem Ölkonzern ExxonMobil in der kanadischen Beaufort-See angelegt und trug unter anderem Bohrgerät.
Eine weitere geographisch-politische Merkwürdigkeit sind die zahlreichen Enklaven und Exklaven rund um den Globus, welche die üblichen territorialen Grundschemen aufbrechen und zumeist historische Wurzeln haben. Als besonders verzwickter Fall gilt dabei die niederländische Kleinstadt Baarle-Nassau. Auf ihrem Gebiet liegt die belgische Enklave Baarle-Hertog – allerdings nicht in kompakter Form, sondern verteilt auf insgesamt 22 Landfetzen von anderthalb Quadratkilometern bis 2632 Quadratmetern Größe. Teilweise verläuft die Grenze dabei mitten durch Gebäude.
Ähnlich kompliziert geht es im Gebiet der Chitmahals zwischen Indien und Bangladesch zu. Hier befinden sich rund 200 Exklaven jenseits der jeweiligen Staatsgrenzen, wobei die kleinste nur 53 Quadratmeter umfasst. Angeblich resultiert das dadurch ausgelöste Chaos, welches 51.000 Menschen recht prekäre Lebensverhältnisse beschert, aus wechselseitigen Gewinnen und Verlusten bei den Schachspielen zwischen dem Maharadscha von Cooch Behar und dem Nawab von Rangpur.
Eine einzelne Enklave der ganz besonderen Art ist hingegen der Magistralpalast des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom Heiligen Johannes von Jerusalem, von Rhodos und von Malta in der Via Condotti in Rom, denn der Malteserorden besitzt außer dem Gebäude mit seinen 6000 Quadratmetern kein eigenes Territorium, weil er lediglich ein „souveränes Völkerrechtssubjekt“ darstellt.
Weltweit einzigartig kommt gleichermaßen das „Friedensdorf“ Kijŏng-dong in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea daher. Hierbei handelt es sich um ein vollkommen leer stehendes lupenreines Potemkinsches Dorf, mit dem das Regime in Pjöngjang Wohlstand und Normalität vorzugaukeln versucht, um Überläufer aus dem Süden anzulocken.
Städte ohne Menschen
Menschenwerk sind die Geistersiedlungen rund um die Welt. Manche davon wurden durch eine Umweltkatastrophe entvölkert wie die 50.000-Einwohner-Stadt Prypjat in der Ukraine, welche 1986 infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl geräumt werden musste, oder Wittenoom in Australien, wo massive Asbestverseuchung zur Aufgabe der Ortschaft zwang. In anderen Fällen stehen planmäßig hochgezogene Gebäude von Anfang an leer. Ein Beispiel hierfür ist das zur Stadt Ordos in China gehörende Neubauviertel Kangbashi, das 300.000 Menschen beherbergen sollte, die jedoch nie kamen.
Düster wirkt auch die aufgegebene Siedlung Kolmanskuppe in Nambia, dem ehemaligen Deutsch-Südwest. Aufgrund der umliegenden Diamantenfelder galt der Vorzeigeort für 400 Einwohner bis zum Ersten Weltkrieg als reichste Kommune Afrikas, dann setzte mit dem Ende der Funde ein schneller Niedergang ein.
Neben den Geisterstädten existieren versteckte, aber dennoch dicht besiedelte Orte. Dazu zählen die sogenannte „Müllstadt“ von Kairo, eine von koptischen Christen geschaffene Enklave im Viertel Manshiet Nasser, in der jeden Tag mehrere tausend Tonnen Müll in Handarbeit recycelt werden, sowie der Nordfriedhof der philippinischen Hauptstadt Manila. Hier fristen bis zu 6000 Menschen in ihren Familiengrabstätten ein vergleichsweise ruhiges Leben inmitten der hektischen Megacity. Die Bewohner unseres Planeten haben sich also mehr Ausnahmeräume geschaffen, als es auf den ersten Blick scheint.
andreas sarkis am 13.01.24, 22:33 Uhr
Die Ukraine würde um kleine Zipfelchen kämpfen? Was soll das? Russland hat fünf Oblasts (Provinzen) und die Krim gestohlen. Das sind kleine Zipfelchen? Ein wenig mehr Augenmaß würde nicht schaden. Vor dem Schreiben.