18.04.2024

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Östlich von Oder und Neiße

Eine polnische Grünbergerin leitet das Schlesische Museum

Im Museum Görlitz rücken deutsche Ortsnamen oft an die zweite Stelle – Agniezka Gąsior hat viel Elan

Till Scholtz-Knobloch
20.04.2023

Zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit die in Grünberg [Zielona Góra] geborene Agnieszka Gąsior Direktorin des Schlesischen Museums zu Görlitz wurde. Die Ehefrau und Mutter einer Tochter kam mitten im „Corona-Wahn“ in die Neißestadt.

Als erstes selbst angestoßenes Projekt habe sie einen Geschichtspfad erdacht. Eine App leite dazu an, über die Grenze zu gehen. „Wir haben Objekte auf beiden Seiten der Neiße in Verbindung gestellt, die historisch miteinander verwoben sind“, charakterisiert Gąsior ihre Idee. Dinge nach dem immensen historischen Bruch 1945 auf anderer Seite ganz anders zu denken, bringe mitunter sogar Vorteile mit sich, meint sie. Sie bedaure, dass es noch immer Menschen gibt, die außer zum Tanken nie über die Grenze fahren würden. Umgekehrt gebe es andere Merkwürdigkeiten. In der Republik Polen wirke eine starke Konsum- statt Kulturorientierung beim Motiv des Grenzübertritts. „Wir haben die Werbung in Polen auch daher sehr verstärkt, weil ökonomische Faktoren Einfluss haben. Sobald Tage mit freiem Eintritt anstehen, kommt der überwiegende Anteil der Besucher aus Polen.“

Mittlerweile würden bereits Schulklassen aus Breslau oder Hirschberg [Jelenia Góra] ohne museumspädagogische Voranmeldung einfach so kommen.

Einen Paradigmenwechsel scheint es bei der starken polnischen Prägung des Hauses auch im Mitarbeiterstab zu geben. Im Gegensatz zu der Zeit unter Vorgänger Markus Bauer stehen in Pressemitteilungen deutsche Ortsnamen nun zumeist nur noch an zweiter Stelle in Klammern. „Ich sehe durch eine Veränderung der Reihenfolge keine Gefahr, dass die deutschen Namen aussterben“, sagt Gąsior. Für jüngere Besucher seien die polnischen Namen leichter zugänglich, meint sie. Aber liegt hier nicht gerade ein Bildungsauftrag? Das Museum verdankt seine Existenz letztlich der Intention, kulturgeschichtlich den Stellenwert Schlesiens in der deutschen Geschichte darzustellen.

Die Museumsleiterin bekennt dazu: „Ja natürlich, dieser Aufgabe stellen wir uns auch. In der Präsentation ,Schlesien seit 1945' sind in der polnischen Version natürlich die polnischen Namen zu finden, in der deutschen Version sind zunächst beide Namen genannt, dann operieren wir aber mit den deutschen Namen weiter.“ In der Praxis wird es gleichwohl häufiger auch schludrig. Jüngstes Beispiel: Das Projekt W/E LAB (West-East Laboratory) für junge Kunstschaffende mit einer zeitweiligen Künstlerresidenz im niederschlesischen Ort Kolonie Kuttenberg wurde einzig mit dem polnischen Ortsnamen Tarczyn angekündigt, wenngleich die Zugehörigkeit zur Stadt Lähn [Wlen] dann wieder die deutschen und polnischen Namen parallel nannte.

Gąsior verkörpert dennoch aus einer konzentrierten Reflexion viel Elan. Aktuell arbeite man am Projekt Schönhof digital, durch das virtuelle Rundgänge durch das historische Museumsgebäude möglich werden. Auch Virtual-Reality-Brillen kommen zum Einsatz. Im Anschluss freue sie sich auf eine Schau von Neuerwerbungen. In Kooperation mit dem Museum im oberschlesischen Oppeln habe man aus einer Sammlung, die sich ehemals in Bad Carlsruhe [Pokój] befand, unter anderem zwei Porträts der Gründer und eine Silberterrine erwerben können. Neuzugang ist auch ein Porträt eines Breslauer Kaufmanns von 1850 von dem aus Lodenau stammenden Maler Adolf Zimmermann. „Das Bild war bereits einmal bei ‚Bares für Rares', ist dann allerdings ,leider' auf unglückliche Weise verschönert worden.“ Dank Spendern sei eine Renovierung erfolgt.

Neben dem Riesengebirgsmuseum Hirschberg habe man aktuell eine enge Verbindung zum Laubaner Museum. Voraussichtlich ab September solle die Riesengebirgsbahn im Fokus stehen, „nicht jedoch in Form einer Eisenbahnausstellung, sondern die Bahn wird hier Richtschnur sein. Lauban hat einst 90 Prozent der deutschen Taschentuchproduktion gehabt, es geht in Hirschberg um die Spitzenproduktion unter Daisy von Pless oder am Zielpunkt Waldenburg [Wałbrzych] noch einmal geballt um den industriellen Aufbruch“, während am anderen Ende mit Görlitz der Blick auf den Waggonbau falle.

Und wie wirkt sich derzeit das Einschlafen vieler Heimatstuben aus? So viele Archivalien kann doch kein Museum verkraften ... Gąsior freut sich an einem positiven Beispiel: „Ich begleite derzeit die Überführung der Heimatstube Löwenberg [Lwówek Śląski] in den Kreis Löwenberg. Vieles ist am Entstehungsort auch am besten aufgehoben.“


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