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Von Corinth bis Wiechert – das reiche Werk ostpreußischer Maler, Dichter und Komponisten ist voller Bezüge auf die Bibel und biblische Themen
Leonardo da Vincis Gemälde „Das Abendmahl“ gehört zweifellos zu den großen Beispielen abendländischer Malerei. Zu den herausragenden Künstlern aus Ostpreußen, die sich auch mit christlicher Thematik beschäftigt haben, gehören Michael Willmann (1630–1706) und Lovis Corinth (1858–1925). Den Königsberger Willmann, einen der führenden Vertreter des ostdeutschen Spätbarock, nannte man auch den „schlesischen Raffael“, schuf er doch eine Reihe eindrucksvoller Gemälde und Fresken für die Kloster in Leubus und Grüssau. Experten schätzen seine Kunst nicht nur wegen ihrer malerischen Qualität, sondern auch wegen Willmanns Gabe, „den Ausdruck so zu steigern, dass sein Bild zum hinreißenden Beispiel wurde“ (Hubertus Lossow).
Der Meister aus Tapiau
Ein besonders reiches Werk mit biblischer Thematik hat uns auch Lovis Corinth hinterlassen. Der Meister aus Tapiau, dem man gern eine innere Verwandtschaft zu dem vor 390 Jahren geborenen Barockmaler Willmann nachsagt, soll ein eifriger Bibelleser gewesen sein. Unter den 983 Arbeiten, die im Werkverzeichnis seiner Gemälde festgehalten sind, kann man allein 65 Gemälde zum Alten und Neuen Testament zählen. Motive wie „Adam und Eva“, „Bathseba“, „Joseph und Potiphars Weib“, „Simson“ sind ebenso zu finden wie auch der „Schacher am Kreuz“, eine der frühen Arbeiten aus dem Jahr 1883. Diese Passions- und Kreuzigungsthematik zieht sich durch Corinths Werk wie ein roter Faden. Nach dem Tod des Vaters Franz Heinrich Corinth am 10. Januar 1889 entstand die erste Komposition mit einem Passionsthema: „Pietá“. Und in seinem eigenen Todesjahr 1925 schuf er den berührenden „Ecce Homo“, entstanden in der Osterzeit im Atelier.
Für seine Vaterstadt Tapiau schuf Corinth 1910 ein Golgatha-Triptychon, einen dreiteiligen Altaraufsatz für die dortige evangelische Kirche; das Mittelbild zeigt Christus am Kreuz, der linke Flügel den Apostel Paulus, der rechte Flügel den Evangelisten Matthäus. Beim Russeneinfall 1914 wurde das Bild beschädigt; Corinth lehnte es später allerdings ab, einige Einschusslöcher zu restaurieren, weil er die Schäden als Erinnerung an diese Zeit erhalten wissen wollte ... Auch in seinem graphischen Werk sind Passionsmotive immer wieder zu finden. Seine letzte Radierung („Die Auferstehung Christi“) schuf Corinth Ostern vor 97 Jahren, bevor er am 15. Juni nach Holland reiste, um dort noch einmal die Alten Meister zu bewundern.
Einen Monat später starb der Ostpreuße dann während dieses Aufenthaltes am 17. Juli 1925 in Zandvoort. „Corinth“, so Gerhard Gerckens erläuternd zu den religiösen Themen im Werk des Tapiauers, „hat sich und sein ganz persönliches Gefühl in diese Bilder eingebracht und gleichzeitig ein Zeitgefühl, das in dieser Schärfe nur das 20. Jahrhundert durchlitten hat. Gestaltet aber konnte es nur werden am Beispiel der Bibelthemen, weil deren menschliche Dimension von sich aus schon so groß war, dass der Maler sie mit seiner Sicht aufladen und dennoch das Allgemeingültige wahren konnte ...“
Auch im Werk ostpreußischer Dichter hat die biblische Thematik ihren Niederschlag gefunden. So widmete Agnes Miegel (1879–1964) eine ihrer ersten Balladen der schönen jungen Abischag oder Abisag aus Mittelpalästina, die den alten König David pflegen musste: „Ich muss in der Säle Dämmerschein/ Meine jungen Tage verbringen,/ Ich muss den alten König beim Wein/ Wie ein Kind in Schlummer singen ...“ Diese Verse erschienen zum ersten Mal 1901 im Göttinger Musenalmanach des Börries von Münchhausen.
