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Im Brustkorb schlägt es unaufhörlich: Das Herz bewegt im Schnitt fünf Liter Blut durch Arterien und Venen
KI-Bild: ShutterstockIm Brustkorb schlägt es unaufhörlich: Das Herz bewegt im Schnitt fünf Liter Blut durch Arterien und Venen

Gesundheit

Ein kosmisches Organ

Das menschliche Herz – Wunder- und Kraftwerk des Organismus, aber auch ein weltweites Sorgenkind

Stephanie Sieckmann
23.03.2025

Das menschliche Herz ist mit seinen 250 bis 350 Gramm (beim Erwachsenen) ein Leichtgewicht. Dabei leistet das nur faustgroße Organ permanent Schwerstarbeit. Jeden Tag bewegt das Herz das Blut durch die Gefäße des Körpers. Dazu nur ein paar Fakten: Mit jedem Schlag pumpt das Herz ungefähr 80 Milliliter Blut in den Körper. Bei einem Ruhepuls von 60 Schlägen pro Minute wird in dieser Zeit die gesamte, im Schnitt etwa fünf Liter umfassende Blutmenge einmal durch den gesamten Körper transportiert. Bei sportlicher Höchstleistung oder Aufregung dreht das Herz kräftig auf. Dann schlägt es bis zu 200-mal in der Minute und pumpt bis zu 30 Liter Blut in der Minute durch seine vier Kammern.

Der einzelne Herzschlag ist bereits beeindruckend. Doch die Kontinuität dieser Organarbeit bewirkt das wahre Wunder. Das Blut wird durch insgesamt rund 100.000 Kilometer Arterien, Venen und Kapillaren gepumpt, es reist also täglich rund zweieinhalbmal um die Erde. Den größten Teil dieser Wege machen dabei mit rund 80.000 Kilometer die Kapillaren aus. Wie beeindruckend die Leistung des Herzens ist, zeigt die Überlegung, dass man mit dem Auto für die Strecke bei
100 Kilometern pro Stunde etwa 40 Tage benötigen würde.

Das Herz schlägt mit Selbstverständlichkeit, meist pünktlich und verlässlich wie ein alter Wecker. Es leistet seine Arbeit Tag und Nacht im Hintergrund, im Takt des Lebens, in dem die Aufmerksamkeit meist anderen Dingen gehört: der Arbeit, den Verabredungen, den Abenden vor dem Fernsehen oder mit Freunden oder Familie und deren kleinen und großen Problemen. Man schenkt dem eigenen Herzen selten einen Gedanken – bis zu jenem Tag, an dem ein winziger Schmerz im Brustkorb einen Moment des Innehaltens bringt. Plötzlich ist sie da, diese Ahnung: Die stillen Dienste des Herzens sind keineswegs selbstverständlich.

Einfluss der Psyche auf das Herz
Bei Wissenschaft und Forschung steht das Herz seit Langem im Fokus. Laut der Weltgesundheitsorganisation werden jährlich 18 Millionen Todesfälle auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückgeführt. Das entspricht einem Drittel aller Todesfälle weltweit. Herzinfarkte machen einen sehr großen Anteil dieser Todesfälle aus.

Allein in Deutschland erleiden jährlich rund 200.000 Personen einen Herzinfarkt. Studien, die Ursachen von Herzerkrankungen herausarbeiten wollen, werden ebenso durchgeführt wie Forschungsreihen zu Medikamenten, die helfen sollen, den Herztod zu verhindern. Es wird erforscht, wie KI bei der Erkennung von frühen Anzeichen einer koronaren Erkrankung unterstützen kann und wie mit Hilfe eines 3D-Druckers Herzmuskelzellen generiert werden können.

Für die Pharmaindustrie ist die große Anzahl der Herzerkrankungen ein „Geschenk“, das Jahr für Jahr hohe Summen in die Kassen spült. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland mehr als 500 Millionen Verordnungen für Herz-Kreislauf-Medikamente ausgestellt. Allein in der Kategorie ACE-Hemmer und Sartane zur Behandlung von Bluthochdruck waren es rund 200 Millionen Verordnungen. Die sogenannten Betablocker brachten es auf rund 120 Millionen Verordnungen. Es gibt etliche weitere Herzmedikamente und Wirkstoffe, die auf die Herzgesundheit Einfluss haben.

