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Ein Cranach kehrt nach Breslau zurück

Nationalmuseum in Stockholm gibt Gemälde zurück. 100 Werke des Schlesischen Museums bildender Künste sind verschollen

Chris W. Wagner
12.07.2020

Schwedens größtes Kunstmuseum – das Nationalmuseum in Stockholm – bekundete am 23. Juni auf seiner Internetseite die „Rückgabe“ eines der wertvollsten Bilder der Kunstsammlung im Vorkriegs-Breslau an die polnische Regierung. Es handelt sich dabei um das Werk „Die Beweinung Christi“ von Lucas Cranach dem Älteren. Das Bild wurde zusammen mit etwa 100 anderen Kunstwerken 1946 aus dem niederschlesischen Kamenz [Kamieniec Zabkowicki] gestohlen. 

„Die Beweinung Christi gehörte zu den Beständen des Schlesischen Museums bildender Künste. Es gehörte dem sächsischen Kaufmann Konrad von Günterode (1476–1535) und seiner Ehefrau Annie, geb. Alnpeck (1494–1541). Ihre Wappen befinden sich im unteren Teil des Gemäldes, das in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts entstanden ist. Es ist ein Epitaph, das die Witwe oder die Kinder gestiftet haben. „Doch das sind bislang nur Spekulationen“, sagte Piotr Oszczanowski, der Leiter des Breslauer Nationalmuseums, dem polnischen Nachfolger des Schlesischen Museums bildender Künste in Breslau bei einer Pressekonferenz. 

Nun warten der Museumsdirektor und seine Mitarbeiter ungeduldig darauf, das Werk zu untersuchen und der Öffentlichkeit präsentieren zu können. „Es ist ein Werk, das von einer tiefen Religiosität erfüllt ist, entstanden im Geiste der Reformation in der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren, der die Grundlagen der lutherschen Kunst legte“, erklärte Oszczanowski, der bereits viele im Krieg und danach verschollen geglaubte Werke nach Breslau zurückholte. 

Bevor das Gemälde ins Schlesische Museum der bildenden Künste kam, hing es in der Fürstenkapelle der Zisterzienser in Leubus [Lubiaz]. Wann und warum ein Werk der Reformation in ein durch und durch katholisches Kloster gelangte, ist Oszczanowski ein Rätsel. Er weiß nur, dass das Cranach-Werk nach der Säkularisation des Ordens nach Breslau kam. 

Denkmalschützer rettete Werke 

Aus der Dokumentation des Museums geht hervor, dass der Denkmalschützer Günther Grundmann bereits 1942 begonnen hatte, Kunstwerke in Sicherheit zu bringen. Er verteilte diese in Verließe von Schlössern, Klöstern und Kirchen Niederschlesiens, die etwas abseits oder im Verborgenen lagen. 

Heute weiß man, dass sich die Breslauer Kunstwerke hauptsächlich in Heinrichau [Henrykow], Bohrau [Borowa Olesnicka], Klein Bresa [Brzezica], Warmuntowitz [Warmatowice], Neukirch [Nowy Kosciol], Gröditz [Grodziec], Louisdorf [Lojowice], Rückers [Szczytna], Stolz [Stolec], Neustadt O.S. [Prudnik] oder eben Kamenz [Kamieniec Zabkowicki] befinden. Die Grundmann'sche Liste der Verstecke ist jedoch bereits 1945 in polnische Hände gefallen. Die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ schreibt, dass im Bericht eines Beauftragten des Bildungsministers vom 23. November 1945 vermerkt wurde: „Trotz aller Bemühungen ist von den Breslauer Beständen wortwörtlich nichts zurückgekehrt.“ Ein großer Teil der Funde fiel den Sowjets in die Hände, vieles ist durch marodierende Banden und einzelne Diebe abhandengekommen. 

Herkunft ist unbekannt 

Das Stockholmer Museum gibt an, dass mit dem Abzug der Roten Armee Ende Februar 1946 100 Kunstwerke, darunter das Caranach-Werk, fehlten. „Die ‚Beweinung Christi' wurde 1970 guten Wissens von den Erben Sigfrid Häggbergs erworben“, so Susanna Pettersson vom Nationalmuseum Stockholm. Man wisse jedoch nicht, auf welche Weise der Cranach in die Hände Häggbergs fiel. 

Der Ingenieur und Geschäftsmann Karl Reinhold Sigfrid (Sigge) Häggberg war 1922 Leiter des Konzerns LM Ericsson in Polen. 1942 wurde er wegen Spionage zum Tode verurteilt, jedoch durch König Gustav V. begnadigt. Er verstarb 1963 in Warschau, begraben wurde Häggberg im 70 Kilometer von Stockholm entfernten Mariefred. 


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