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Stilwende um 1900 – Bad Nauheim präsentiert in der Trinkkuranlage des Sprudelhofs Künstler des Jugendstils
Zwar wurde das hessische Bad Nauheim bereits im 9. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt, doch Bedeutung erlangte der Ort erst Mitte des 19. Jahrhunderts als Heilbad für Herz-Kreislauf-Kranke. Der hessische Großherzog Ernst Ludwig initiierte um 1900 die Errichtung großzügiger Kuranlagen im Jugendstil. Deren Zentrum bildet die momentan in der Sanierung befindliche Trinkkuranlage des Sprudelhofs.
Seit 1997 ist der Jugendstilverein in Bad Nauheim aktiv, der jahrelang die Einrichtung eines entsprechenden Museums mit angeschlossenem Kulturprogramm anregte. Dem Verein wurde 2019 das Badehaus 3 des Sprudelhofs überlassen, in dem 2021 schließlich das Jugendstilforum für Wechselausstellungen eröffnet werden konnte.
Nach der erfolgreichen letztjährigen Ausstellung „Stilwende 1900“ ist derzeit die Nachfolgeschau „Stilwende 2.0 – Wege in die Moderne“ zu sehen. An insgesamt 14 Themenbereichen wird die Vielfalt des Jugendstil-Kunsthandwerks erläutert. Dabei wird auf München als Zentrum der Kunstströmung in Deutschland verwiesen. Dort erschien 1896 erstmals die Zeitschrift „Jugend“, die als Namensgeber des neuen Stils fungierte. Auch der bedeutende Architekt Richard Riemerschmid, der die Gesamtplanung der Gartenstadt Dresden-Hellerau übernahm, stammte aus diesem „Stall“.
Ebenfalls bedeutende Zentren der künstlerischen Bewegung waren Berlin, Dresden und Weimar. Zudem werden Düsseldorf, Köln, Krefeld und Hagen als Angelpunkte des Jugendstil-Kunsthandwerks genannt. Als regionales Zentrum in Hessen spielte schließlich Darmstadt eine große Rolle. Großherzog Ernst Ludwig fungierte hier als Mäzen der Künstlerkolonie Mathildenhöhe, zu der auch Peter Behrens und Josef Maria Olbrich gehörten. Sechs Darmstädter Künstler waren auch an der Ausgestaltung des Bad Nauheimer Kuranlagenkomplexes beteiligt.
Ein neben der Geschichte des Kunststils ausgiebig thematisierter Aspekt der Schau sind die Glasarbeiten der Jugendstilkünstler. So sind mehrere bunte Vasen in floral gestalteten Bronze- und Messingmonturen zu sehen. Der Begleittext spekuliert darüber, ob die Kunsthandwerker von antiken Glasfunden dazu inspiriert worden sein könnten, in ihren Vasen und Schalen einen künstlichen Alterungsprozess zu simulieren.
Daneben ist eine Fülle an Exponaten zu sehen: Kacheln, Essbesteck, Teller, Kannen, Türgriffe, Leuchter, eine versilberte Messing-Tischuhr, Keksdosendesign für die Bahlsen-Werke in Hannover, zwei Wandplaketten von Alfons Mucha und zahlreiche Meisterwerke des Schmuckdesigns. Bisweilen ist der romanische Einfluss spürbar, wenn in Schalen opulente Peitschenlinien-Motive aufgegriffen werden, zudem Frauendarstellungen, meist in Form von elfenhaften „Femmes fatales“, auftauchen.
Die 1864 in Thorn, Westpreußen, geborene Julie Wolfthorn steuert hierzu die Buntstiftzeichnung einer selbstbewusst blickenden „Dame in Blau“ bei. In die Ausstellung ist folgerichtig die Sonderschau „Auf dem Weg zur Neuen Frau“ integriert, die Lebenswege von Künstlerinnen aus der Zeit von Jugendstil, Art déco und Bauhaus vorstellt.
„Stilwende 2.0“ bis 28. Juli im Jugendstilforum im Sprudelhof, Badehaus 3 (Nebeneingang), Nördlicher Park 3, 61231 Bad Nauheim, geöffnet täglich außer montags von 13.30 bis 17.30 Uhr, Eintritt: 8 Euro www.jugendstilforum.de