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Zehn Jahre nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind immer noch viele Fragen offen. Etliche Ungereimtheiten lassen die Zweifel an der öffentlichen Darstellung der Mordserie nicht verstummen
Fast 14 Jahre hatten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Illegalität gelebt, als sie am 4. November 2011 tot in einem Wohnmobil aufgefunden wurden, das in einem Eisenacher Wohngebiet abgestellt war. Beate Zschäpe stellte sich Tage später der Polizei in Jena. Nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) kam es vor dem Münchner Oberlandesgericht zu einem Mammutprozess gegen Beate Zschäpe und Helfer des NSU-Trios. Diesem wurden zehn Morde, 15 Überfälle auf Banken und einen Supermarkt sowie zwei Sprengstoffanschläge zur Last gelegt.
Der Bundestag und auch diverse Landtage setzten NSU-Untersuchungsausschüsse ein. Trotz dieser enormen Aufklärungsbemühungen sind bis heute zum Teil sehr wichtige Fragen noch immer unbeantwortet. Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wies unlängst bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin darauf hin, das beispielsweise das Motiv für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter noch immer unklar sei. Die 22-Jährige war am 25. April 2007 auf der Theresienwiese in Heilbronn durch einen Kopfschuss getötet worden. In der Mordserie, die dem NSU zugeschrieben wird, nimmt Kiesewetter als Opfer eine Sonderrolle ein. Die neun Mordopfer vor ihr waren alle Kleinunternehmer mit Immigrationshintergrund. Ausländerhass scheidet als Mordmotiv bei der Polizistin aber aus. Im Zuge der Ermittlungen wurden zudem DNA-Spuren an Kiesewetters Kleidung gefunden, die weder zu Böhnhardt noch zu Mundlos passte. Auch keines der Phantombilder der mutmaßlichen Täter wies eine Ähnlichkeit mit den beiden auf.
Die auffällig fehlenden DNA-Spuren
Aufgrund der vielen Ungereimtheiten im Heilbronner Fall sind auch im Untersuchungsausschuss des Bundestags starke Zweifel laut geworden, ob die NSU-Täter in Heilbronn allein gehandelt haben. Generell auffällig ist, dass die Ermittler an keinem der 27 Tatorte, die mit dem NSU in Verbindung gebracht werden, DNA-Spuren von Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe sicherstellen konnten. Im Bundestagsuntersuchungsausschuss bewertete dies im Jahr 2016 ein Experte des Bundeskriminalamts als nicht „super ungewöhnlich“, andererseits sei es „schon nicht einfach“, einen Tatort DNA-frei zu halten oder wieder zu machen.
Ein völlig gegenteiliges Bild bot sich am 4. November 2011 in dem Wohnmobil, in dem Mundlos und Böhnhardt tot aufgefunden wurden. Laut den Ermittlungsunterlagen muss das angemietete Fahrzeug mit Material, welches das NSU-Trio belasten, regelrecht vollgestopft gewesen sein. Gleiches gilt für die Zwickauer Wohnung, die am Nachmittag des 4. November von Beate Zschäpe in Brand gesteckt wurde. Erst die Funde in Wohnmobil und Wohnung brachten die Ermittler dazu, einen Zusammenhang zwischen dem NSU und dem Polizistenmord von Heilbronn herzustellen.
Haldenwang wies auf der Diskussionsveranstaltung zudem auf die unklare Rolle des V-Mann-Führers Andreas Temme hin. Wie sich im Zuge der Ermittlungen ergab, hielt sich der damalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes zur Tatzeit in dem Kasseler Internetcafé auf, in dem am 6. April 2006 dessen Betreiber Halit Yozgat durch zwei Kopfschüsse getötet wurde. Temme, der zeitweise selbst als Verdächtigter ins Visier geriet, bestritt, den Mord bemerkt zu haben. Selbst als er das Café verließ, will er nicht gesehen haben, dass hinter dem Verkaufstresen ein verblutender Mensch lag.
