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Christus kam bis Oberammergau – Auf dem Friedhof der Pfarrkirche des Ortes liegen viele Hauptdarsteller der Passionsspiele
Als in Oberammergau 1938 ein Töpfermeister verstarb, war das Zeitungen und Radiosendern in aller Welt eine Meldung wert. Die „New York Times“ berichtete: „Anton Lang, berühmt als Christus, ist tot.“ Er war dreimal der Christus-Darsteller der Passionsspiele. Wie er sind weitere zentrale Akteure der Passionsspiele auf dem rund um die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul angelegten Friedhof bestattet.
Die Mehrzahl der Kreuze und Grabfiguren des dicht belegten Friedhofs wurden im 19. Jahrhundert errichtet. Es gibt viele Familiengräber. Beim Gang über den Friedhof weist Dekan Thomas Gröner auf eine Besonderheit hin: Wer eine alte, von den bisherigen Besitzern aufgegebene Grabstätte kauft, verbürgt sich, dass die dort Bestatteten nicht vergessen werden. Zum Beispiel indem die alten Kreuze erhalten bleiben oder die auf ihnen verzeichneten Namen auf den neuen Grabstein übertragen werden.
Ein folgenschweres Gelübde
Dank des von der Pfarrei geführten Sterberegisters sind auch die Namen der 84 Pesttoten der Jahre 1632/33 nicht vergessen. Allerdings ist unbekannt, wo genau sie liegen. Um der Seuche Herr zu werden, legten die Oberen der Gemeinde ein Gelübde ab: Wenn die Oberammergauer fortan von der Pest verschont bleiben, wird alle zehn Jahre die Passion Christi aufgeführt.
Seit 1634 erfüllen die Oberammergauer ihr vor jeder Spielzeit erneuertes Gelübde. Anfangs spielten sie der Überlieferung zufolge die Passion auf einer über den Gräbern der Pesttoten errichteten Bühne. Jünger als „der Passion“, wie die Oberammergauer die Spiele nennen, ist die von führenden bayerischen Barockkünstlern ausgeschmückte Kirche St. Peter und Paul, die 1749 geweiht wurde. In ihr befindet sich das Kreuz, vor dem die Gemeinderäte das Passionsgelübde ablegten. Das heute in den Passionsaltar integrierte Gelübdekreuz soll früher auf dem Friedhof gestanden haben.
Letztmals 1820 fanden die Passionsspiele auf dem Friedhof statt. Zu den zehn Aufführungen kamen insgesamt 19.000 Zuschauer. Aus München reiste der königlich bayerische Baurat Anton Baumgartner an. Ihm verdanken wir den ersten Augenzeugenbericht. In seiner für das „Baierische National-Blatt“ verfassten „Vorstellung des Passiones in Oberammergau“ heißt es: „Das schöne Geläut ruft zur Kirche, und nach und nach sammelt sich alles an der Bühne. Diese ist links neben der Kirche auf dem Kirchhofe, hoch über der Erde, erbaut.“
Als Ludwig I. sich einmischte
Das einzige von damals noch erhaltene Requisit ist der Abendmahlstisch. Aus einer Rechnung von 1820 geht hervor, dass den Schauspielern zum „Letzten Abendmahl“ Bier und Fleisch aufgetischt wurden. König Ludwig I. war das Passionstreiben auf dem Friedhof allerdings nicht geheuer. Er hielt den Aufführungsort für unpassend und genehmigte daher 1830 das Spiel nur unter der Bedingung, dass die Bühne nicht mehr auf dem Friedhof errichtet wird.
Beim Gang über den Friedhof erregen ein Denkmal und einige besonders hergerichtete Grabstätten unsere Aufmerksamkeit. Eine steinerne Harfe bekrönt das Denkmal für Rochus Dedler (1779–1822), in das folgende Worte gemeißelt sind: „Sein Name bleibt im Himmel geschrieben, sein Geist lebt fort in seiner Kirchen- und Passions-Musik und sein Andenken wird stets gesegnet sein.“
Rochus Dedler komponierte die Musik für die Passionsspiele von 1820. Seine Kompositionen sollten, vom heutigen musikalischen Leiter Markus Zwink überarbeitet und ergänzt, auch 2020 die Passionsspiele begleiten, die aber dieses Jahr abgesagt und auf 2022 verschoben wurden. Nicht die Pest-, sondern die Corona-Seuche sorgt dafür, dass das 1633 abgegebene Gelübde erstmals nicht eingelöst werden konnte (siehe PAZ vom 11. April).
Die Nebenrolle des Max Streibl
Ebenso lebt der von Pfarrer Alois Daisenberger (1799–1883) verfasste Passionstext fort, wenn auch vom heutigen Spielleiter Christian Stückl überarbeitet. Auf Daisenbergers Grabmal, das die Gemeinde „dem opferfreudigen Seelsorger und langjährigen Leiter der Passionsspiele“ errichtete, steht seine bronzene Porträtbüste, die ihn gleichsam in den Himmel hebt.
Aus Anton Langs (1875–1938) Grabstein tritt das Bildnisrelief seines Hauptes hervor. Er präsentiert sich in seiner 1900, 1910 und 1922 gespielten Rolle als Christus mit Bart und langem Haar. „Christus“ Lang gefiel diese Rolle so gut, dass er das langhaarige Aussehen auch außerhalb der Passionsspielzeiten beibehielt. Der an der Friedhofsmauer bestattete CSU-Politiker Max Streibl (1932–1998) hat gleichfalls eine Passionsspielvergangenheit. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident spielte als Oberammergauer im Volk mit, wie Dekan Gröner verrät.
• Informationen Pfarramt St. Peter und Paul, Herkulan-Schwaiger-Gasse 5, Oberammergau. Internet: www.pfarrverband-oberammergau.de, www.passionsspiele-oberammergau.de
sitra achra am 02.12.20, 21:09 Uhr
Laut Carlo Levi kam Christus nur bis Eboli. Der lange Weg nach Oberammergau hätte ihn nach dieser Erfahrung in Eboli wohl stark überfordert. Bei dem Christus in Oberammergau handelt es sich wohl eher um einen doppelgängerischen Wanderschauspieler.