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Im Schloss Lohe ging es um Wissenschaft mit „denkendem Herzen“
Schloss Lohe [Zamek Topacz] an der südlichen Flanke von Breslau hat schon einiges erlebt. Erstmals wurde es im 13. Jahrhundert als Zollstation entlang der Handelsroute Breslau–Prag erwähnt. Im Jahr 1835 kaufte es der Kölner Zuckerfabrikant Emil vom Rath. „Vom Rath, Schoeller & Skene“ brachte das benachbarte kleine, 1975 zu Breslau eingemeindete Klettendorf [Klecina] groß raus, als es den örtlichen Sportverein in die erstklassige Gauliga Schlesien hinaufsponsorte, wo sich der SV Klettendorf gegen die Großstadtklubs behauptete.
Nach 1945 musste Schloss Lohe erst einmal als Gefängnis herhalten, bis es in renoviertem Zustand als Hotel und Treffpunkt der Reichen selbst groß herauskommen durfte. In den alten Stallungen ist ein Oldtimermuseum untergebracht. Vergangenes Wochenende fand hier sogar die internationale Konferenz „Future Technologies Across Borders“ statt – ein deutsch-polnisches Forum für Innovationen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit unter der Schirmherrschaft der Marschälle (Ministerpräsidenten) der Woiwodschaften Niederschlesien, Oppeln, Paweł Gancarz und Szymon Ogłaza. Sachsens Landeschef, Michael Kretschmer, und der polnische Wirtschaftsminister, Marcin Kulasek, wandten sich an die versammelte Wissenschaftsgemeinde.
Ob Luft- und Raumfahrt, ökologische Kunststoffverarbeitung oder Wasserstoff- und Energietechnologien – Vertreter von BMW oder dem polnischen Mineralölkonzern Orlen gaben sich die Klinke in die Hand – und das quasi sogar göttlich gefügt. Dafür sorgte ein schlesisches Netzwerk. Der oberschlesische Maschinenbauingenieur und Hochschullehrer an der TU Chemnitz, Lothar Kroll, hat seine Wurzeln nur etwa zehn Kilometer entfernt von Broschütz, der familiären Heimat des hoch dekorierten emeritierten Oppelner Bischofs Alfons Nossol, dem 1990 bei und im Anschluss der Anerkennung der deutschen Volksgruppe in Polen eine enorm wichtige Vermittlungsrolle zufiel. Nossols Großneffe, Patryk Nossol, der im Schloss Lohe selbst als Referent für Fraunhofer IWU Zittau dabei war, hat den katholischen Weg seines Großonkels etwas ‚modifiziert', indem er sich heute in der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) Görlitz engagiert. Das passt auch deswegen gut, da deren Macher, der russlanddeutsche Pastor Eugen Böhler, aus eigener Familiengeschichte viel Gespür für die nationalen Verwerfungen Europas mitbringt und in seinen Predigten den politischen Niedergang oft in den Kontext biblischer Erfahrungen der Völker stellt.
Und so fiel Böhler nun die Ehre zu, der versammelten Elite ein Geleitwort beim Dinnergespräch mit auf den Weg zu geben. Erst vor zwei Wochen hatte die FeG Görlitz ihre Unabhängigkeit von Gießen gefeiert. Direkt an der Neiße gelegen ist man im Görlitzer „Tivoli“ nun selbst dabei zu wachsen, und dies gern mit Blick über die Neiße. Jedenfalls überraschte der Görlitzer Prediger mit dem Vorschlag, dass nach zahlreichen Ehrungen die Zeit für einen Friedensnobelpreisträger Nossol reif sei. „Nach all dem, was Schlesien als geschundene Region durchlebt hat, wäre das ein Zeichen, das Deutsche und Polen mit einer gemeinsam verstandenen Versöhnungspersönlichkeit noch einmal tiefer zusammenschweißen könnte“, meinte Nossol. Immerhin ist dessen Großonkel bereits 92 Jahre alt und allein die öffentliche Debatte über einen solchen Vorschlag könnte dem Selbstverständnis auf beiden Seiten der Neiße einen Schub verleihen.
Böhler will in der ersten Sonntagspredigt nach Ostern einen Rückblick auf die Tage auf Schloss Lohe werfen und den Gedanken dann im Gottesdienst vorstellen. Dies kann man unter www.feg-goerlitz.de live miterleben. „Es geht abgeleitet also auch um die Verschränkung von Geist, Wissenschaft, Schlesien und allgemeingültig um nationales Miteinander – gerade in einer Zeit, in der in Europa Krieg tobt ...“, sagte er. Vermutlich wird auch Nossols stets propagiertes „denkende Herz und ein liebender Verstand“ eine große Rolle spielen, die in Zeiten transhumanistischer Wissenschaft ohne Demut vor der Schöpfung immer mehr aus der Mode kommen.