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Leo XIV. ist das neue Oberhaupt der weltweit mehr als 1,4 Milliarden katholischen Christen. Wer ist der neue Papst? Für welche Form von Kirche steht er? Und was dürfen die Kirche und die Welt von ihm erwarten?
Die Wahl von Kardinal Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche und seine Namenswahl Leo XIV. haben weltweit Aufmerksamkeit erregt. Dieser Name knüpft an eine bedeutende Tradition an, insbesondere an Papst Leo XIII., der die Kirche durch die sozialen Verwerfungen der ersten industriellen Revolution führte und mit der Enzyklika „Rerum novarum“ die Katholische Soziallehre begründete. Die Wahl des Namens Leo ist dabei mehr als eine Geste der Traditionspflege; sie darf als programmatisches Signal verstanden werden, dass auch der neue Papst die Kirche mit intellektueller Schärfe und lehramtlicher Treue durch die Umbrüche unserer Zeit führen will.
In seiner ersten Predigt vor den Kardinälen formulierte Leo XIV. programmatisch sein Selbstverständnis: „Ich muss klein werden, damit Christus groß hervorstrahlt.“ Dieses Leitmotiv eines demütigen Dieners, eines Menschen, der sich in seinem hohen Amt als Diener sieht, korrespondiert mit seiner ersten öffentlichen Ansprache, in der er den Frieden, den Dialog und eine missionarische Kirche „mit offenen Armen“ beschwor, die bereit sei, „alle empfangen zu können, die unsere Nächstenliebe, unsere Gegenwart, unseren Dialog und unsere Liebe brauchen“.
Von Chicago über Peru nach Rom
Robert Francis Prevost wurde am 14. September 1955 in Chicago, Illinois, in eine tiefkatholische Familie mit französischen, italienischen und spanischen Wurzeln geboren. Seine Mutter war Bibliothekarin, sein Vater Schulleiter – ein Milieu, das Bildung und Glauben gleichermaßen wertschätzte. Bereits in jungen Jahren verspürte er die Berufung zum Priestertum. Nach dem Studium der Mathematik und Philosophie trat er 1977 dem Augustinerorden bei. Es folgten Studien der Theologie in Chicago und des Kirchenrechts in Rom, wo er mit einer Arbeit über die Rolle des lokalen Priors im Augustinerorden promovierte.
Die prägendsten Jahre verbrachte Prevost jedoch ab 1985 als Missionar in Peru. Dort wirkte er als Seelsorger, Kanzler der Prälatur Chulucanas, Seminarlehrer und schließlich von 2015 bis 2023 als Bischof von Chiclayo. 2015 nahm er die peruanische Staatsbürgerschaft an. Diese jahrzehntelange Erfahrung in Lateinamerika, dem Kontinent mit den meisten Katholiken, relativieren die Bezeichnung „erster US-Papst“ und verleihen ihm eine Perspektive des Globalen Südens. Er ist kein typischer US-amerikanischer Kirchenmann, sondern hat die Kirche von den Rändern her erlebt, was seine Akzeptanz in der Weltkirche fördern dürfte, insbesondere in Kreisen, die einer kulturellen Dominanz der USA skeptisch gegenüberstehen. Seine erste Ansprache als Papst hielt er auf Italienisch und Spanisch, kein Wort auf Englisch.
Zahlreiche Anekdoten aus seiner Zeit in Peru zeichnen das Bild eines pragmatischen und menschennahen Hirten. So wird berichtet, er habe eigenhändig liegengebliebene Lastwagen repariert und sei nach Überschwemmungen durch den Schlamm gewatet, um den Notleidenden beizustehen. Dabei ist er aber auch ein Mann mit einem scharfen Verstand. Ich habe ihn in den Begegnungen während der Sitzungen der Weltsynode als einen genau zuhörenden Menschen wahrnehmen können, den ein feiner Humor kennzeichnet.
Seine augustinische Identität ist mehr als ein biographisches Detail; sie dürfte sein Denken und Handeln als Papst prägen. Der Orden des heiligen Augustinus steht für Gemeinschaftssinn, die Suche nach Wahrheit im Dialog sowie die Bedeutung von Freundschaft und innerem Leben. Prevosts bischöfliches Motto „In Illo uno unum“ (Im Einen sind wir eins), ein Zitat aus einem Traktat Augustins über die Einheit der Kirche, unterstreicht diesen gemeinschaftlichen Aspekt. Er hat dieses Motto nun auch in sein päpstliches Wappen übertragen.
Vor seiner Wahl zum Papst bekleidete Robert Prevost bereits hohe Ämter. Von 2001 bis 2013 leitete er als Generalprior den weltweiten Augustinerorden von Rom aus, was ihm umfassende administrative Erfahrung und tiefe Einblicke in die Weltkirche verschaffte. 2023 ernannte ihn Papst Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe, einer Schlüsselposition im Vatikan, die für die Auswahl von Bischöfen weltweit zuständig ist, und erhob ihn im selben Jahr in den Kardinalsstand.
Brückenbauer und stiller Erneuerer
Papst Leo XIV. tritt sein Amt mit der Vision an, ein „Brückenbauer“ und ein „stiller Erneuerer“ zu sein. Er betont die Synodalität als einen Weg der Kirche, versteht diese jedoch nicht als „politische Agenda“, sondern als ein „Hören auf den Heiligen Geist“. Darin sieht er einen Schlüssel zur Überwindung der Polarisierung, die die Kirche vielerorts erfasst hat. Sein Verständnis von bischöflicher Leitung ist geprägt von Dienstbarkeit: „Der Bischof soll kein kleiner Prinz sein, der in seinem Königreich sitzt.“ Vielmehr gehe es darum, das Evangelium durch persönliches Zeugnis zu vermitteln und die Schönheit des Glaubens zu teilen. Er sprach sich auch dafür aus, das Volk Gottes stärker in die Auswahl der Bischöfe einzubeziehen.
Zur Rolle der Frau in der Kirche vertritt er die traditionelle Lehre und lehnt eine „Klerikalisierung“ von Frauen durch die Weihe ab. Gleichwohl hat er als Präfekt des Bischofsdikasteriums die von Papst Franziskus initiierte Reform mitgetragen, drei Frauen als stimmberechtigte Mitglieder in das Gremium aufzunehmen, das Bischofsnominierungen vorbereitet. Dies deutet auf eine differenzierte Haltung hin: Festhalten an der Lehre bei gleichzeitiger Bereitschaft, Frauen stärker in kirchliche Entscheidungsprozesse einzubinden.
In seiner ersten Rede vor dem Kardinalskollegium nahm Leo XIV. ausdrücklich Bezug auf Papst Leo XIII. und dessen Enzyklika „Rerum novarum“. Er sieht Parallelen zwischen der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts und der heutigen „neuen wirtschaftlichen Revolution“, die insbesondere durch die Künstliche Intelligenz (KI) vorangetrieben wird. Die Kirche, so der neue Papst, müsse angesichts der Herausforderungen für die Menschenwürde, für faire Arbeitsplätze und den gesellschaftlichen Zusammenhalt Antworten geben. Damit positioniert er sich als ein Pontifex, der die Katholische Soziallehre aktiv in die aktuellen Debatten einbringen will – ein klassisch-konservativer Ansatz mit hoher moderner Relevanz. Dies erlaubt ihm, notwendige Anpassungen an die moderne Welt auf einem Fundament zu fordern, das in der Tradition tief verwurzelt und auch für eher konservative Gläubige unumstritten ist.
Beobachter beschreiben ihn als jemanden, der die Substanz der Agenda von Papst Franziskus fortführen könnte, jedoch mit einem anderen, „pragmatischeren, vorsichtigeren und diskreteren Stil“. In manchen lehramtlichen Streitfragen, etwa zur Segnung homosexueller Paare oder zum Umgang mit der außerordentlichen Form des Römischen Ritus, hat er sich bisher nicht klar positioniert. Diese Zurückhaltung könnte Teil einer bewussten Strategie sein, als Brückenbauer nicht von vornherein Fronten zu verhärten, sondern zunächst Vertrauen aufzubauen und zuzuhören. Zwar betonte er die Notwendigkeit für die Kirche, „offen und einladend“ zu sein, äußerte sich aber als Bischof in Peru auch kritisch zur sogenannten Gender-Ideologie.
Soziale Gerechtigkeit und der Schutz der Schöpfung sind ihm wichtige Anliegen. Sein langjähriges Engagement für die Armen in Peru und seine Aussagen zum Umweltschutz, etwa dass die „Herrschaft über die Natur ... nicht ‚tyrannisch' werden“ dürfe, belegen dies.
Herausforderungen und Erwartungen an Papst Leo XIV.
Der neue Papst übernimmt die Leitung der Kirche in einer Zeit tiefgreifender Herausforderungen. Dazu zählen die fortschreitende Säkularisierung und ein signifikanter Rückgang der Kirchenmitgliederzahlen in vielen westlichen Ländern. Gleichzeitig wächst die Kirche im Globalen Süden, doch auch dort nimmt die Kirchenbindung ab.
Intern steht die Kirche weiterhin vor der Aufgabe der konsequenten Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Missbrauch. Sein Handeln in dieser Frage wird ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit seines Pontifikats sein. Hinzu kommt eine starke Polarisierung innerhalb der Kirche in Fragen der Liturgie, der Morallehre und der Ausrichtung des synodalen Weges. Papst Leo XIV. selbst beklagte einen verbreiteten Mangel an Glauben und eine religiöse Indifferenz, die auch unter Getauften zu einem „praktischen Atheismus“ und einem „Verlust des Sinns im Leben“ führe. Dies deutet darauf hin, dass er die tiefere spirituelle Krise hinter den statistischen Rückgängen sieht und seine Antwort wahrscheinlich in einer erneuerten Verkündigung und im persönlichen Zeugnis liegen wird.
