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Nach monatelangen Gerüchten verkündete Sahra Wagenknecht die Gründung einer eigenen Partei. Doch wofür steht das nach ihr benannte Bündnis?
Wer wissen will, warum die Linkspartei dabei ist, in die außerparlamentarische Bedeutungslosigkeit abzurutschen, braucht sich nur die ARD-Doku „Der Bruch – Sahra Wagenknecht und Die Linke“ anzuschauen. Darin antwortet die abgewählte Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach auf die Frage, ob nicht die Linke ihre Kernklientel, die Arbeiterschaft, aus dem Blick verloren hat: „Der berühmte kleine Mann ist weiß, ist männlich und ist Industriearbeiter. Das ist sowas von letztem Jahrhundert, dass ich fassungslos bin.“ Neuer Referenzpunkt sei „eine bunte und vielfältige Gesellschaft“, mithin „eine schwule Wohngemeinschaft“. Für diese Vielfalt müsse eine linke Partei einstehen, „weil Selbstbestimmung ein Menschenrecht ist“.
Nun ist das neue Jahrhundert, das angeblich nach so vielen Neuerungen verlangt, kaum ein Quartal alt und schon stellt sich heraus, dass die bunte Vielfalt dieser Republik nicht mal mehr fünf Prozent der Wählerstimmen für jene Partei übrig hat, deren Wurzeln im Gegenmodell von Farbenpracht und Diversität liegen, nämlich in der mausgrauen DDR. Die Linkspartei, vormals PDS, vormals SED, hat es nur mit Mühe in den aktuellen Bundestag geschafft. Und seit Montag vergangener Woche ist ihre Bundestagsfraktion so gut wie Vergangenheit.
Am Morgen dieses denkwürdigen Tages haben Sahra Wagenknecht und neun weitere Fraktionsmitglieder ihren Parteiaustritt unterschrieben. Anschließend trat Wagenknecht vor die Bundespressekonferenz und machte das Gründungsmanifest eines Vereins bekannt, aus dem im kommenden Januar ihre neue Partei hervorgehen und die deutsche Parteienlandschaft gehörig durcheinanderwirbeln soll: „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW).
Eine bunte Schar „Wagenknechte“
Auf dem Podium saßen neben Wagenknecht, die als einfaches Vorstandsmitglied des Vereins firmiert, die Noch-Fraktionschefin der Bundestagslinken Amira Mohamed Ali als neue Vereinsvorsitzende, der Unternehmer Ralf Suikat als BSW-Schatzmeister, Linken-Abgeordneter Christian Leye als Vizevorsitzender und Lukas Schön als Geschäftsführer. Diese Führungsriege soll die Vorbereitungen zur Parteigründung organisieren und dazu Spendengelder einsammeln. Ein Parteiapparat und Wahlkämpfe kosten viel Geld, und schon im kommenden Juni will die Wagenknecht-Partei bei der Europawahl antreten, danach eventuell bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.
Lukas Schön war bis November 2022 Geschäftsführer der NRW-Linken, der Landesverband hat jetzt Strafanzeige gegen ihn gestellt. Er soll schon im Oktober 2022 die kompletten Mitgliederdaten kopiert haben, „in Vorbereitung des Projekts zur Gründung einer konkurrierenden Partei“, wie es in der Strafanzeige heißt. Solche hemdsärmeligen Methoden wären nicht verwunderlich, denn die Gründung einer Partei ist ein gewaltiger Kraftakt. Vier- bis fünfhundert Leute seien für ein solches Projekt nötig, hat Wagenknecht der „Zeit“ anvertraut. Schließlich müssten alle möglichen Posten auf Länder- wie Bundesebene besetzt werden. Und dann müsse man aufpassen, so Wagenknecht, wer da alles mitmacht. Jede Neugründung müsse sich vor Glücksrittern, Narren und Extremisten schützen.
Dabei ist die Parteigründerin schon schillernd genug. 1969 kam sie in Jena zur Welt als Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter. In der DDR war sie Punk, als das Regime 1989 in die Knie ging, trat sie in die SED ein und studierte Philosophie. In der SED/PDS der 90er Jahre verteidigte sie die DDR „in einem Maße, wie man sie eigentlich nicht mehr verteidigen konnte und durfte“, erinnert sich Linkenveteran Gregor Gysi im „Spiegel“. Sie war eine „junge Frau, die unbedingt das Alte wiederhaben wollte“.
