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Für den sozialistisch-katholischen Premier Edi Rama ein vielleicht geschickter Schachzug – Für viele Muslime ist der Bektaschi-Orden eher eine Provokation
Mit seiner Ankündigung, für den auf dem Balkan beheimateten Bektaschi-Sufi-Orden einen Vatikan-ähnlichen Ministaat in Albanien erschaffen zu wollen, hat Albaniens Premier Edi Rama in New York am Rande einer UN-Vollversammlung für weltweite Schlagzeilen gesorgt. „Wir wollen, dass uns der albanische Staat denselben Status garantiert, den der Vatikan in Italien genießt“, so Edmond Brahimaj alias „Baba Mondi“, der 65-jährige Führer des muslimischen Bektaschi-Ordens: „Wir haben das verdient. Denn wie schon Papst Johannes Paul II. einmal sagte: Ohne Bektaschi würde es kein Albanien geben.“ Mondi wird bereits Baba genannt, das heißt Vater, fehlt nur das Heilige davor, dann wird aus Baba Mondi I. der erste Heilige Vater der Bektaschi-Muslime.
Beim sozialistischen Premier Edi Rama rannte der Chef der 116.000 Bektaschis, immerhin die viertgrößte Religionsgemeinschaft im Balkanstaat nach den Sunniten, Orthodoxen und Katholiken, mit seinem frommen Wunsch beinahe offene Pforten ein. Als „Zentrum der Mäßigung, der Toleranz und der friedlichen Koexistenz“ solle der geplante Kleinstaat ähnlich wie der Vatikan über eigene Pässe und eine eigene Verwaltung verfügen und sich auf ein Territorium von elf Hektar im Osten der Hauptstadt Tirana erstrecken, erläuterte Rama seine Pläne.
Im muslimischen Vatikan soll der Konsum von Alkohol erlaubt sein und Frauen sollen die Kleidung tragen, die sie wollen. „Gott verbietet nichts; deshalb hat er uns unsere Intelligenz gegeben“, erklärte Mondi einer US-amerikanischen Tageszeitung. Im Koran steht dieser Satz allerdings nicht.
Abgespalten und umstritten
Der Bektaschismus ist ein im 13. Jahrhundert in der Türkei gegründeter religiöser Orden, der aus der spirituellen Sufi-Bewegung hervorgegangen ist und als ein Zweig des Schiismus gilt. Die Zahl der Anhänger des Ordens weltweit ist geheim, wie so vieles über diesen Orden. Für Premier Rama besteht der Zweck der Gründung dieses Staates darin, eine tolerante Version des Islam zu fördern, auf die Albanien stolz ist. Im Jahr 2015 hatten er und Mondi nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo am Zug durch die Straßen von Paris teilgenommen.
Der neue Staat soll sich über eine Fläche erstrecken, die einem Viertel der Größe des Vatikans entspricht. Dort sollen ein Gebetsraum, ein Museum, das die Geschichte des Ordens darstellt, eine Klinik und Büros errichtet werden. „Ein Team von Rechtsexperten, darunter auch internationale Juristen, ist dabei, einen Text zu verfassen, der den souveränen Status des neuen Staates innerhalb Albaniens definiert“, so „The New York Times“. Wann der neue Staat jedoch per Gesetz vom Parlament gegründet werden soll, ist noch ebenso unklar, wie welche Länder ihn anerkennen werden. „Es ist wahr, dass nur wenige bereits Bescheid wissen“, räumt Rama, der ein nicht praktizierender Katholik ist, ein.
Der Islam bräuchte eigentlich für jeden Muslim seinen eigenen Staat
Die meisten konservativen Schiiten und Sunniten betrachten die Bektaschis als Ketzer. Sie wurden jahrhundertelang verfolgt. Als Mustafa Kemal (Atatürk) vor einem Jahrhundert die Macht in der Türkei übernahm und den Sultan sowie die Kalifen verjagte, beendete er auch die Aktivitäten der Bektaschis. Deshalb verlegten sie ihren Sitz nach Albanien, das sich bereits von der türkischen Kontrolle losgesagt hatte.
Die Verdienste der Bektaschi-Prediger in Albaniens Nationalbewegung des 19. Jahrhundert sind unbestritten. Kritiker sehen bei dem Projekt eines selbstständigen Bektaschi-Staats aber nicht nur die in der albanischen Verfassung garantierte Trennung von Staat und Religion bedroht. Viele sehen darin auch ein taktisch-gewieftes Manöver von Rama, von seinen eigenen Prozessen wegen Korruption und Amtsmissbrauch wiederum abzulenken. Beides Delikte florieren angeblich unter ihm in Albanien. Die meisten seiner Landsleute wünschen sich daher keinen neuen Ministaat, sondern vielmehr einen funktionierenden Normalstaat.
Die etwaige Schaffung eines Bekatschi-Vatikan in Albanien könnte auch die Türkei als Affront sehen, weil dort bis 1923 der Sitz des Kalifen und Bektaschi-Ordens war. Seitdem gibt es keinen Kalifen als anerkanntes Oberhaupt des Islam mehr. Heute kann jeder Muslim – bei entsprechenden Korankenntnissen – sich selbst zum Imam oder Kalifen ernennen. Auch Serbien könnte der neue Staat als Steilvorlage dienen, um für die serbisch-orthodoxen Klöster im seit 2008 von Serbien losgelösten Kosovo ähnliche exterritoriale Konstruktionen zu fordern. Der Balkan ist seit 1991 auf dem Weg in die Kleinstaaterei, allein aus Jugoslawien sind bereits acht Nachfolgestaaten entstanden, weitere religiöse Kleinstaaten könnten folgen. Sicher ist aber: Probleme werden dadurch keine gelöst.