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2017 trat der Oppositionelle in einer freundschaftlichen Atmosphäre auf – 2021 kam es zu Protesten gegen seine Verhaftung
Der im berüchtigten Straflager Polarwolf im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen verstorbene Alexej Nawalnyj war ein Hoffnungsträger des demokratischen Russlands – er hatte auch in Königsberg viele Anhänger.
Nach dem Tod von Nawalnyj am 16. Februar legten auch viele Königsberger Bürger im Stadtzentrum auf dem Hansaplatz Blumen zum Gedenken an ihn nieder. Lange bevor die meisten Aktivisten eintrafen, erschienen sechs Polizisten sowie ein Informant in Zivil auf dem Platz, und ein Polizeiauto stand an der Kreuzung. Es kam jedoch zu keinen Festnahmen. Trotz des Regens nahmen etwa zwanzig Personen an der Aktion teil, darunter Studenten, die aus Nowosibirsk angereist waren. Die jungen Leute sagten, dass Nawalnyj für viele Menschen die Hoffnung auf einen Wandel in Russland verkörpert habe und dass sein Tod schwerwiegende Folgen haben werde.
„Nawalnyj war ein kluger Mann, der bei den jungen Leuten sehr beliebt war“, sagte die Aktivistin Ljudmila Zelinskaja. Sie war bei der Kundgebung 2017 dabeigewesen, als der Oppositionspolitiker in Königsberg war. „Ich bin auf den Platz gekommen, weil Nawalnyj gestern getötet wurde. Ein Held ist gestorben“, sagte Pjotr Sujew, ein Veteran der Königsberger Opposition.
Zuvor, am Abend des 16. Februar, hatten Einwohner der Stadt auf demselben Platz eine spontane Gedenkfeier abgehalten, Blumensträuße mitgebracht und Kerzen angezündet. Die Blumen wurden von der Polizei schnell entfernt, so Königsberger Bürger gegenüber „Activatika“, einer Online-Plattform der Aktivisten, die sie über Demonstrationen und Aktionen aufklärt. Auch am Zaun des Kultur- und Geschäftszentrums der Russlanddeutschen, in dessen Hof sich ein Denkmal für die „Schnitter der Repression“ befindet, wurden Blumen angebracht. Die Blumensträuße wurden jedoch bald wieder entfernt - wahrscheinlich durch den Sicherheitsdienst des Zentrums.
Am 23. Januar 2021 hatten in ganz Russland Aktionen zur Unterstützung von Nawalnyj stattgefunden, der nach seiner Rückkehr nach Russland verhaftet worden war. Auch 3000 Einwohner Königsbergs gingen damals trotz des strömenden Regens und trotz Corona auf die Straßen und forderten die Freilassung des Oppositionspolitikers. Es gab ein Dutzend Verhaftungen, aber keine Gewaltexzesse der Ordnungskräfte wie in anderen Städten Russlands.
Nawalnyj war nur ein einziges Mal zu einer Kundgebung in Königsberg, am Sonntag, dem 10. Dezember 2017. Damals hatten Anhänger des Oppositionellen einen Umzug durch das gesamte Stadtzentrum – von der Altstädtischen Langgasse [Moskowskij prospekt] bis zum Friedländer-Tor-Park [Juschnij Park], wo die Kundgebung stattfand, organisiert. Schon eine Stunde vor seiner Ankunft hatten sich viele Menschen auf dem Platz in der Nähe des Kaufhauses „Moskowskij“ versammelt. Die Polizisten versuchten, sich äußerst korrekt zu verhalten, und erklärten den Teilnehmern über ein Megafon, dass die Aktion an diesem Ort verboten sei, und dass sie sich an einen vereinbarten Ort begeben sollten. Als Nawalnyj pünktlich zum versprochenen Zeitpunkt ankam, begann er über das Wetter zur reden. „Wir gehen in den Juschnij-Park!“, sagte Nawalnyj, und die Menge setzte sich in Bewegung. Die Teilnehmer der Versammlung waren Menschen unterschiedlichen Alters, von Schulkindern bis zu Rentnern, aber die große Mehrheit waren junge Menschen unter 25 Jahren.
Die Prozession begann mit einigen Hundert Teilnehmern, aber am Endpunkt der Route waren es mehr als tausend Menschen. Während des Massenmarsches fragte Nawalnyj, ob Kant hier begraben sei. Er gab zu, dass die Stadt „cool“ sei und dass er schon einmal in Königsberg und Palmnicken gewesen sei.
Der Platz reichte nicht für alle aus
Im Friedländer-Tor-Park warteten eine Bühne und ein eingezäunter Bereich auf die Teilnehmer. Polizeibeamte standen an der Absperrung, sie baten darum, die Metalldetektoren zu passieren und den Inhalt der Taschen vorzuzeigen. Doch der Platz reichte nicht für alle, und so drängten sich die Menschen von allen Seiten zur Bühne. Als Nawalnyj die Bühne betrat, waren schon 2000 Bürger anwesend, während die Königsberger Verwaltung nur 850 Personen zählte.
In seiner Rede sprach Nawalnyj über föderale Probleme, versuchte aber auch, seine Kenntnis der regionalen Agenda unter Beweis zu stellen. Er erinnerte insbesondere daran, dass die lokalen Behörden seit vielen Jahren nicht in der Lage waren, ein onkologisches Zentrum zu bauen, er zeigte auf, dass die Statistiken über die Durchschnittslöhne in der Region zu hoch angesetzt seien, und sprach über die Probleme im Gesundheitswesen und bei den Wohnungs- und Versorgungseinrichtungen.
Als mehrere Personen von außerhalb versuchten, den Politiker auszubuhen, bat er sie auf die Bühne, doch der Vorschlag blieb unbeachtet. Königsberg erlebte eine freundliche Kundgebung. Sogar die Polizisten zeigten freundliche Gesichter. „Die gefährlichste Person auf der Kundgebung bin ich, weil ich hinter Gittern bin, wie Sie sehen können!“, sagte Nawalnyj mit seinem typischen Humor, auf den Metall-zaun deutend, der die Menge von der Bühne trennte. Die Veranstaltung im Süd-Park dauerte etwa eineinhalb Stunden. Danach löste sie sich friedlich auf, und Nawalnyj arrangierte einen Fototermin mit allen Anwesenden, die es wollten. Es gab keine Zwischenfälle. Es war der letzte Auftritt Nawalnyjs in Königsberg.