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Emsiger Sachse an der Spitze der Staatsbauverwaltung

Diverse öffentliche Bauten in Mecklenburg stammen von dem vor 150 Jahren bei Leipzig geborenen Architekten Paul Ehmig

Martin Stolzenau
02.09.2024

Paul Ehmig wurde am 30. August 1874 in Reudnitz bei Leipzig geboren. Als Mutter ist Margarete Albertine Fränkel überliefert, eine Tochter von Albert Fränkel, einem Berliner Schutzjuden, der mit seiner Familie vom Judentum zum Protestantismus konvertiert war. Ehmigs Vater Max Adelbert Ehmig war Steinmetzmeister, leitete einen entsprechenden Handwerksbetrieb in dritter Generation und orientierte seinen Sohn schon frühzeitig auf die Nachfolge.

Doch der hatte andere Vorstellungen von seiner Berufslaufbahn. Er besuchte in Leipzig das Realgymnasium und setzte sich anschließend mit seinem Wunsch durch, an der Technischen Universität in Dresden „Hochbau“ zu studieren. Dabei erschloss er sich die Neuerungen der Städtebaukunst. Zusätzlich bildete er sich autodidaktisch weiter. Nach dem Studium blieb der junge Ehmig in seiner Berufsausrichtung eisern. Er wollte städtischer Baubeamter werden. Der Vater aber verlangte von ihm die Nachfolge im Familienbetrieb. So kam es zum Bruch zwischen beiden.

Ehmig absolvierte ab dem 14. September 1898 den Vorbereitungsdienst für die Bestallung als Regierungsbauführer im Landbauamt Dresden I und war an der Bauleitung für die Dresdner Justizgebäude beteiligt. 1903 heiratete er die Tochter des Geheimen Oberbaurates Carl Hermann Andrae. Im darauffolgenden Jahr sollte er ins Landbauamt nach Zwickau versetzt werden. Das allerdings behagte ihm nicht. Deshalb nahm er ein Angebot aus Rostock an.

Dort begann Ehmig im Januar 1905 als Stadtbaumeister für die ländlichen Bauten. Selbständig leitete er das entsprechende Landbaubüro. Neben der Erfüllung der amtsbezogenen Baupflichten konnte er sich auch in Sonderaufgaben bewähren. Mit seinen ländlichen Arbeiterwohnbauten in der Putzbautradition des 18. Jahrhunderts „mit neuen Ausdrucksformen“ sorgte der Architekt für Aufsehen. Er entwickelte den Bebauungsplan für Warnemünde-Diedrichshagen. Beim Neubau der Rostocker Feuerwache glänzte er ebenso wie bei der Errichtung des neuen Friedhofes in Rostock-Damerow. Er war nun in aller Munde. Rostocks Bürgervertretung berief ihn 1907 zum Senator auf Lebenszeit sowie zum Präses des Stadtbauamtes und damit zum Chef des städtischen Hoch- und Ingenieurbauwesens.

Nun legte er so richtig los. Er sorgte für die Ratsverordnung zur Bewahrung und stilechten Ergänzung der historischen Häuserfronten des Neuen Marktes in der Hansestadt, setzte mit dem „Alexandrahaus“ in Warnemünde sowie der Hypotheken- und Wechselbank-Filiale am Neuen Markt in Rostock für architektonische Hingucker und baute als privater Architekt in Rostock, Warnemünde, Schwaan sowie auf Hiddensee interessante Stadt- und Landhäuser.

Die großherzögliche Regierung wurde auf ihn aufmerksam. Sie holte ihn in die Hauptstadt, und am 1. Oktober 1908 wurde er Großherzoglich Mecklenburgischer Baudirektor und Chef der Staatsbauverwaltung. Sein Archivbau in Schwerin begeisterte nicht nur den Großherzog. Er gilt bis heute als ein bedeutendes Zeugnis der Baukunst. Als zweiten monumentalen Staatsbau lieferte er das Justizgebäude, das ebenfalls städtebauliche Akzente setzte und ihn deutschlandweit berühmt machte. Fast nebenbei schuf er für seine Familie im Schweriner Schlossgarten sein „Seehaus“ und für den befreundeten Maler Friedrich Wachenhusen ein „Wunschhaus“.

Nach der Novemberrevolution blieb Ehmig der oberste Baubeamte in Mecklenburg. Er strukturierte das gesamte Staatsbauwesen neu und erstellte die Planung für die Neugestaltung der durch einen Brand zerstörten Innenräume des Schweriner Schlosses. Nach langjähriger Arbeit schloss er sein dreibändiges Werk „Das deutsche Haus“ ab, wofür ihm die Technische Hochschule Hannover 1920 die Ehrendoktorwürde verlieh. Dazu kamen weitere Ehrungen wie die Berufung in die 1922 gegründete Freie Akademie des Städtebaus, die heutige Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL). Ehmig war auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Da nahm er 1928 „aus gegebener dienstlicher, nicht persönlicher Veranlassung“ seinen Abschied aus dem Dienst und ging in den Ruhestand. Einerseits kam es damals zu einer drastischen Reduzierung der Baumaßnahmen. Andererseits wollte der Mecklenburger Stararchitekt mehr Zeit für die Schriftstellerei haben.

Ehmig schriftstellerte in den Folgejahren. Er verfasste „Selbstbiographisches“, die Sammlung „Gespräche mit Dir“, die „Bekenntnisse eines Wanderers“, zahlreiche Gedichte und das Mysterienspiel „Deutsches Morgenrot“.

Obwohl er zu den Nationalsozialisten auf Distanz ging und jüdische Wurzeln hatte, bemühte er sich 1934 angesichts des neuen Baubooms in völliger Verkennung der Machtverhältnisse um seine Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Er tat das naheliegenderweise vergeblich und fiel aus allen Wolken in die Realität. Es kam noch ärger für ihn und seine Familie. 1936 musste er sein „Seehaus“ unter Wert verkaufen und ausziehen. Das ließ ihn resignieren. Am 12. August 1938 wählte Ehmig den Freitod. Da war er 63 Jahre alt. Ein Verlust für Mecklenburg. Neben seinem Lebenswerk und seiner Witwe hinterließ er vier Kinder.


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