Der US-amerikanische Arzt Thomas Cowan hat sich darüber Gedanken gemacht. In seinem Buch „Menschliches Herz, kosmisches Herz“ stellt er vieles in Frage. Ein grundlegender Gedanke ist: Betrachten wir das Herz wirklich aus dem richtigen Blickwinkel und der richtigen Perspektive? Stellen wir die richtigen Fragen? Sein Fazit: Wenn ein so intensiv erforschtes Organ trotz aller Bemühungen von Wissenschaftlern und Medizinern weiterhin so hohe Krankheits- und Todesfallzahlen bewirkt, müssen wir entscheidende Aspekte des Herzens und der Herzgesundheit bislang übersehen haben.

Dass seine These Potential hat, zeigt ein Exkurs in den Volksglauben: Die Redewendung „jemandem das Herz brechen“ ist uralt. „An gebrochenem Herz sterben“ galt lange als Aberglaube. Die Forschung hat sich bereits im 20. Jahrhundert mit dieser These beschäftigt. Doch erst in den 1990er Jahren wurde mit dem sogenannten Broken-Heart-Syndrom die medizinische Erkenntnis beschrieben, dass ein Mensch nach großem emotionalen Stress wie zum Beispiel dem Verlust eines geliebten Menschen durchaus an einem „gebrochenen Herz“ sterben kann.

Es lauscht den Lebens-Rhythmen
Cowan vermutet, dass das Herz weit mehr kann und ganz anders vernetzt ist, als wir bislang herausgefunden haben. Als ein Beispiel führt er an, dass Patienten nach Herztransplantationen Eigenschaften und Vorlieben des verstorbenen Herzspenders übernehmen. So können sie eine Vorliebe für eine ganz andere Musikrichtung entwickeln, sich zu ganz anderen Menschen hingezogen fühlen, oder sie verändern ihr Kommunikationsmuster, das Freizeitverhalten, Sportinteresse, Gestik oder Mimik.

Ein ganz besonderer Zweig der Medizin, die Anthroposophie, weicht in seiner Betrachtung des Herzens von der rein naturwissenschaftlichen Denkweise ab. Hier wird das Herz nicht als mechanische Pumpe gesehen, die das Blut durch den Körper bewegt. Hier wird das Herz als Sinnesorgan beschrieben, das auf die Rhythmen des Lebens lauscht. Als Zentrum des inneren Erlebens, als Vermittler zwischen Körper, Geist und Seele.

Nach Rudolf Steiner, dem am 30. März vor 100 Jahren gestorbenen Begründer der Anthroposophie, bewegt das Blut durch sein Fließen das Herz, nicht umgekehrt. Er betrachtete das Herz als Bindeglied zum kosmischen Rhythmus, das mit den Zyklen von Tag und Nacht, Mond und Sonne verbunden ist. Steiner ging davon aus, dass das Herz in Harmonie mit den Kräften des Universums schwingt.

Kurz: Herzerkrankungen könnten nach der Anthroposophie ein Hinweis darauf sein, dass ein Mensch seine Verbindung zum Kosmos verloren hat. Aus dem universellen Rhythmus herausgefallen ist. Die Anbindung an die Natur verloren hat. Dieser Rhythmus steht für Harmonie, Balance und damit auch für Entspannung. In diesem Punkt unterscheidet sich die Anthroposophie gar nicht so sehr von der naturwissenschaftlichen Medizin. Auch hier wird Stress als ein Faktor angesehen, der erheblichen Einfluss auf die Herzgesundheit hat.

Eine gute Methode zur Herzunterstützung besteht darin, das Nervensystem, und hier vor allem den Parasympathikus des Menschen, zu unterstützen. Zur Verfügung stehen dafür Methoden wie Meditation, Entspannung oder das sogenannte Waldbaden, den Ruhezustand in der Natur. Die Forschung ist offensichtlich dabei, sich auf anderen, neuen Wegen an die Herzgesundheit heranzuarbeiten. Trotzdem scheint der Weg angesichts der vielen Herzerkrankungen pro Jahr noch weit.

Dr. Thomas Cowan: „Menschliches Herz, kosmisches Herz“, Kopp Verlag, Rottenburg a. N. 2024, Hardcover, 192 Seiten, 20 Euro


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