Der Herausgeber erinnerte sich: „Als ich im Herbst 1897 einen Stoß handschriftlicher Gedichte Agnes Miegels auf meinem Berliner Studentenschreibtisch liegen hatte, wusste ich: Dies ist eine der ganz großen Dichterinnen unseres Volkes ... Der Göttinger Musenalmanach von 1901 erschien uns allen immer der wichtigste der Reihe und er scheint mir als Sammlung wertvoller als ausnahmslos alle Blütenlesen jener und späterer Zeit. Von den 187 Seiten des Buches füllt Agnes Miegel nicht weniger als 54 – man kann fast von einem Buch im Buche sprechen ...“
Ein halbes Jahrhundert später erschien dann das Drama eines Dichters und Schriftstellers, der wie Agnes Miegel in Königsberg geboren wurde: Hans-Joachim Haecker (1910–1994), dem ein Kritiker einmal eine „wirkliche Theaterpranke“ bescheinigt hat. In seinem Drama „David vor Saul“ geht Haecker vor allem der Frage nach der Legitimation der Macht nach.
Gegen Macht und Machtstreben wendet sich auch Ernst Wiechert (1887–1950), der Ostpreuße aus dem Forsthaus Kleinort, Kreis Sensburg, der vor 72 Jahren starb. In seinem 1932 erschienenen „Spiel vom deutschen Bettelmann“ forderte er unter Hinweis auf Hiob, dem Symbol eines vom Schicksal geschlagenen Menschen, „Verinnerlichung statt Machtrausch und Machtstreben“ (Helmut Motekat). „Die Auseinandersetzung Hiobs mit Gott, der schließlich in seiner unvorstellbaren Ferne gläubig angenommen wird“, ist das Thema des Dramas „Hiob“ von Rolf Lauckner, Königsberger des Jahrgangs 1887.
Die Uraufführung dieses Stücks, von dem Lauckner sich erhoffte, aus dem Vergessen gerissen zu werden, erlebte der Dichter nicht mehr. Er starb am 27. April 1954 in Bayreuth – erst am 7. Januar 1956 wurde „Hiob“ in Saarbrücken uraufgeführt.
Mit seiner Komödie „Der Sturz des Apostel Paulus“ hatte Lauckner weitaus mehr Erfolg, ja, mit ihr begann seine eigentliche Laufbahn als Dramatiker. Kein Geringerer als Max Reinhardt brachte sie 1919 auf die Bühne des Deutschen Theaters in Berlin. Zeit seines Lebens hat Rolf Lauckner darunter gelitten, dass die Kritik ihn selten als eigenständigen Dichter und Dramatiker, sondern meist nur als „Stiefsohn Sudermanns“ (1857–1928) gesehen hat. Dieser hatte sich bereits vor der Jahrhundertwende einem biblischen Thema gewidmet.
