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In der Turmkuppel der Kirche von Münsterberg wurde eine Zeitkapsel entdeckt – Hoffnung auf Weltsensation wurde zerstreut
Die Bewohner von Münsterberg in Schlesien [Ziebice] hofften auf eine Weltsensation. Bei der Sanierung der Turmkuppel der ehemaligen evangelischen Kirche wurde eine Zeitkapsel gefunden.
Das 1797 erbaute Gotteshaus wurde anstelle eines Schlosses aus dem 15. Jahrhunderts errichtet. „Es sieht danach aus, als ob der Fund der älteste dieser Art polenweit und genauso alt wie die älteste Zeitkapsel weltweit ist“, sagte Mariusz Szpilarewicz, der Bürgermeister von Münsterberg am 12. Mai, kurz vor der Öffnung der Kapsel.
Spannend wie ein Krimi
Um 11 Uhr war es dann soweit: In die Münsterberger Stadtverwaltung reiste eine Delegation vom Niederschlesischen Woiwodschaftsamt für Denkmalschutz aus Waldenburg [Walbrzych] und dem Staatsarchiv Breslau an.
Vor dem Rathaus versammelten sich voller Erwartung Münsterberger und Vertreter der Presse. „Ich habe in dieser Kirche mein Abitur geschrieben“, erinnert sich eine der Wartenden und erklärt, dass die Kirche in den 1960er Jahren in eine Turnhalle umfunktioniert wurde. „Es ist spannend wie ein Krimi“, sagte Joanna Lamparska, Autorin historischer Romane über Niederschlesien gegenüber Radio Breslau. Sie hoffte, dass die Kapsel zu den ältesten weltweit gehört.
Doch diesen Zahn musste ihr Marek Kowalski letztlich ziehen. „Weltältester Fund – weit gefehlt. Sensationell wäre allerdings gewesen, wenn in der Kapsel Dokumente aus der Zeit vor der Erbauung der Kirche zu finden gewesen wären, also vom Schloss aus dem 15. Jahrhundert“, so der Denkmalschützer Kowalski aus Waldenburg.
Namensliste der Stifter entdeckt
Nach zwei Stunden der Untersuchung konnte Kowalski sogar berichten, dass die Kapsel eine Namensliste von 1797, wahrscheinlich von den Stiftern, und Münzen aus dieser Zeit enthielt. „Die Münzen wurden zur Sicherheit beigelegt, sollten die Papierdokumente beschädigt werden“, meint Kowalski. Daneben fand man in der Kapsel Beigaben, die vor 120 Jahren hinzugefügt wurden. Damals wurde die Kirche saniert, sodass ein zweiter Erinnerungsstrang hergestellt wurde.
„Besonders beeindruckte mich ein Brief einer Münsterbergerin, die 1797 einige Zeilen an die Nachwelt richtete. Es ist vielleicht kein sehr kostbarer Fund, aber für uns ist es eine Rarität. Wer weiß, vielleicht lesen wir darin wichtige Informationen über unsere Stadt“, hoffte Bürgermeister Szpitlarewicz. Informationen können bestimmt auch die beigelegte „Münsterberger Zeitung“ vom 20. August 1902 und die evangelischen Gesangbücher aus dieser Zeit liefern.
„Wir verfügen über ein allgemeines Wissen zur Geschichte dieser Stadt, aber Dokumente dieser Art erweitern unser Wissen 100-fach. Wir lernen die Pfarrer kennen, vielleicht auch Gemeindemitglieder, Menschen, die hier lebten. Es ist ein außergewöhnlicher Fund. In meiner Karriere als Denkmalschützer in Waldenburg hatte ich bislang mit vielleicht zehn Zeitkapseln zu tun“, so Marek Kowalski gegenüber dem „Dziennik Walbrzyski“ [„Waldenburger Tagesblatt]“.
Fund kommt ins Staatsarchiv
Der Kapselinhalt kommt nun für Untersuchungszwecke ins Staatsarchiv Breslau. Es wird ein Duplikat erstellt. Dieses wird in der renovierten Turmspitzenkugel für die nächsten Generationen platziert. Das Original von 1797 und die neben der Kapsel gefundenen Postkarten von Münsterberg von der Jahrhundertwende werden im Münsterberger Museum künftig Besuchern präsentiert. Doch zuerst müssen die gut erhaltenen Dokumente ins Polnische übersetzt werden.
Krystyna Wilczynska vom Staatsarchiv Breslau ist erstaunt, in welch gutem Zustand der Kapselfund bis in unsere Zeit überdauerte, während an den jüngeren Dokumenten bereits der Zahn der Zeit nagte. „Vor allem das Zeitungspapier ist stark porös. Die Turmkugel wurde im Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich durch einen sowjetischen Soldaten durchschossen, glücklicherweise wurde die Kupferkapsel dabei nicht beschädigt“, so Wilczynska.
Die evangelische Kirche in Münsterberg wurde nach den Plänen des Architekten Neidhardt von Gneisenau 1796/97 erbaut. Die Kirche diente ab 1968/69 dann als Turnhalle. Chris W. Wagner