In der Linken-Bundestagsfraktion hat sie Anhänger um sich gescharrt, die ihr bisweilen bis zur Unterwürfigkeit ergeben sind. Darunter der Ex-Parteichef Klaus Ernst, Zaklin Nastic, die sich bei Instagram im T-Shirt mit Wagenknecht-Konterfei zeigte, und Sevim Dagdelen, die Wagenknecht mal mit dem Messias verglich. Diether Dehm, Ex-Bundestags-Linker und millionenschwerer Musikproduzent, schwärmt von Wagenknechts „schwarz-kühlem Adlerblick“. „Wagenknechte“ heißen ihre Gefolgsleute im Linken-Jargon.
Das Ziel ist die Regierung
Sie alle eint das Gespür, dass die Geschichte einer Linkspartei, deren Wurzeln zurückreichen bis hinter den Todesstreifen der Mauerpartei SED, nach drei Jahrzehnten auserzählt ist und dass unter Merkel und der Ampel die politische Mitte so weit nach links gerückt ist, dass an diesem Ende des Spektrums keine oppositionelle Alternative mehr formulierbar ist.
Um sich aus der Umklammerung durch herkömmliche Etikettierungen zu befreien, wird nun das Rubrum „linkskonservativ“ bemüht. Diese Einordnung hat mit seinem paradoxen Charme bisher eher feuilletonistischen Charakter gehabt. Nun hat es Eingang gefunden in die Berliner Polit-Topographie. In seiner Spannweite ist „linkskonservativ“ beinahe universal anwendbar. Sozialpolitisch links, wirtschaftspolitisch fast liberal, gesellschaftspolitisch konservativ – darin können sich einzelne Strömungen in jeder Partei irgendwie wiederfinden.
Und genau darauf spekuliert die Wagenknecht-Partei, wenn sie Wähler von ganz links bis ganz rechts, von Linkspartei über SPD, und Grüne bis zu Union und AfD erreichen möchte. Die Umfragen sehen ein „großes Potential für Wagenknecht-Partei“ („FAZ“). Noch zwei Tage vor der Bundespressekonferenz ermittelte das Institut Insa, dass sich 27 Prozent der deutschen Wähler vorstellen können, die Wagenknecht-Partei zu wählen. Am Tag nach der Vereinspräsentation waren es immerhin noch zwölf Prozent. Wagenknechts Partei wäre aus dem Stand fünftstärkste politische Kraft im Lande, nur einen halben Prozentpunkt hinter den Grünen.
Bundespolitisch gilt die Linkspartei schon jetzt als erledigt. Spätestens im Januar wird die Partei im Bundestag ihren Fraktionsstatus verlieren, wenn die „Wagenknechte“ sich aus der Fraktion verabschieden. Das bedeutet den Verlust rechtlicher und finanzieller Privilegien, rund 11,5 Millionen Euro hat die Fraktion 2022 aus dem Bundeshaushalt erhalten.
Die BSW-Abgeordneten würden dann bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 fraktionslos ihre Mandate ausüben und das Parlament als Bekanntmachungsplattform ihrer neuen Partei nutzen, Oppositionsarbeit und Dauerwahlkampf in einem. Doch Sahra Wagenknecht will ihre Partei nicht gründen, um weiter Opposition zu machen. Sie will mitregieren. In der „Emma“ sagte sie: „Ich würde auch gerne eines Tages sagen können: Ich habe politisch dieses und jenes real bewirkt. Bisher war ich ja immer Opposition. Real Macht zu haben und etwas umsetzen zu können, das ist natürlich etwas ganz anderes.“
Einen Pakt mit der AfD will Wagenknecht ausschließen. Zu den übrigen Parteien dürfte sie sich grundsätzlich anschlussfähig wähnen. Ob sie in den Ländern und im Bund künftig Regierungschefs der Union, der SPD oder der Grünen in den Sattel hilft, das werden die Lostrommeln in den Wahlurnen entscheiden. In jedem Fall wird das Bündnis Wagenknecht die Parteienlandschaft neu sortieren.
sitra achra am 02.11.23, 11:26 Uhr
Sahra Russenknecht wird mit ihrer bunten Truppe voraussichtlich scheitern. Aber medial hat sie etwas für ihr übersteigertes Ego getan.
Gregor Scharf am 01.11.23, 14:17 Uhr
Noch eine Spaltpilzpartei braucht das Land. 27 Prozent haben wohl schlecht geträumt oder nicht hingehört, was die Frau mit dem Greifvogelblick von sich gab. Übrigens gelten auch Geier als Greifvögel und finden sich immer dann ein, wenn es um die Resteverwertung eines Kadavers geht. Gutes Omen für Deutschland.