Die Rolle des Andreas Temme
Anwälte der Angehörigen Yozgats erhoben den Vorwurf, Temme habe vorab „konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Tatopfer und den Tätern“ gehabt. Die Anwälte stützten sich dabei auf Mitschnitte von Telefonaten Temmes. Wegen seiner Anwesenheit am Tatort war Temmes Telefon zeitweise von der Polizei abgehört worden. In einem der mitgehörten Gespräche sagte einen Monat nach der Tat der damalige Geheimschutzbeauftragte beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz zu Temme: „Ich sag' ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren!“ Der Kasseler Mordfall wirft noch weitere Fragen auf. Yozgat war das neunte und letzte Todesopfer der sogenannten „Döner-Morde“ an Kleinunternehmern mit Immigrationshintergrund. Bis heute ist unklar, warum mit dem Mord in Kassel diese Serie plötzlich abriss, obwohl das NSU-Trio erst im November 2011 enttarnt wurde.
Nicht geklärt ist auch, warum speziell diese neun Gewerbetreibenden ins Visier des NSU-Trios geraten sind. Ebenso offengeblieben ist, wie die Tatorte ausgekundschaftet wurden. Als sicher kann gelten, dass dies nicht durch das NSU-Trio allein erfolgt sein kann. Als die Ermittler die umfangreiche Adresssammlung des NSU auswerteten, stand am Ende eine sogenannte „10.000er Liste“ mit Namen und Objekten möglicher Anschlagsziele. Wer im einzelnen Mundlos und Böhnhardt vor Ort geholfen hat, die Tausenden Informationen zusammenzutragen, ist noch immer eine offene Frage.
Gerade in linken Kreisen wurden in diesem Zusammenhang Mutmaßungen über ein riesiges bundesweites Helfernetzwerk angestellt. Erkenntnisse aus den NSU-Untersuchungsausschüssen lassen an solchen Spekulationen über eine riesige Unterstützerszene stark zweifeln. So betrug etwa die Zahl der Aktiven in der NS-Gruppierung „Blood&Honour“ bis zum offiziellen Verbot im Jahr 2000 in ganz Deutschland nur rund 200 Personen.
Die verdächtige Aktenvernichtung
Für den NSU spielte „Blood&Honour“ eine wichtige Rolle, weil einzelne „B&H“-Mitglieder ihn nach seinem Abtauchen in die Illegalität unterstützten. Im Rückblick bemerkenswert ist, dass die Verfassungsschutzämter über diese Unterstützeraktivitäten zumindest in der ersten Zeit nach dem Abtauchen des Trios im Januar 1998 durch Berichte von V-Leuten recht gut im Bilde waren. Im Zuge von Ermittlungen gegen die Rockband „Landser“ stand die Szene ohnehin unter intensiver Beobachtung.
Gegen wichtige Unterstützer der drei Untergetauchten, etwa Jan Werner, liefen beispielsweise fortlaufend Abhörmaßnahmen und sogar Observationen durch mehrere Verfassungsschutzämter. Bei der Berliner Diskussionsveranstaltung behauptete Haldenwang mit Blick auf den NSU, dass seinerzeit verschiedene Behörden in Bund und Ländern „zum Teil auf den ihnen vorliegenden Informationen“ gesessen hätten, daher seien Verbindungen damals nicht erkannt worden.
Das trifft nur zum Teil zu. Wie die Befragung eines früheren Verfassungsschützers durch den Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags ergab, war es bereits zur damaligen Zeit Routine, dass die Verfassungsschutzbehörden der Länder alle von V-Leuten gelieferten Informationen an das Bundesamt für Verfassungsschutz weiterleiteten. Der Umstand, dass unmittelbar nach dem Auffliegen des NSU beim Bundesamt eine umfangreiche Vernichtung von Akten mit möglichen NSU-Bezügen erfolgte, erhöht das Unbehagen. Tatsächlich räumte Haldenwang in Berlin auch ein, dass während der NSU-Morde und der Aufarbeitung der Mordserie Fehler begangen worden seien. „Am Ende bleibt dieses sehr, sehr unwohle Gefühl“, so das Resümee des Verfassungsschutzchefs.
sitra achra am 09.11.21, 16:58 Uhr
Ich frage mich, ob man jemals die Klarnamen der Geheimdienstler herausfindet, die Böhnhardt und Mundlos im staatlichen Auftrag ermordet haben?
Hoffnung besteht, denn die Tat war mehr als stümperhaft durchgeführt.
Aber vielleicht werden die Akten nach 30 Jahren freigegeben, dann wissen wir (eigentlich nicht) viel mehr.
Maximilian Rath am 09.11.21, 08:24 Uhr
Man muss auch feststellen, welche Folgen der "NSU" für die spätere deutsche Politik und Gesellschaft mit sich brachte: Eine weitere Umwälzung nach links, dabei eines der wichtigsten Totschlagsargumente: "NSU".
