24.05.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Mächtiger Findling in der Schorfheide: 2005 ersetzte man die falsche Schreibweise – aus „Karin-“ wurde „Carinhall“
Bild: ReithMächtiger Findling in der Schorfheide: 2005 ersetzte man die falsche Schreibweise – aus „Karin-“ wurde „Carinhall“

Schorfheide

Ein unzeitgemäßer Findling

Ein mächtiger Steinblock erinnerte an Hermann Görings Anwesen Carinhall in Brandenburg – Doch irgendwann war er verschwunden

Wolfgang Reith
24.05.2025

Zwischen 1933 und 1945 lag auf einer Landzunge zwischen dem Großen Döllnsee und dem Wuckersee in der Schorfheide das wohl wichtigste Repräsentationszentrum der NS-Machthaber, nämlich das Landhaus „Carinhall“ des zweiten Mannes des Dritten Reiches, Hermann Göring, der das Anwesen nach seiner 1931 verstorbenen, aus Schweden stammenden Ehefrau Carin von Kantzow benannte.

Doch wo früher Staatsgäste aus aller Welt ein- und ausgingen, erinnert heute nahezu nichts mehr an den einstigen Glanz, denn als sich am 28. April 1945 ein Vorauskommando der Roten Armee von Osten her dem Anwesen näherte, wurde es gesprengt. Von 1946 bis zum Beginn der 1950er Jahre beseitigte man den größten Teil der Trümmerreste. Die DDR-Regierung ließ später die Ruinen vollständig abtragen und beseitigen und das Gelände neu aufforsten, da fortan nichts mehr von dem Ort zu sehen sein sollte. Erst 1959 waren die Spuren weitgehend beseitigt.

Heute erinnern neben kümmerlichen Überresten im Wald nur noch zwei 1942 erbaute und mit den Insignien Görings (zwei gekreuzte Marschallstäbe) verzierte Torwärterhäuschen, die am Beginn einer neu angelegten Zufahrt in Ost-West-Richtung standen, sowie die ein Jahr später errichteten dazugehörigen Wohnbauten für die Wachen, in denen jetzt Forstbedienstete untergebracht sind, an die Vergangenheit dieses für zwölf Jahre so geschichtsträchtigen Ortes. Auf dem ehemaligen Vorplatz des Hauptgebäudes wurde im November 1993 ein Findling mit der Aufschrift „Karinhall“ aufgestellt, den man zu Beginn des Jahres 2005 gegen einen solchen mit der korrekten Schreibweise „Carinhall“ austauschte.

Im April 2007 ließ die Forstbehörde ihn jedoch entfernen, ebenso wurde die Inschrift „Carinhall“ auf den steinernen Wegweisern getilgt. Der Findling aber fand 2008 im Park des Jagdschlosses Groß Schönebeck, das einst von Kaiser Wilhelm II. genutzt wurde, einen neuen Standort. Seit 2009 bildet er dort einen Bestandteil der Ausstellung „Jagd und Macht“ des Schorfheide-Museums, das im Schloss und in der einstigen Remise (heute Museumsscheune) untergebracht ist und über die Bedeutung der Schorfheide als Jagdgebiet preußischer Könige und deutscher Kaiser sowie der braunen (Göring) und schließlich der roten (Honecker) Machthaber informiert. Hier existiert auch ein maßstabgetreues Modell von Carinhall, anhand dessen man nachempfinden kann, wie das Anwesen des letzten preußischen Ministerpräsidenten und einzigen Reichsmarschalls des NS-Staats aussah – dort, wo heute fast alles wieder so urwüchsig wirkt wie vor 1933.

Irrtümliche Finanzierung
Bei einer Fahrt an den historischen Ort im Jahre 2007 war der Findling allerdings nicht auffindbar. Ein tiefes Loch ließ erkennen, dass ihn jemand ausgegraben hatte. Entweder waren hier Souvenirjäger am Werk gewesen oder aber Leute, die jegliche Erinnerung an die Stätte von einst auslöschen wollten. Tatsächlich hatten sich nach den politischen Umbrüchen von 1990 immer wieder „Schatzgräber“ aufgemacht, die im Wald nach Überresten und Hinterlassenschaften des einstigen Anwesens suchten und auch gelegentlich fündig wurden.

Andererseits war unübersehbar, dass versucht worden war, auf einem Wegweiser im Wald den Hinweis „Carinhall
1,2 km“ zu entfernen, was aber nicht ganz gelang, denn er war immer noch schwach erkennbar. Gleichwohl spricht der Volksmund bis heute von der Zufahrt zu der einstigen Anlage als „Karinhaller Straße“, wie lange Zeit sogar die fälschlicherweise mit „K“ geschriebenen Schilder verkündeten, die man nach 2003 durch die Bezeichnung „Wucker“ ersetzte.

Von der „Wirtschafts- und Tourismusentwicklungsgesellschaft“ in Eberswalde kam die Antwort, der Findling sei auf Anordnung des Arbeits- und Sozialministeriums des Landes Brandenburg entfernt worden. Ebenso habe man die steinernen Wegweiser mit der Aufschrift „Carinhall“ übermalt und durch die Angabe „OT Wucker“ ersetzt. Der Ortsteil Wucker, zu dem auch die von Görings Landsitz stehengebliebenen Torwärterhäuschen gehören, hatte bis zur Eingemeindung nach Templin im Jahre 2003 Carinhall geheißen. Die Maßnahmen seien zuvor „mit Mitteln der Arbeitsförderung geschaffen worden, die nicht antragskonform eingesetzt wurden“.

Tatsächlich war 2002 vom „Regionalverband Schorfheide/Uckermark der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“ ein aus Landesmitteln gefördertes Projekt „Steine weisen den Weg“ gegründet worden, mit dem „eine von der Bundesagentur für Arbeit in Eberswalde (Barnim) bewilligte Strukturanpassungsmaßnahme“ vorgenommen werden sollte. Die Mittel, die man dafür bereitstellte, beliefen sich auf 18.640 Euro. Als Beispiel war seinerzeit die Instandsetzung eines Gedenksteins von Kaiser Wilhelm II. genannt worden. Die Förderung der auf das Anwesen Görings verweisenden Wegmarkierungen, so bedauerte die damalige Sozialministerin Dagmar Ziegler, sei jedoch „nicht im Landesinteresse“, und die Finanzierung sei „irrtümlich erfolgt.“

Ausgelöst worden war die Debatte durch eine parlamentarische Anfrage der PDS (heute Die Linke), die dagegen protestiert hatte, dass überhaupt auf „Carinhall“ hingewiesen wurde, und die am liebsten gesehen hätte, wenn auch noch die letzten verbliebenen Spuren aus jener Zeit entfernt worden wären. Als im Jahr darauf der Findling im Park des Jagdschlosses Groß Schönebeck aufgestellt wurde, brachte man daneben eine Tafel an, die den schlichten Text enthielt: „Dieser Stein stand von 2000 bis 2007 als Hinweis an der ehemaligen Anlage Carinhall.“

Schon ein Jahr später jedoch wurde diese Tafel durch eine neue ersetzt, die den „politisch korrekten“ Wortlaut trug: „‚Stein des Anstoßes' – Dieser Stein stand von 2000 bis 2006 als geografischer Hinweis am ehemaligen Standort Carinhall. Er wird Bestandteil der Ausstellung ‚Jagd und Macht' sein, die sich ab Mai 2009 unter anderem kritisch mit der NS-Zeit und der Rolle Carinhalls auseinandersetzt. Gemeinde Schorfheide – Der Bürgermeister.“

Irgendwann im Lauf des Jahres 2015 stellte jemand in Privatinitiative einen neuen Stein mit der Aufschrift „Carinhall“ am alten Platz auf, doch war davon nach weniger als einem Jahr kaum mehr etwas zu erkennen. Einerseits hatte sich auf dem Findling ein Belag von Flechten und Moos gebildet, zudem waren aber auch die Buchstaben wohl in kürzester Zeit einer solchen Verwitterung ausgesetzt gewesen, dass sie nicht mehr im Geringsten hervorschienen – es sei denn, sie waren bereits vorher „aus politisch motivierten Gründen“ entfernt, also verwischt oder zerkratzt worden.

Im März 2017 errichtete man an besagtem Ort eine Informationstafel, für die sich engagierte Bürger bei der brandenburgischen Landesregierung eingesetzt hatten und die anschaulich in Text, Graphiken und Bildern die Geschichte des Anwesens erzählt.

Dem Besucher, der im Sommer 2019 in der Region war, fiel im Jagdschloss Groß Schönebeck sofort auf, dass der Findling im Park fehlte. Man erfuhr dann, dass er sich seit Dezember 2018 als Ergänzung der Informationstafel wieder an seinem früheren Ort befinde. Nähere Erläuterungen gab es nicht, und auch die Medien haben bisher dazu geschwiegen. Vermutlich sollen nicht erneut „schlafende Hunde geweckt“ werden.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS