07.02.2025

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Einst der Längste auf den Straßenbahnschienen von Stettin: Der Bremer Wagen  Nr. 144, ein Original aus dem Stettiner Museum für Technik und Kommunikation
Foto: SeegertEinst der Längste auf den Straßenbahnschienen von Stettin: Der Bremer Wagen Nr. 144, ein Original aus dem Stettiner Museum für Technik und Kommunikation

Verkehr

Einst auf Stettins Straßen unterwegs

Nostalgisch mutet der historische Straßenbahnwagen an – Er zeugt von einer längst vergangenen Zeit

Torsten Seegert
02.02.2025

Mit der Straßenbahn durch Stettin? Das ist seit 1879 möglich. Doch um zu verstehen, warum diese ein wichtiger Teil des Personennahverkehrs wurde, ist ein Blick in die vorangegangene Bevölkerungsentwicklung nötig: Hatte Stettin bis 1848 nur etwa 44.500 Einwohner gezählt, so war die Stadt mit der Schleifung seiner Festungsanlagen in den 1870ern geradezu entfesselt worden:

So begann eine Ausdehnung nach Westen, wodurch beispielsweise Stadtteile wie Grünhof oder das Westend entstanden. Und: Der Zuzug von Bürgern aus dem Umland steigerte die Einwohnerzahl bis 1885 auf 100.000 und erreichte – mit der Eingemeindung der Vororte Grabow, Bredow und Nemitz sowie der Entwicklung der östlichen Oderseite – bereits 1900 die Zahl 200.000.

Der wirtschaftlicher Aufschwung als Industrie- und Hafenstadt machte es zu jener Zeit notwendig, sich Gedanken über den Personennahverkehr zu machen, auch weil sich die Geschäfts- und Wohnviertel immer weiter auseinanderent­wickelten. Nachdem die Eisenbahn sich für den Fernverkehr bewährt hatte, sollte nun also die Straßenbahn den Nahverkehr besorgen.

Mit dem Beschluss zur Schleifung der bereits erwähnten Festungsanlagen erhielt der Ingenieur Johannes Büsing von der Königlichen Polizeidirektion Stettin die Konzession zum Bau einer Pferde-Straßenbahn. Geplant waren zunächst vier Linien. Und diesen folgten Erweiterungen und Ausbau. Eines der Probleme dabei: die unterschiedliche Höhenlage von Stadt und Oderufer.

Fortschrittlicher Ausbau
Dieser Geländeabfall zum Bahnhof und Oderufer, deren Überwindung durch Pferdekraft für erhöhten Aufwand sorgte, bedingte, dass sich die Straßenbahngesellschaft unter Direktor Albert Klitzing schon bald entschloss, dem Beispiel anderer Städte zu folgen und die Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft (AEG) mit der Elektrifizierung und dem Ausbau der Straßenbahn beauftragte. Gleisbett und Schienenstränge mussten erneuert, Fahrleitungen neu installiert werden. Nun wurden allerdings alle Hauptlinien mit zwei Gleisen sowie Nebenlinien mit Gleisen zum Ausweichen ausgestattet. Auch wurden ein Fünf-Minuten-Takt und drei Tarifstufen (10, 15 und 20 Pfennige) eingeführt. Betrug das Streckennetz 1897 noch 18,62 Kilometer, so wurde dieses bis 1930 auf 106,88 Kilometer ausgebaut.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gab es auch technische Neuerungen. So wurden 1925 die den Alltag dominierenden Wagen mit offenen Plattformen durch moderne und elegantere Triebwagen ersetzt. Alle Züge erhielten zudem elektrische Durchgangsbremsen. Ab 1927 wurden die Rollen-Stromannehmer der Triebwagen durch Schleifbügel innerhalb von sieben Monaten ersetzt.

Doch natürlich gab es auch Rückschläge: beispielsweise der Kurzschluss und eine damit verbundene Explosion im Winter 1928/1929. Der gesamte Fahrbetrieb kam kurzzeitig zum Erliegen. Oder das schwere Unglück im Frühjahr 1930, bei dem ein Beiwagen auf einer abschüssigen Kurve der Linie 6 (Kochstraße–Blumenstraße) entgleiste und zwei Todesopfer zu beklagen waren.

Die 1930er Jahre waren von Umstrukturierungen geprägt. Mehrere Unternehmen wie die Stettiner Elektrizitätswerke AG oder die Stettiner Straßen-Eisenbahn AG wurden zugunsten der Stettiner Stadtwerke GmbH aufgelöst. 1939 löste der moderne Betriebshof Westend auch die Betriebshöfe Oberwiek, Frauendorf, Nemitz und Roonstraße ab.

Stettin war nun bereits zu einer Metropole mit 350.000 Einwohnern angewachsen. Das Hauptverkehrsmittel wurde während des Zweiten Weltkrieges, als der Personenkraftverkehr längst zum Erliegen gekommen war, die Straßenbahn. Die Herausforderungen waren, den Betrieb aufrechtzuerhalten trotz nötiger Verdunklungen und das Fahren mit Scheinwerfern, die Abblendkappen trugen.

Zerstörung durch Bomben
Es folgten der nächtliche Bombenangriff vom 6. Januar und jener vom 17. August 1944, bei dem die Altstadt an der Oder zwischen der Baum- und der Hansabrücke total zerstört wurde und für jeden Verkehr unpassierbar geworden war. Ein weiterer Bombenangriff in der Nacht des 30. August 1944 forderte über 1000 Tote und 60.000 Obdachlose.

Nachdem Ende April 1945 die Straßenbahner ihren Weg in den Westen antreten mussten und in Kenz bei Barth strandeten, erfolgte im Mai 1945 der Rücktransport nach Stettin, um die Wasser- und Elektroversorgung in der Stadt wieder aufzubauen. Bis 1948 konnten wieder sieben Linien in Betrieb genommen werden.

Auch heute fahren noch Straßenbahnen durch Stettin, seit 1986 sogar auf zwölf Streckenlinien. Einige Strecken wurden nicht wieder in Betrieb genommen, andere neu gebaut. Die Streckenlänge beträgt heute insgesamt 65,5 Kilometer. In der Weihnachtszeit 2024 wurden die Wagen der Linie 7 weihnachtlich beleuchtet.

Etwas abseits von den üblichen touristischen Strömen liegt das Stettiner Museum für Technik und Kommunikation in einem ehemaligen Straßenbahndepot, in dem der historische Bremer Wagen zu besichtigen ist. Auch Liebhaber der Stoewer Automobile und weiterer technischer Fortbewegungsmittel, Nähmaschinen und Schreibmaschinen werden hier auf ihre Kosten kommen.

de.muzeumtechniki.eu 


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