Es erinnert einen bisweilen daran, dass schon in den 70er Jahren linke Schüler oder Studenten Hakenkreuze an die Friedhofsmauern schmierten um danach gegen "Nazis" zu demonstrieren und für sich selbst ihre Vorteile zu ziehen.
Ralf Pöhling am 03.11.21, 19:55 Uhr
Extrem schwieriges bis lebensgefährliches Thema. Dass hier Geheimdienste im Spiel waren, ist klar. Ob das nur deutsche Dienste waren und das NSU Trio überhaupt irgendetwas mit den Taten zu tun hatte, oder nur als Tarnnetz zwecks Ablenkung von den wirklichen Tätern und ihren Absichten ausgeworfen wurde, ist eine Frage. Wenn alle drei jedoch wirklich involviert waren, so stellt sich die Frage nach dem Support, den sie zweifellos gehabt haben müssen. Und eben danach, wer sie vor den Karren gespannt hat.
Und das "vor den Karren Spannen" funktioniert im fanatisierten hart-rechten Spektrum genauso gut, wie im fanatisierten hart-linken Spektrum. Hart ideologisierte Deppen für fremde, eventuell sogar ausländische Interessen einzuspannen und zu verheizen, ist nicht besonders schwer. Man sollte darauf schauen, wer hier letztlich profitiert und wem es geschadet hat. Eventuell sind zwei der drei auch aus dem Verkehr gezogen worden, weil sie nicht mehr mitspielen wollten. Oder unser Apparat hat sich bei einer Kooperation mit dem Ausland zu hart an der Nase herumführen lassen und nun peinliche Erklärungslücken, die er hinter einer Informationssperre verstecken muss. So oder so läuft beim NSU maximale Schadensbegrenzung. Normal ist das nicht.
Junge Marcus am 02.11.21, 17:35 Uhr
"Auch keines der Phantombilder der mutmaßlichen Täter wies eine Ähnlichkeit mit den beiden auf."
Das gilt für alle Morde, nicht nur Kiesewetter. Nirgendwo hat man jemals Uwe, Uwe oder Beate auch nur in der Nähe gesehen. Keiner der Zeugen hat von denen berichtet.
Weiterhin fehlt der Kollege von Kiesewetter, der ja nur angeschossen wurde und dann seither schweigt ähhhh "sich an nichts erinnern kann", nachdem er sich zuerst erinnern konnte. Wohl weil er ein "Angebot bekam, welches er nicht ablehnen konnte", so in der Art "nächstes Mal überlebst du nicht".
Am Wochenende lief mal wieder "Jack Reacher". So aus dem Kopf: "all diese vielen Beweise, jeden einzelnen für sich hätte ich glaubt, aber alle zusammen, das ist unmöglich, da stimmt etwas nicht". Wohnmobil mit Beweisen von Verbrechen, die Wochen vor der Anmietung des Wohnmobils begannen wurden und die Uwe/Uwe extra und völlig sinnfrei, ins Wohnmobil hatten bringen müssen. Ein Wohnmobil, welches zuerst unbewacht war, vom Tatort einfach abgeschleppt wurde, ohne Spurensicherung und in dem plötzlich immer weitere "Beweise" auftauchten. Z.B. Mitten auf dem Bett liegend und völlig unverrust, wie alles darum. + Das in der ersten Nacht sehr unbewachte Haus.
Deutlicher kann ein Kriminalfall nicht FAKE brüllen.
Siegfried Hermann am 02.11.21, 11:50 Uhr
Da waren, teils nachweislich (!), noch gaaanz andere zugegen.
Die DIA definitiv, wenn die Jungs den US-Standorten (Kasernen, Abhör-Stationen, "gesicherte" Wohnungen) gefährlich nahe kamen. NSA und CIA sind immer dabei.
....Kleinunternehmern mit Immigrationshintergrund...
Das ist Buntsprech für Anatolien-Mafia.
Das in diesen Buden mit Drogen, Waffen und Nuxxen gedealt wurde
fällt der politischen Korräknäss zum Opfer.
Natürlich wird da niemals die Wahrheit gesagt werden!! Der VS wird schon aus eigenen Antrieb dafür sorgen.
Und unsere Elitepolitiker sind sowieso durchweg Heuchler der verlogensten Sorte.
Das wird vielleicht mal ein Thema für Historiker werden, wenn dieses erbärmliche System endlich zum Fall gebracht worden ist.