In einer von Konflikten und Ungleichheit geprägten Welt bleibt die Kirche gefordert, ihre Stimme für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde zu erheben. Die Erfahrungen des neuen Papstes mit politischer Korruption und Gewalt in Peru könnten hier seine Perspektive schärfen. Auch der Umgang mit politischen Mächten und Ideologien wird eine Herausforderung sein. In der Vergangenheit hat er sich kritisch gegenüber Versuchen geäußert, den Glauben politisch zu instrumentalisieren. Obwohl Amerikaner, könnten ihm seine weltweiten Erfahrungen eine gewisse Distanz zu den verhärteten Fronten innerhalb der US-Kirche verleihen, was ihm paradoxerweise helfen könnte, dort als Brückenbauer zu wirken.
Eine Verbindung nach Deutschland?
Eine tiefe, spezifische theologische oder politische Verbindung Papst Leos XIV. zu Deutschland ist bisher nicht öffentlich bekannt. Dennoch gibt es Anknüpfungspunkte. Er beherrscht mehrere Sprachen, darunter Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Portugiesisch und liest zudem Latein und Deutsch. Diese Fähigkeit, unsere Sprache zumindest zu lesen und zu verstehen, ist mehr als eine Randnotiz. Sie ermöglicht ihm einen direkteren, ungefilterten Zugang zu den oft komplexen und theologisch anspruchsvollen Debatten in der deutschsprachigen Kirche. Dies könnte zu einem differenzierteren Verständnis und Dialog mit den Vertretern des „Synodalen Wegs“ führen, auch wenn er nicht allen Forderungen aus Deutschland zustimmen wird, und seine Rolle als Brückenbauer auch im Austausch mit der Kirche in Deutschland stärken.
Papst Leo XIV. tritt sein Amt an mit dem erklärten Willen, als Brückenbauer zu wirken. Seine Fähigkeit, die verschiedenen Strömungen in der Kirche zusammenzuführen und gleichzeitig klare Orientierung zu geben, wird für den Erfolg seines Pontifikats entscheidend sein. Er steht dabei vor der Herausforderung, die von Papst Franziskus angestoßene Dynamik in ruhigere, aber nicht weniger entschlossene Bahnen zu lenken, mit einem starken Fokus auf die geistliche Erneuerung und die soziale Verantwortung der Kirche. Die von ihm in seiner ersten Rede vor den Kardinälen genannten Leitlinien scheinen mir, in diese Richtung zu weisen.
Seine augustinische Prägung wird ihm helfen, eine Synthese zwischen der Bewahrung der Tradition und notwendiger Erneuerung zu finden, die sowohl konservative als auch reformorientierte Katholiken anzusprechen vermag. In einer medialisierten und oft von lautstarker Aufgeregtheit geprägten Welt kann sich sein eher „stiller“, „vorsichtiger“ und „diskreter“ Stil als Stärke erweisen. Ein Pontifikat, das weniger auf spektakuläre Gesten und mehr auf substanzielle, langfristige Arbeit setzt, ist geeignet, nachhaltige Früchte zu tragen und so zu einer Quelle der Hoffnung und des stillen, aber tiefgreifenden Wandels zu werden.
Prof. Dr. Thomas Schwartz ist römisch-katholischer Priester, Theologe, Honorarprofessor, Autor und Fernsehmoderator. Er ist Hauptgeschäftsführer des in Mittel-, Ost- und Südosteuropa tätigen Hilfswerks Renovabis. www.renovabis.de
sitra achra am 14.05.25, 10:48 Uhr
Der erhebliche Schwund an Gläubigen belegt, dass die vorderasiatische "christliche" Märchenreligion den Menschen in Europa nichts mehr zu bieten vermag. Glaubwürdiger wäre es für die "katholische" und auch die "evangelische" Kirche, wenn sie sich nicht mehr von Steuerzahlergeldern mästen ließen.
Einen Sinn im Leben kann man auch ohne diese finden, da die gnoseologische Überlieferung unserer europäischen Ahnen dazu anregt (germanischer und keltischer Kulturkreis).
Außerdem ist die die Frauen diskriminierende Haltung der kath. Kirche, welche Frauen die gleiche Stellung in der kirchlichen Hierarchie verbietet, ein offener, ungelöster Skandal. Mit europäischen Werten ist dies nicht kompatibel.
Der neue "Leo" mag zwar ein Vorzeigemensch und Musterkatholik sein, aber hat weder die Kompetenz noch die Berechtigung uns vorzuschreiben, was wir zu glauben oder zu hoffen haben. Potrimpos möge uns davor bewahren!
Allerdings ein Lob für die Augustiner, die den "Edelstoff" kreiert haben. Wohl bekomm's!