1894 verfasste er die Anfangsverse zu dem Drama „Johannes“, das dann am 3. Februar 1898 in Stuttgart uraufgeführt wurde und seinerzeit eine äußerst lebhafte Diskussion auslöste. „Sudermann“ so Alan Corkhill in seinem Buch über Werk und Wirkung des ostpreußischen Dichters (Würzburg, 1985), „hat in seinem ‚Johannes' ein historisches Schauspiel geschaffen, das zugleich gewisse kulturpolitische Tendenzen seines Zeitalters spiegelt. Es gehört etwa zur realistischen Modernität des Stückes, dass es sich bei der Darstellung theologischer Gedanken eher um unversöhnliche geistige Konzepte handelt als um scharf umrissene religiöse Überzeugungen. Die Widersprüchlichkeit religionsorientierter Ansichten drückt sich wohl am deutlichsten in der Konfrontation und Polarisierung verschiedenartiger Messias-Vorstellungen aus ...“
Jesus Christus hat zweifellos die Dichter aller Jahrhunderte immer wieder zu den unterschiedlichsten Werken angeregt. Der Rastenburger Arno Holz (1863–1929) sah ihn beispielsweise als „ersten Sozialisten“, nachzulesen in seinem „Buch der Zeit“ (1886), während der Königsberger Albert Dulk (1819-1884), „der radikalste Vertreter einer Religion ohne Gottperson und Kultus“ (Motekat), ihm ein Drama widmete: „Jesus, der Christ“ (vollendet 1855, erschienen 1865).
Jesus Christus inspirierte alle
In neun Handlungen arbeitet der Autor, der das Drama ausdrücklich für die Volksbühne nach Art der Passionsspiele schrieb, den Gegensatz zwischen Jesus und Judas heraus. Der Befreiungskampf der Juden gegen die Römer, den Judas heraufbeschwören will, steht hierbei im Mittelpunkt des Konflikts. In einem weiteren Werk, das Helmut Motekat als das geschlossenste Dulks bewertet, befasste sich der Königsberger mit der Person des Simson (1859). Auch die Gestalt des Moses ist in der Kunst, der Musik und der Dichtung immer wieder zum Thema gewählt worden.
So hat der Mohrunger Johann Gottfried Herder (1744–1803) sich eingehend mit Moses beschäftigt und ihn als einen der großen Genies der Menschheitsgeschichte dargestellt - als Gesetzgeber und Sammler der ältesten Sagen seines Volkes mit grundlegender Bedeutung für Israel und seine Poesie.
Texte von Herder sind übrigens auch als Vorlage für Kompositionen verwendet worden. So vertonte der Bückeburger J. C. F. Bach seine Dichtung „Die Kindheit Jesu“ und schuf ein Oratorium zu Herders Text „Die Auferweckung des Lazarus“.
Überhaupt sind biblische Themen in dem Musikleben Ostpreußens immer wieder zu finden. So wurde 1917 in Königsberg das Oratorium „Maria und Martha“ des Schlesiers Otto Fiebach (1851–1937) uraufgeführt. Der Sensburger Georg Riedel (1676–1738), Kantor der Altstädtischen Kirche in Königsberg, vertonte das Matthäusevangelium, alle 150 Psalmen und die Offenbarung des Johannes.
Die Noten dieser Werke sind allerdings im Zweiten Weltkrieg verschollen, weiß Werner Schwarz in seiner Musikgeschichte Ostpreußens (Dülmen, 1989) zu berichten. Aus unseren Tagen hingegen stammt die Oper „Judith“, die der aus Mallenuppen, Kreis Darkehmen, stammende Komponist und ostpreußische Kulturpreisträger Siegfried Matthus 1985 nach einer Tragödie von Friedrich Hebbel schuf. Ein weiterer Kulturpreisträger, der Kirchenmusiker und Komponist Oskar Gottlieb Blarr aus Sandlack, Kreis Bartenstein, schrieb unter anderem zwei Oratorien: „Jesus-Passion“ (1985) und „Jesus-Geburt“ (1989–1991). Die Bibel als Quelle tiefster Besinnung, aber auch als unerschöpfliche Quelle künstlerischer Gestaltung, „weil die Bibel so voller Gehalt ist, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge darbietet“ (Johann Wolfgang von Goethe).
sitra achra am 22.04.22, 11:02 Uhr
Ein herzliches Dankeschön für diesen kurzen Abriss der religionsphilosophisch und biblisch inspirierten ostpreußischen Kunst. Leider gibt es in der heutigen oberflächlichen, atheistisch dominierten Welt kaum noch ein Publikum für diese zur Selbstbesinnung und -bestimmung führenden Preziosen.