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Erinnerung

Ein Mann, der Deutsche und Russen zusammenbrachte

Awenir Owsjanow, Offizier der Sowjetarmee, entdeckte im nördlichen Ostpreußen seine Leidenschaft für die Geschichte

Jewgenij Dworetzkij
23.03.2020

Im Dezember jährte sich zum fünften Mal der Todestag von Awenir Owsjanow, dem Königsberger Heimatforscher. Der Russe war Ingenieur und Festungsoffizier, Journalist und Patriot des Gebiets, unabhängig davon, wie es genannt wird: Ostpreußen oder Kaliningrader Oblast. Sein Name ist bekannt aus Zeitungsartikeln, aus seiner Teilnahme an ZDF-Sendungen und aus Artikeln im „Spiegel“. 

Owsjanow, der als Kadett an der Militäringenieurschule in der Siedlung Kraussen [Borisowo] tätig war, sagte offen, dass die Kadetten wiederholt an zerstörerischen Aktionen beteiligt waren. Es gab die 1960er und 1970er Jahre, die Stagnation der Sowjetzeit. „Wir waren damals Menschen mit einem anderen Bewusstsein. Wir glaubten aufrichtig, dass Ostpreußen ein Bollwerk des Militarismus sei ... Es ist Jahre her, dass ich viel gelernt, überdacht und nachgedacht habe. Und das hat den Blickwinkel geändert, jetzt sehe ich unseren Kreis so, wie er wirklich war ...“ 

Als Spezialist für Befestigungsanlagen, Bastionen und mittelalterliche Tore untersuchte Owsjanow gründlich bis zum letzten Ziegelstein 50 Jahre lang mithilfe von „Büchern, Metalldetektoren und auch mit der Schaufel“ seine Geburtsstadt. Er führte Exkursionen durch, stieg in Keller und unter die Erde hinab mit Gruppen von Gästen. Er veröffentlichte zehn Bücher über die Geschichte von Königsberg, nicht Kaliningrad. 

Nicht allen gefiel seine Tätigkeit in dem militärischen Sperrgebiet, in das von 1945 bis zur Perestrojka Ausländern der Zutritt verboten war. Und eines Tages wurde ihm, einem hochrangigen Offizier, befohlen, sich im KGB-Hauptquartier in der Händelstraße zu melden. Befehl ist Befehl, er erschien, der General empfing ihn in seinem Büro: „Genosse Owsjanow, man hat mir mitgeteilt, dass Sie interessante Exkursionen durchführen. Können Sie eine für unsere Mitarbeiter, die Tschekisten, durchführen?“ Natürlich stimmte er zu. Und dann schüttelte der General ihm in seinem Büro kräftig die Hand und überreichte ihm ein Ehrenabzeichen. „Ehrlich gesagt, auf dem Weg zu diesem Gebäude war ich nicht sicher, ob ich nach Hause komme“, erzählte Owsjanow später lachend. „Aber damals war es überhaupt nicht lustig.“ 

Owsjanow wurde am 30. Oktober 1936 in der Region Kostroma geboren. Als er 13 Jahre alt war, ging er in die Stadt, trat in eine Bauhochschule ein, und es war an der Zeit, der Armee beizutreten. Viele Male stand er buchstäblich an der Schwelle zeischen Leben und Tod. In der friedlichen Nachkriegszeit wurde er ein Pionier und Berufssoldat. 1971 wurde er für immer ein Bürger Königsbergs. Sein Lebensinhalt wurde, nach verlorenem Kulturgut und den Gräbern unbekannter Soldaten zu suchen sowie nach deren Namen zu forschen. Die aufregendsten Momente waren, wenn eine Tochter oder ein Sohn zum Grab eines vermissten Vaters kamen. 

Owsjanow war der Experte in der Verwaltung des Gouverneurs des Königsberger Gebiets. Viele seiner Funde wurden an Museen in Minsk, Smolensk, St. Petersburg und Museen seiner Heimat gegeben. Insgesamt fand er mehr als 9500 Gegenstände von musealem Wert – Werkzeuge, Soldaten- und Haushaltsgegenstände, Auszeichnungen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, Schreibmaschinen, architektonische Elemente, sogar in den Sümpfen versunkene Panzer und Flugzeuge. 

Fast 20 Jahre lang arbeitete er als wissenschaftlicher Berater für eine Bernsteinwerkstatt in der antiken Stadt Zarskoje Selo, wo Meister eine Kopie des Bernsteinzimmers schufen. Es wurde 2003 eröffnet, als der 300. Jahrestag von St. Petersburg gefeiert wurde. Und als zwei Jahre später ein weiteres Jubiläum stattfand, die 750-Jahr-Feier von Königsberg-Kaliningrad, war es Owsjanow, der Putin den ganzen Tag begleitete. Einmal wurde er offiziell zum „Mann des Jahres“ der Region erklärt, und es gibt nur wenige solcher Personen. Er traf sich mit dem ersten Kosmonauten Juri Gagarin in Wünsdorf, empfing Marion Gräfin Dönhoff in Königsberg, er wurde von berühmten Schriftstellern, Diplomaten, Künstlern befragt. 

Awenir Owsjanow hat der Welt talentiert erklärt, dass es zwei Geschichten in einem Land geben kann, eine über 700 Jahre alte deutsche und eine nun 75 Jahre alte russische. Sie seien dazu bestimmt, unzertrennlich zu sein, in Frieden miteinander zu leben.


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