27.07.2024

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Ein Autor in der „Sexfalle“

Ansgar Lange
02.09.2023

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq ist immer für einen Aufreger gut. Er scheut sich nicht, heiße Eisen anzupacken und Meinungen zu äußern, die dem Mainstream zuwiderlaufen. Mit „Unterwerfung“ lieferte er einen brillanten Roman über ein Frankreich in der Zukunft, das von einem islamischen Präsidenten regiert wird. Sein neues Werk „Einige Monate in meinem Leben“, das die Zeit zwischen Oktober 2022 und März 2023 schildert, ist allerdings eine Zumutung und lässt den Leser ratlos, ja verärgert zurück. Dass der Verlag für diesen nur knapp 100-seitigen Rundumschlag auch noch 20 Euro verlangt, ist schon eine Frechheit.

Das Buch beginnt überraschend mit einer Entschuldigung an die Adresse der Muslime, die er beleidigt habe. In einer französischen Zeitschrift hatte der Skandalautor behauptet, die „angestammten Franzosen“ wollten, dass die Muslime aufhörten, sie zu „bestehlen“. Ein ungewohnt versöhnlicher Houellebecq möchte seine „ewigen Zankereien mit den Muslimen“ offenkundig beenden und stellt klar, dass das Problem nicht der Islam, sondern die Kriminalität sei.

Altersmilder Krawalldichter?
Nanu, ist der kettenrauchende Krawallautor etwa altersmilde geworden? Mitnichten. Denn die nächsten 80 Seiten beschäftigt er sich mit einer sehr unappetitlichen Affäre, die hier nur grob skizziert werden soll. Der erotomane Großschriftsteller war offenkundig in eine Art „Sexfalle“ eines niederländischen Künstlerkollektivs geraten. Im Kern geht es um die nachträgliche gerichtliche Auseinandersetzung über eine freiwillige oder unfreiwillige Teilnahme Houellebecqs an einem pornographischen Pseudodokumentarfilm.

Seine beiden Hauptkontrahenten sind der Regisseur Stefan Ruitenbeek sowie die niederländische Studentin und Onlyfans-Nutzerin Jini van Rooijen. Zunächst gibt sich Houellebecq, dessen Optik der eines Clochards ähnelt, unbekümmert. Da sei eben eine „junge Frau mit einem zwanglosen Lebenswandel“, „die das legitime Bedürfnis verspürte, mit einem ihrer liebsten Autoren zu vögeln“. Anschließend schildert er in altherrenhafter Art und Weise, welchen sexuellen Genuss er sich aus dem Zusammentreffen verspricht.

Auch in seinen Romanen nimmt der französische Schriftsteller nie ein Blatt vor den Mund. Im Laufe der Zeit ermüdet seine Gossensprache, und die Art und Weise, wie der eitle Autor seine Widersacher heruntermacht, ist abstoßend.

Zum Glück vergeudet man mit der Lektüre dieser seltsamen und unappetitlichen Selbstentblößung nur ein bis zwei Stunden. Dabei hat man das zweifelhafte Vergnügen, einem selbstverliebten Erfolgsautor bei seinem ganz persönlichen Absturz zuzuschauen. Aber vielleicht steckt hinter diesem Buch auch gar nicht so viel Hass, sondern das kühle Kalkül, mithilfe eines Skandals mal wieder auf dem literarischen Markt zu reüssieren.

Michel Houellebecq: „Einige Monate in meinem Leben. Oktober 2022 – März 2023“, Dumont Verlag, Köln 2023, gebunden, 108 Seiten. 20 Euro


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