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Politik

Ein Rücktritt, der nur der Anfang eines Neustarts der Regierung sein kann

Die zurückgetretene Familienministerin Anne Spiegel ist nicht der einzige Schwachpunkt im Bundeskabinett. Auch andere Minister schlingern seit Wochen – oder wirken gänzlich überfordert

René Nehring
13.04.2022

Selten war ein Rücktritt so überfällig wie der von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel. Schon als vor Wochen herauskam, dass sie im Sommer 2021 – als die Flutkatastrophe an Ahr, Erft und Nette Hunderten Menschen das Leben gekostet hatte und Tausende buchstäblich ohne ein Obdach waren – als Umweltministerin von Rheinland-Pfalz vor allem um ihr persönliches Ansehen und den korrekten Gebrauch der Gendersternchen bedacht war, wäre ihr Rückzug angebracht gewesen.

Als nun bekannt wurde, dass Spiegel nur Tage nach der Katastrophe mit ihrer Familie vier Wochen Urlaub in Südfrankreich gemacht und zudem auch noch Medien angelogen hatte, sie habe von dort aus online an Kabinettssitzungen teilgenommen, war sie endgültig nicht mehr tragbar. Wie so oft bei politischen Affären wollte auch hier die Betroffene keine Einsicht zeigen. Noch als ihr die eigene Parteiführung einstimmig den Rücktritt nahelegte, meinte sie, in einem buchstäblich jämmerlichen Auftritt ihr Ansehen retten zu können, indem sie auf die gesundheitlichen Probleme ihres Mannes und die Nöte ihrer Kinder während der Corona-Pandemie verwies, die eine mehrwöchige Auszeit erforderlich gemacht hätten.

Die Nöte ihrer obdachlosen Landsleute interessierten Spiegel ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch tausende andere Familien in diesem Land unter den Corona-Maßnahmen zu leiden hatten. Alles in allem zeigte sie zu keinem Zeitpunkt, dass ihr überhaupt klar ist, welche Anforderungen an ein öffentliches Spitzenamt gestellt sind.

Weitere Wackelkandidaten

Ein Befreiungsschlag für das Bundeskabinett ist Spiegels Rücktritt gleichwohl nicht. Denn zu lang ist die Liste derjenigen Minister, die gleichfalls in ihrem Amt straucheln. Vor allem Verteidigungsministerin Christine Lambrecht reiht eine Peinlichkeit an die andere. Hatte sie noch kurz vor ihrer Ernennung zur obersten Chefin der Truppe ihren Abschied aus der Politik verkündet, startete sie nach erfolgter Wiederberufung zur Ministerin zunächst einmal in den Urlaub. Schon jetzt legendär ist ihre stolze Ankündigung, den um militärische Hilfe bittenden Ukrainern 5000 Helme liefern zu wollen. Dann schickte sie unbrauchbare Panzerabwehrwaffen nach Kiew. Zudem versprach sie, dass Deutschland für die neue Schnelle Eingreiftruppe der EU 5000 Soldaten stellen werde, um sich kurz darauf zu korrigieren, dass es nur 1500 seien.

Zunehmend unter Druck gerät auch Innenministerin Nancy Faeser, die bei Beginn des Ukrainekriegs abtauchte und damit sowohl die ihr unterstehenden Behörden als auch die freiwilligen Helfer im Stich ließ. Für Schlagzeilen sorgte sie, als sie verkündete, auf eine detaillierte Kontrolle der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge verzichten und unabhängig von der Nationalität jeden ins Land lassen zu wollen. So wiederholt Faeser bewusst die Fehler von 2015, als die deutschen Behörden monatelang nicht wussten, wer eigentlich gerade in unser Land kommt.

Starr an einmal gefassten Plänen fest hält auch der grüne Agrarminister Cem Özdemir. Obwohl die Welt durch den Krieg in der Ukraine – und damit in einer der größten Kornkammern der Erde – auf eine veritable Nahrungskrise zusteuert, weigert sich Özdemir, von der Politik der Flächenstilllegungen in der Forst- und Landwirtschaft abzurücken. Stattdessen plant er ein Paket von bis zu 180 Millionen Euro, damit die Agrarbetriebe die Mehrkosten für Dünger und Sprit abfedern können. Wie dadurch mehr Getreide entstehen soll, verrät er nicht.

Politik ohne Führung

Der derzeit wohl größte Pannenminister ist jedoch Karl Lauterbach, der nun erkennen muss, dass die Zeit, in der er folgenlos in Talkshows irgendwelche Behauptungen aufstellen konnte, vorbei ist. Obwohl fast überall in Europa die Corona-Maßnahmen gelockert oder gar abgeschafft sind (ohne dass dort neue Pandemiewellen ausbrechen), und obwohl sich auch in Deutschland die Corona-Zahlen (saisonbedingt und durch die millionenfachen Impfungen) dramatisch entspannen, gibt Lauterbach weiter den Mahner, der seine Landsleute am liebsten auf ewig im Lockdown halten will. Und obwohl alle vorhandenen Corona-Impfstoffe nur mit einer Ausnahmegenehmigung der EU auf dem Markt sind, wollte Lauterbach die Über-60-jährigen per Gesetz zur Impfung zwingen.

Damit ist er freilich gescheitert. Was jedoch nicht nur auf das Konto von Lauterbach geht, sondern auch auf das seines Chefs – Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich in dieser elementaren Frage weigerte, Führungsverantwortung zu übernehmen, obwohl er selbst im vergangenen November eine allgemeine Impfpflicht angeregt hatte. Auch Scholz, der bei Amtsantritt damit prahlte, wer ihn bestelle, werde Führung bekommen, zeigt seit seiner Vereidigung ein merkwürdig erratisches Verhalten. So verweigert er neben der Impfpflicht auch in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine klare Führung. Wohin dies führt, zeigt die Bilanz von Scholz' Vorgängerin Angela Merkel, die auf zahllosen Politikfeldern letztlich nur unbestellte Äcker hinterlassen hat.

Niemand wird gezwungen, Kanzler oder Minister zu werden. Wenn jedoch Politiker ein Spitzenamt annehmen, stehen sie in der Pflicht, die daran geknüpften Anforderungen zu erfüllen. Wenn sie dies nicht wollen – oder können –, steht es ihnen frei, ihr Amt zurückzugeben.


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Kommentare

Klaus Mueller am 18.04.22, 07:29 Uhr

"Hunderten Menschen das Leben gekostet hatte "

135 sind 135, nicht "Hunderte"

Annegret Kümpel am 14.04.22, 20:08 Uhr

"Corona-Zahlen (saisonbedingt und durch die millionenfachen Impfungen) dramatisch entspannen". Sind Sie wirklich der Überzeugung, daß die millionenfachen Impfungen die Corona-Zahlen dramatisch entspannen? "
Niemand wird gezwungen, Kanzler oder Minister zu werden. Wenn jedoch Politiker ein Spitzenamt annehmen, stehen sie in der Pflicht, die daran geknüpften Anforderungen zu erfüllen." Was sind geknüpfte Anforderungen? Diese Spitzenpolitiker haben einen Eid geschworen und gehen damit die Verantwortung für ihr Amt ein. Verantwortung für die sie bezahlt werden, aus Steuergeldern! Verdammt noch mal: Für was brauchen wir noch dieses miserable politische Personal?

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