24.04.2024

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Unterwegs

Eine Reise nach Hinterpommern

2. Teil: Falkenburg, Tempelburg, Pyritz und Stargard

Brigitte Klesczewski
29.08.2020

Nach Falkenburg [Zlocieniec] und Tempelburg [Czaplinek] ging es hin per Bus und zurück mit der Bahn nach Dramburg. Falkenburg liegt am Zusammenfluss der Drage mit der Vansow. Eine große Enttäuschung war für mich, dass das Schloss nach dem Krieg dem Boden gleichgemacht worden war. Man weist mit Tafeln heute auf „archäologische“ Reste hin. 1940 habe ich das Schloss noch als Residenz der Familie von Griesheim gesehen. Der weitläufige Park an der Drage wurde Anfang des 18. Jahrhunderts ursprünglich als Schlossgarten angelegt. Zur Drage führt die berühmte, historische Hainbuchenallee. Die Äste der Bäume sind hier tunnelartig zusammengewachsen.

Wir erlebten an der Marienkirche aus dem 15. Jahrhundert, die 1879 einen neugotischen Turm erhielt, eine sehr streng durch den Kaplan durchgeführte Generalprobe zur Erstkommunion und kamen dadurch in die Kirche mit ihrer besonderen Facettendecke. Neben der Kirche steht das Rathaus, das seit über 200 Jahren Sitz der Stadtverwaltung ist.

In der Nähe von Falkenburg liegt die Ordensburg Crössinsee, die ich 1940 noch als „Napola“ (Nationalpolitische Erziehungsanstalt) einmal gesehen hatte. Diese in der Hitlerzeit erbaute „Festung“ wurde in den 1950er Jahren an die polnische Armee übergeben.

Ein Ort von Templern gegründet

Tempelburg liegt zwischen dem Dratzig- und Zeppelinsee. Der Ort wurde 1286 von den Templern gegründet, gehörte ab 1345 den Johannitern, kam nach dem 30jährigen Krieg zu Brandenburg und wurde nach einem Brand von Friedrich II. wieder aufgebaut. Die Heilig-Kreuz-Kirche, früher Elisabeth Kirche am Markt, stammt aus der Zeit Friedrichs IV. und ist von Karl-Friedrich Schinkel entworfen worden. Ihr Grundriss bildet ein griechisches Kreuz. Die Kirche zeichnet sich durch eine gute Akustik aus und besitzt eine Grüneberg Orgel aus dem Jahr 1862, von der Grüneberg Orgelbau Anstalt Stettin, die sich später in Stettin-Finkenwalde befand. Die kleine Dreifaltigkeitskirche, aus Feldsteinen erbaut, mit einem nebenstehenden Glockenstuhl stammt aus dem 15. Jahrhundert. Sie steht auf einem Hügel. Die Inneneinrichtung ist prächtig. Der barocke Altar mit reichhaltigen Verzierungen wird von einem durch Säulen gestützten Baldachin überdacht.

Der Bahnhof von Tempelburg liegt etwa drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. In der Stadtinformation erfuhren wir, dass es keine Taxen im Ort gäbe. Der lange und etwas öde Weg blieb uns aber erspart, weil uns eine hilfsbereite Einwohnerin mit ihrem Auto zum Bahnhof fuhr. Zum Abschied überreichte uns die Hotelbesitzerin des Hotels Artemis in Dramburg zwei Gläser selbstgekochte Marmelade, weil wir wohl so unkomplizierte Gäste gewesen waren und uns über den spärlichen Hotelservice nicht beklagt hätten.

Stargard

Ganz anders dagegen war der Empfang im Hotel Spichlerz in Stargard. Der Wirt des Hotels wies uns hier ein. Am ersten Tag wanderte ich mit meinem Mann meinen alten Schulweg vom Bahnhof durch den Goethepark zur Königin-Luise-Oberschule ab, in der ich von 1943–1945 als Gastschülerin aus Stettin angemeldet war. Meine Zwillingsbrüder besuchten hier das ehrwürdige Peter-Gröning-Gymnasium. Der im Juni verstorbene Schauspieler Claus Biederstaedt war ebenfalls Schüler dieses Gymnasiums gewesen. Sein Vater war bis zu seiner Einberufung zum Militär an der Königin-Luise Oberschule Studienrat für Musik gewesen. Wir besuchten unterhalb des Pyritzer Tores das im Blockhausturm neuerstandene historische Museum und statteten zum Abschluss der Heiliggeistkirche einen Besuch ab.

Die Innenstadt betraten wir vom Johannistor an der Nordwestecke der Stadt aus. Vom Doppeltor ist heute nur noch das Vortor als 40 Meter breite Durchfahrt erhalten. Wir entdeckten in der Johanniskirche einen Taufstein mit deutscher Inschrift: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig“, Ev. Marci 16 V 16. Die Johanniskirche steht auf der höchsten Stelle der Stadt. Ihr Turm ist 99 m hoch. Er soll für einen Kreml-Turm in Moskau zum Vorbild genommen worden sein. Von der höchsten Stelle wanderten wir zur Ihna und zum Mühlentor, das die Ihna überspannt, als Abschluss des oberhalb liegenden Hafens der Stadt. Das einzigartige Wassertor ist als Helmzier in das Stargarder Wappen aufgenommen worden. Hier am Mühlentor hatten sich die ehemaligen Karow-Mühlen angesiedelt, die auch heute noch, modernisiert von Polen, betrieben werden. Die Karow Villa ist zum Jugend-Kulturhaus geworden. Hierhin war meine Klasse, die Untertertia der Königin-Luise-Oberschule, durch die Großmutter von Jutta Karow, einer Mitschülerin, zur Weihnachtsfeier 1944 eingeladen worden.

