17.07.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Politik

Die Zeit des „Weiter so“ von Union und SPD ist vorbei

Die gescheiterte Wahl neuer Verfassungsrichter markiert einen Tiefpunkt schwarz-roter Politik – und zeigt, dass es Zeit ist für einen echten Politikwechsel

René Nehring
17.07.2025

War es das schon für die schwarz-rote Koalition? Nachdem am 6. Mai die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler erst im zweiten Anlauf geglückt war, musste am vergangenen Freitag die Wahl dreier Richter für das Bundesverfassungsgericht abgesetzt werden. Zu groß war in den Reihen von CDU und CSU der Unwille, eine Juristin in das höchste deutsche Gericht zu entsenden, die in wesentlichen Fragen konträr zu grundsätzlichen Überzeugungen der Union und der Bürger dieses Landes steht.

Dass sowohl eine Kanzlerwahl als auch die Neubesetzung von Verfassungsrichterposten scheitern, hat es in 75 Jahren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben. Dass dies nun innerhalb weniger Wochen gleich zweimal geschah, hat Gründe. Ein wesentlicher ist der fortschreitende Niedergang von Union und SPD. Konnten die Volksparteien in ihren guten alten Zeiten noch neunzig Prozent der Wählerstimmen und Mandate auf sich vereinen und damit auch manch Grummeln in den eigenen Reihen locker wegstecken, so reichen heute schon wenige unzufriedene Abgeordnete aus, um Absprachen der Koalitionspartner zu gefährden.

Ein historischer Niedergang
Neben den vielen handwerklichen Fragen der gescheiterten Richterwahl – unter anderem, warum die Unions-Fraktionsführung eine Abstimmung über den SPD-Vorschlag Frauke Brosius-Gersdorf zuließ, obwohl früh auch in den eigenen Reihen großer Protest gegen diese Personalie zu vernehmen war – lohnt es deshalb, nach den Ursachen des schwarz-roten Niedergangs zu fragen. Schließlich ist jene Koalition, die in den Jahrzehnten zuvor als absoluter Ausnahmefall gegolten hatte, in der Ära der vormaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel – die zwölf von 16 Jahren ihrer Amtszeit mit der SPD koalierte – fast schon zu einem Standardmodell deutschen Regierens geworden.

Bis heute erscheinen die schwarz-roten Jahre vielen Deutschen als eine gute Zeit. Da die CDU-Kanzlerin mit den diversen SPD-Vorsitzenden gut konnte, gab es wenig Streit, was durchaus dem Naturell ihrer konfliktscheuen Landsleute entspricht. Dass überdies Geld in Fülle vorhanden war und teilweise sogar Schulden abgebaut werden konnten, lässt diese Ära auch objektiv in einem hellen Licht erscheinen.

Allerdings gab es Gründe für dieses Wohlgefühl, die nichts mit schwarz-roter Politik zu tun hatten. Zum einen war das Geld – Schmiermittel nicht nur der Volkswirtschaften, sondern auch des modernen Sozialstaats – auf den internationalen Finanzmärkten dank niedriger Zinsen so billig zu haben wie nie zuvor. Zum anderen hatte Merkels Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) mit den Reformen seiner Agenda 2010 das Land wieder fit gemacht, sodass seine Nachfolger anderthalb Jahrzehnte „gut und gern“ (so eine Lieblingsvokabel Merkels) darin leben konnten.

Dass die schwarz-roten Jahre offenbar keineswegs so golden waren, wie es die Protagonisten und ihnen geneigte Medien gern darstellten, zeigt sich unter anderem an den Wahlergebnissen. Konnten CDU/CSU und SPD bei der Bundestagswahl 2005 zusammen noch 69,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, so erzielten sie bei der Bundestagswahl 2025 in Summe gerade einmal 44,9 Prozent, sodass es nur noch knapp für eine Mehrheit der Abgeordnetenmandate und damit eine Neuauflage der einst großen Koalition reichte. Das mithin sichtbarste Ergebnis schwarz-roten Regierens war indes das erstmalige Aufkommen einer politischen Kraft rechts der Union, seit diese in den 1960er Jahren den BHE und die Deutsche Partei geschluckt hatte – der AfD.

Das Ende einer Entwicklung
Doch trotz ihres beispiellosen Niedergangs sind weder die Union noch die SPD daran gegangen, die Ursachen der Entwicklung zu ermitteln und gegebenenfalls einen anderen Kurs einzuschlagen. Solange es für eine Regierungsbeteiligung – und damit für ein paar lukrative Posten – reichte, blieb die Welt für sie in Ordnung. Selbst dass sie nun nicht einmal mehr im Verbund mit den Grünen über eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag verfügen, führte nicht zu Einkehr und Besinnung. Stattdessen wurde kurzerhand noch mit dem alten Bundestag die Verfassung geändert, um mit neuen Schulden die alte Politik fortsetzen zu können.

Der Fall Brosius-Gersdorf zeigt nun, dass zumindest in der Union der Frust über den Niedergang der eigenen Partei die Ebene der Bundestagsabgeordneten erreicht hat. Offenbar sind diese nicht mehr bereit, einen Kurs mitzutragen, der maßgeblich zum Niedergang ihrer Partei beigetragen hat und weiter beiträgt.

Auf den ersten Blick stecken CDU und CSU nun in einer Zwickmühle. Durch ihr klares Nein zu jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD scheinen sie fest eingekeilt zu sein zwischen der „Brandmauer“ nach rechts und den diversen linken Parteien, die die Lage genüsslich ausnutzen, um der Union ihren Kurs aufzuzwingen.

Tatsächlich lässt sich die – nicht nur für die Union – verzwickte Lage durchaus auflösen: und zwar, indem die Politik wieder dem bei fast allen Wahlen der letzten Jahre zum Ausdruck gekommenen Willen der Bürger entspricht. Dafür hat die den Kanzler stellende Union zwei Möglichkeiten: Entweder sie arbeitet – in welcher Form auch immer – mit der neuen politischen Kraft rechts von ihr zusammen und nutzt die dafür vorhandenen Mehrheiten, oder aber sie bringt die Partner links von ihr dazu zu akzeptieren, dass die Deutschen ausweislich der Wahlergebnisse einen echten Politikwechsel wünschen. Dass die Wähler mehrheitlich „rechts“ stimmen, aber kontinuierlich „linke Politik“ bekommen, hält auf Dauer kein demokratisches System aus.

Sollten sich die beiden Volksparteien dieser Einsicht verweigern, wird ihnen auch das gerade wieder diskutierte Verbot der ungeliebten Konkurrenz von rechts nicht helfen können, den eigenen Niedergang abzuwenden.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS