14.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Der Wochenrückblick

Eine von euch

Wie der DGB mit Fahimi ein ausdrucksvolles Zeichen setzt, und wer dieses Jahr gegen wen feiert

Hans Heckel
14.05.2022

Traurig ist das schon, und es gibt auch schwer zu denken: Von fast zwölf Millionen Mitgliedern im Jahre 1991 sind den Gewerkschaften des DGB zuletzt nur noch 5,7 Millionen geblieben – weniger als die Hälfte. Das, obwohl die Zahl der Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum von rund 39 Millionen auf beinahe 45 Millionen angestiegen ist.

Was läuft da nur schief? Da hat wohl eine Entfremdung stattgefunden, räumen selbst Gewerkschafter ein. Die professionellen Arbeitnehmervertreter kommen an die große Mehrheit der vielen kleinen Arbeiter und Angestellten einfach nicht mehr ran.

Das darf natürlich nicht so bleiben. Daher will der DGB in die Offensive gehen und zeigen, dass er Schulter an Schulter steht mit den vielen Fleißigen und Unterbezahlten. Um seine Nähe zur realen, harten Arbeitswelt zu demonstrieren, hat der Gewerkschaftsbund mit der Wahl seiner neuen Vorsitzenden diese Woche ein machtvolles Zeichen gesetzt: Wir sind welche von euch! Wir kennen eure Sorgen, denn es sind auch unsere Sorgen!

Yasmin Fahimi heißt die neue Chefin, und ihr Lebenslauf macht jedem Stahl-Malocher, Brummifahrer oder Paketzusteller deutlich, wie sehr die Gewerkschaftsführung Fleisch vom Fleische ihrer Basis ist. Fahimi ging gleich nach dem Studium als wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Stiftung Arbeit und Umwelt der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Im Anschluss machte sie eine Ausbildung zur Gewerkschaftssekretärin – und wurde das dann auch. Im Apparat der IG BCE stieg sie schnell auf.

Dann wechselte sie 2014 auf den Posten der SPD-Generalsekretärin. Danach wurde sie 2016 kurz Staatssekretärin unter Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, bis sie 2017 endlich, nach einem gescheiterten Versuch Jahre zuvor, ein Bundestagsmandat ergatterte, das sie bis heute halten konnte und nun, nach ihrer Wahl zur Spitzengewerkschafterin, aber niederlegen wird.

Ja, ja, ich höre schon das Gemotze: Die hat ja nicht mal einen einzigen Tag im normalen Berufsleben verbracht! Hat sich das ganze Leben nach dem Studium in irgendwelchen Funktionärsapparaten verschanzt, weit weg von den gewöhnlichen Arbeitnehmern! Nun, in gewisser Hinsicht stimmt das ja auch, aber wir können sicher sein, dass Fahimi sich das normale Arbeitsleben immer sehr genau von oben angeguckt hat. Daher ist sie mit den Nöten der Stahl-Malocher, Brummifahrer oder Paketzusteller engstens vertraut.

Oder auch nicht – wen interessiert's? Nicht viele: Wenn überhaupt einmal leise Kritik an Fahimis Wahl aufkommt, dann eher an der Tatsache, dass mit ihr schon wieder ein SPD-Funktionär an die DGB-Spitze gerückt ist, wie bei allen ihren acht Vorgängern. Ja, das ist in der Tat ein bisschen einseitig. Aber hier zeichnet sich an der unteren Funktionärsebene euphorischen Meldungen zufolge bereits ein erfreulicher Trend zu mehr weltanschaulicher Vielfalt ab. Es wird richtig bunt: Junge Gewerkschafter fühlen sich nämlich zunehmend zu den Grünen hingezogen, hört man aus gut informierten Kreisen. Na also, das Meinungsspektrum im DGB weitet sich dramatisch! Von links bis irgendwie ... auch links.

Musk: Vom Helden zum Unhold

Mit den Grünen greift eine politische Bewegung nach mehr Einfluss in den Gewerkschaften, bei der es viele gibt, die offen sagen, dass Strom, Heizen und Tanken immer noch viel zu billig seien. Und Lebensmittel sowieso. Wenn dem Paketboten diese Preissteigerungen nicht passen, zeigt das nur, dass er die wahren Probleme nicht verstanden hat. Wie zum Beweis für seine Ignoranz haben wir den Bengel ja auch noch nie im hippen Bioladen einkaufen sehen, was ja wohl sichtbar macht, dass es mit seinem Verantwortungsgefühl für unseren Planeten nicht weit her sein kann. Ergo darf man ihn getrost ignorieren.

Dass ein Meinungsspektrum von ganz links bis auch links völlig ausreichend ist, darin sind sich viele Leute in unserem Land einig – und sie dulden keinen Widerspruch. Wenn sich ein solcher Widerspruch auch nur abzeichnet, können sie richtig kiebig werden. In dem Furor werden selbst die Helden von gestern zu den größten Unholden von heute. Erinnern Sie sich, wie Elon Musk wegen seiner E-Autos einst gefeiert wurde? Damit ist es so was von vorbei, seit der Multi-Unternehmer Twitter kaufen und zu einem Forum der „Meinungsfreiheit“ ausbauen will.

Seitdem bezieht er die gleichen Prügel, welche schon die ersten Liberalen vor zwei Jahrhunderten einstecken mussten. Ihnen wurde damals vorgehalten, dass ihr Kampf für die Freiheit der Meinung nur dazu diene, die Gotteslästerer, Majestätsbeleidiger und Umstürzler von der Leine zu lassen. Was wiederum beweise, dass die vermeintlichen Liberalen selbst nichts anders als Gotteslästerer, Majestätsbeleidiger und Umstürzler seien.