Weiterfahrt nach Pyritz

Der Markt wird beherrscht von der Marienkirche und dem Alten Rathaus mit der Alten Wache. Hier am Markt erkundigten wir uns in der Touristeninformation nach einer Busverbindung zur Weiz­ackerstadt Pyritz. Wir erlebten hier die einzige unfreundliche Polin auf unserer Reise. Obwohl sie nur uns zu bedienen hatte, kam auf unsere Frage nach einer Busverbindung die patzige Antwort: „Können Sie das nicht im Hotel erfragen?“ Unwillig setzte sie dann ein Kreuz für die Haltestelle in unseren Stadtplan.

Unsere Haltestelle in Pyritz war an der ehrwürdigen Mauritiuskirche. Vorsorglich hatte uns der Busfahrer drei Rückfahrmöglichkeiten aufgeschrieben. Während der Fahrt nach Pyritz sahen wir weite Felder mit Weizen und Zuckerrüben, die auch heute noch die große Fruchtbarkeit dieses Landstriches zeigen.

Pyritz hat Ende des 2. Weltkrieges schwer gelitten, war schon Mitte Februar eingeschlossen und wurde am 6. März 1945 erobert. Über diesen Kampf hat Herbert Reinecker ein Buch geschrieben. „Kinder, Mütter und ein General“ wurde in den 1950er Jahren gern gelesen. Das Buch wurde auch verfilmt. Claus Bieder-staedt spielte in dem Film einen Gefreiten.

Wir umwanderten die Mauritiuskirche, kamen zum Bahner Tor und folgten dem guterhaltenen Mauerring. Als wir beide so im Gleichschritt marschierten, sprach uns ein älterer Polen mit: „Die Preußen kommen“ an. Er betonte, dass er sich in dieser Stadt wohlfühle und sie seine Heimat geworden sei.

Deutsche Minderheit

In Stargard hatten wir uns mit dem Leiter der Deutschen Minderheit Piotr Nycz an einem Abend verabredet. Sein Arbeitsplatz ist der Kriegsgräberfriedhof in Glien [Glinna] in der Neumark. Von ihm hörten wir, dass sich die 30 Mitglieder der Deutschen Minderheit jeden Freitag träfen, das pommersche Brauchtum pflegten und gern feierten.

Am letzten Stargarder Tag besuchte uns meine Freundin Anna Bielecka. Sie wohnt jetzt in meinem Geburtsort Hökendorf bei Stettin. Ihre Mutter lebt in Stargard. Wir fuhren mit ihnen zum Madüsee. Auf dem Weg dorthin vergaßen wir nicht, am Denkmal des 15. Längenkreises am Westausgang von Stargard Fotos zu schießen. Am Madüsee erzählte ich Anna die Sage von den Maränen im Madüsee, einem Fisch, den es sonst nicht in Deutschland gegeben hatte, und der durch den Teufel hierher aus dem welschen Land gebracht worden sei, weil ein Kolbatzer Abt danach Verlangen hatte. Er ging mit dem Teufel eine Wette ein, die dieser zum Glück verlor, weil der Hahn früher als sonst den Morgen ankündigte. Aus Wut warf der Teufel die Fische in den Madüsee.

Während des Krieges gab es in den Villen des Madüsees Büros von Siemens und Halske. Die Firma hatte am 20. April 1944 ihre Büroräume in Stettin bei einem Bombenangriff verloren. Wir bewunderten im 1173 von den Zisterzienser Mönchen gegründeten Kloster im Mittelschiff die aus Backsteinen geformte Rose. Das Kloster war von großer Bedeutung für die Besiedlung des Weizackers.

Schloss Pansin

Zum Abschluss fuhren wir zum Dorf Pansin, 10 km östlich von Stargard. Das Dorf liegt im Tal am Zusammenfluss von Krampehl und der Gestohlenen Ihna. Das Schloss, heute Volkseigentum, gehörte einmal zu den schönsten Burgbauten Pommerns. Es wird denkmalpflegerisch betreut. Ein Wächter erlaubte uns einen Rundgang. Die Burg wurde 1253 von den Tempelrittern errichtet. Weitere Besitzer waren die Johanniter, die von Güntersberg und von Borckes. Durch den 30jährigen Krieg verarmt, mussten die von Borckes den Besitz veräußern. Von 1662 – 1945 saßen die von Puttkamers in Pansin. Zum Gutsbetrieb gehörten 1002 ha Land.

Zwölf Tage waren wir im lieben Pommernland unterwegs gewesen. Die Rückreise von Stargard über Stettin, Angermünde, Berlin nach Braunschweig verlief ohne Probleme.


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