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In Deutschlands Unternehmen bleiben immer mehr Lehrstellen unbesetzt. Die Chefetagen verzweifeln langsam am Unvermögen der Bewerber
Deutschlands duales Ausbildungsmodell – die Kombination von Berufsschule mit praktischer Erfahrung im Betrieb – war lange Zeit ein Erfolgsmodell, das weltweit gelobt und ebenso kopiert wurde. Über Jahrzehnte hat eine zumeist dreijährige Lehre die hiesige Wirtschaft mit gut ausgebildeten Fachkräften versorgt. Für Azubis bedeutete ein erfolgreicher Abschluss der Lehre meist eine Vollzeitstelle in ihrem Ausbildungsbetrieb.
Seit einigen Jahren funktioniert dieses Ausbildungssystem „Made in Germany“ allerdings nicht mehr richtig. Laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) konnten 48 Prozent aller Unternehmen, die 2024 Ausbildungsplätze angeboten haben, nicht alle ihre Stellen besetzen. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen hatte überhaupt keine Bewerbung erhalten. Bei den Jugendlichen, die eine duale Ausbildung antreten, bricht mittlerweile jeder Dritte die Lehre ab. Parallel dazu wächst in der Wirtschaft der Mangel an Facharbeitern.
Laut Daten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist die Zahl junger Menschen, die ohne Berufsabschluss sind, von 460.000 im Jahr 2013 auf 1,6 Millionen im Jahr 2024 gestiegen. Bei diesem Anstieg spielt jedoch die Massenzuwanderung nach Deutschland eine große Rolle. Fast die Hälfte (45 Prozent) der jugendlichen Migranten aus Afghanistan, Eritrea, dem Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia oder Syrien ist ohne Berufsabschluss nach Deutschland gekommen. Die oft mangelhaften Deutschkenntnisse erschweren das Nachholen einer Berufsausbildung. Schon seit Jahrzehnten klagen Unternehmen generell über eine schlechte Ausbildungsreife vieler Jugendlicher: Schulabgänger mit zu geringer Lesekompetenz und nur noch rudimentären mathematischen Fähigkeiten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr.
Plötzlich sind die Bewerber weg
Obendrein ist die duale Ausbildung für viele Jugendliche nicht mehr sehr attraktiv. Immer mehr Schulabgänger zieht es direkt an Hochschulen. Auch der gesetzliche Mindestlohn für ungelernte Helferjobs hat sich als Fehlanreiz für Jugendliche entwickelt. Finanziell ist ein Hilfsjob oft attraktiver als Lehrgeld. Verschärft wird das durch den demographischen Wandel: „Du kannst Stellen ausschreiben und machen, was du willst, du findest niemanden mehr“, so ein Tischlermeister aus dem ländlichen Raum Brandenburgs gegenüber der „Wirtschaftswoche“.
Bei Ausbildungsbetrieben, die glauben, nun doch endlich einen geeigneten Bewerber gefunden zu haben, sorgt das sogenannte „Ghosting“ („Ghost“ zu Deutsch „Geist“) für zunehmendes Kopfzerbrechen. Dabei unterschreiben Bewerber zwar einen Vertrag oder melden sich zu Vorstellungsgesprächen an, treten aber plötzlich ohne Ankündigung die Ausbildung nicht an oder verschwinden nach wenigen Tagen wortlos. Oftmals reagieren die jungen Leute auch gar nicht mehr auf Kontaktversuche der Ausbildungsbetriebe. Das Azubi-Ghosting hat laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugenommen: 2023 gaben etwa 27 Prozent der Betriebe mit unbesetzten Ausbildungsstellen an, dass sich Bewerber plötzlich und unerwartet zurückgezogen hätten.
Für die Unternehmen kann das plötzliche Abspringen von Azubis hohe Kosten verursachen, wenn in den Bewerbungsprozess bereits Ressourcen investiert wurden. Zudem müssen die betroffenen Firmen auch damit rechnen, dass sie die Lehrstelle kurzfristig gar nicht mehr mit einem anderen Bewerber besetzt bekommen. Kleinstbetriebe, die ausbilden, haben dabei die größten Probleme.
Schlechte Erfahrungen
„Rechtlich haben Betriebe wenig Handhabe, wenn ein Auszubildender seine Ausbildung nicht antritt“, so die Einschätzung von Marcus Halder, Sachgebietsleiter Ausbildungsberatung bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2020 zufolge bildet jeder fünfte Betrieb weniger aus, nachdem er solche Erfahrungen mit dem Azubi-Ghosting machen musste.
Enormer bürokratischer Aufwand
Oft ziehen sich kleine Unternehmen auch ganz von der Ausbildung von Berufsnachwuchs zurück. Ein Fliesenlegermeister aus dem Elbe-Elster-Kreis im Süden Brandenburgs teilte beispielsweise bereits 2022 der IHK Cottbus mit, dass er nach über 30 Jahren nicht mehr als Ausbildungsbetrieb zur Verfügung steht. Dabei verwies er auf den über Jahre gewachsenen bürokratischen Aufwand, aber auch auf die immer strengeren organisatorischen Auflagen, die erfüllt werden müssen: „Ich hab' jahrzehntelang Lehrlinge ausgebildet, aber der Aufwand ist so groß geworden, dass ich das mit meiner Kleinfirma nicht mehr stemmen kann!“