Der „Spiegel“ belehrt uns, wie die politischen Lager „rechts“ und „links“ gestrickt sind: „Die eine Seite lügt, betrügt, hetzt und manipuliert – die andere Seite tut das nicht oder zumindest weit seltener.“ Die Welt kann so einfach sein. Und da sie das ist, fällt auch das Urteil nicht schwer: Musk ist das Böse, weil er „unerträglich optimistisch“ sei, sich als „Impfskeptiker“ hervorgetan habe und nun das Twitter-Portal öffnen will für Leute, die „polarisieren“ und „Streit“ anfangen. So ein Forum müsse verantwortungsvoll „moderiert“ werden, fordert das Hamburger Magazin – sicherlich von links natürlich.

Ach, wenn die braven Geheimpolizisten des Fürsten Metternich das Wort „moderieren“ verwendet hätten, statt die hässliche Vokabel „Zensur“ zu benutzen! Sie ständen heute nicht als reaktionäre Demokraten-Verfolger da, sondern als edle Gemüter, die das arglose Volk nur vor den „toxischen“ („Spiegel“) Einreden regierungskritischer „Hetzer“ beschützen wollten.

Damals, in den „Vormärz“ genannten Jahrzehnten zwischen den Befreiungskriegen und der 1848er Revolution, war der „Demagoge“ das Etikett des Bösewichts. Heute nennt man ihn wahlweise Hetzer, Hasser oder auch gleich Nazi. Am 8. und 9. Mai feiert die halbe Welt den Sieg über die echten Nazis, so auch dieses Jahr. Wobei „auch“ 2022 nur noch schwer über die Lippen geht, denn nun war auf einmal alles anders als bisher. In diesem Jahr feierte nämlich jeder gegen jeden statt gemeinsam.

In Moskau feierten sie gegen die „Nazis“ in Kiew und deren Freunde im Westen, im Westen zelebrierte man gegen den „neuen Hitler“ im Kreml an. Alle riefen „Nie wieder!“ und meinten das genaue Gegenteil dessen, was der andere gerade im Kopf hatte. Somit kann „Nazi“ mittlerweile so ziemlich alles heißen – mit anderen Worten: also nichts mehr. Und wozu benutzt man den Ausdruck dann überhaupt noch? Vielleicht, weil man dahinter Absichten verbergen kann, die nicht ganz so stubenrein sind. Als Täuschkulisse ist „Nazi“ demnach immer noch gut zu gebrauchen. Nur als Aussage hat das Wort leider endgültig die letzte Schwundstufe vor der völligen Bedeutungslosigkeit erreicht.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Michael Holz am 17.05.22, 21:40 Uhr

Herr Heckel, ich kenne das aus eigener Jugenderfahrung und diese ist schon ein halbes Jahrhundert alt. Nur, die Gewerkschaft, in der ich gepresst wurde, hatte ein F vor dem DGB und sollte die Freiheit dieses Vereins andeuten. Geführt wurde dieser FDGB von Kommunisten der SED wie der heutige BGB von den Kommunisten der SPD geführt wird. Was hat sich geändert? Nichts! Nach dem leninschen Prinzip sollen die Bildung, die Presse und die Gewerkschaften immer in den Händen der "Arbeiterklasse" sein. Sie, die Weltverbesserer haben sich immer daran gehalten und das Leben der einfachen Arb... , äh Bonzen einfacher gemacht. Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht, ...

Ulrich Zischewski am 17.05.22, 06:33 Uhr

der beste Satz im Artikel: Ja, ja, ich höre schon das Gemotze: Die hat ja nicht mal einen einzigen Tag im normalen Berufsleben verbracht! Hat sich das ganze Leben nach dem Studium in irgendwelchen Funktionärsapparaten verschanzt, weit weg von den gewöhnlichen Arbeitnehmern! Nun, in gewisser Hinsicht stimmt das ja auch, aber wir können sicher sein, dass Fahimi sich das normale Arbeitsleben immer sehr genau von oben angeguckt hat. Daher ist sie mit den Nöten der Stahl-Malocher, Brummifahrer oder Paketzusteller engstens vertraut.
Im übrigen habe ich vor ca. 50 Jahren schon die demokatische Einstellung der IGMfuitzis als mitglied der Ortsverwaltung bei der Wahl eines Bevollmächtigten erleben dürfen der der bessere - aber leider CDUmitglied- erlebte einen "Schauprozess" ala Freisler es war widerlich... war auch nicht mehr lange bei dem Verein

sitra achra am 16.05.22, 11:51 Uhr

Hoffentlich wird die linke Blase bald endgültig physisch beseitigt. So kann es wirklich nicht weitergehen. Da wird ja der Affe auf der Pfanne verrückt!
In Abwandlung von Wellingtons Spruch sollte es heißen: Ich wollte es wäre Nacht oder die Russen kämen (als Vollstrecker).

Edelbert Hackenberg am 14.05.22, 17:41 Uhr

Der Artikel gefällt mir obwohl ich mit 80 immer noch ein "linker Vogel" bin. Das aktuelle Demokratie System in allen seinen Auswechseln hat abgewirtschaftet. Die BRD gehoert aufgelöst, alle bisherigen Besitzstaende auf Null gestellt und die Republik neu gegruendet im Rahmen einer Volksabstimmung. Utopie - nee, oder soll Ami, Russe oder Chinese das Land uebernehmen?

Chris Benthe am 14.05.22, 08:21 Uhr

Wieder einmal ins Schwarze getroffen ! Lasse ich genussvoll und unkommentiert so stehen ! Danke, Herr Heckel !

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS