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Schluss mit der Aufmüpfigkeit der Völker: Nach dem Brexit wird aufgeräumt in der EU
Das passiert uns kein zweites Mal, sowas wie das mit den Briten. Der einflussreiche EU-Parlamentarier Guy Verhofstadt hat die Faxen dicke. Im Internet fordert der streitbare Belgier: „Wir müssen eine Lehre daraus ziehen, nämlich die Union tiefgreifend zu reformieren. Um sie zu einer wirklichen Union zu machen ... ohne Rabatte, ohne Ausnahmen. Nur dann können wir unsere Interessen und unsere Werte verteidigen.“
„Wirkliche Union“ heißt in Verhofstadts Anschauung letztlich, dass auch kein Mitgliedstaat mehr austreten darf. Er ist nämlich ein „Europäischer Föderalist“. „Föderalismus“ bedeutet hier, dass die EU vom Staatenbund (mit Austrittsmöglichkeit) zum Bundesstaat (ohne Austrittsmöglichkeit) umgemodelt wird. Was soll man auch machen? Wenn noch weitere Mitglieder der EU abzuhauen drohen, müssen wir dagegen eine undurchlässige Sperre errichten, durch die keiner mehr hindurchflutschen kann. Da hat Verhofstadt völlig recht. Nur sollte man diese „tiefgreifende Reform“ nicht so offen vorher ankündigen, sonst nutzen ein paar unsichere Kantonisten noch die Möglichkeit, sich in letzter Sekunde davonzuschleichen.
Ein Austrittsverbot muss daher wie eine geheime Kommandosache durchgezogen werden, also ohne, dass jemand vorher Wind davon bekommt – am besten über Nacht. Wir empfehlen die Nacht vom 12. auf den 13. August. Das Datum hat sich nach deutschem Ermessen für derlei Aktionen bestens bewährt.
Was Sie jetzt sicher nicht sofort erraten hätten: Verhofstadt ist Mitglied der „liberalen“ ALDE-Faktion im EU-Parlament, der auch unsere FDP angehört. Bis 2019 war er sogar deren Chef. Es handelt sich bei dem Mann also nicht um einen verirrten Außenseiter. Verblüffend, in welche Richtungen man den Liberalismus, der eigentlich die Weltanschauung der freiheitlich Gesinnten sein sollte, alles weiterentwickeln kann. Aber auch darin sind wir Deutsche unseren westeuropäischen Freunden einen Erfahrungsschritt voraus, seit wir die LDPD der DDR kennengelernt haben.
So ist des Rätsels Lösung, was das für ein „Liberalismus“ sein soll, den Verhofstadt da vertritt, viel näher, als man meinen mochte: Speerspitze der „Föderalisten“ ist die Spinelli-Gruppe, die einen Bundesstaat anstrebt, in den alle bislang formell noch souveränen Mitgliedstaaten unentrinnbar einbetoniert werden sollen. Die Gruppe wurde von Altiero Spinelli ins Leben gerufen. Der 1986 verstorbene Politiker war ein prominentes Mitglied der Partei der italienischen – Na, raten Sie mal! – Kommunisten. Von deutscher Seite sind als prominenteste Köpfe Elmar Brok von der CDU, Gesine Schwan von der SPD sowie Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer von den Grünen bei der Spinelli-Gruppe aktiv.
Wir zittern ein bisschen. Basteln da schon wieder irgendwelche Gestalten an einem europäischen Großreich, das alle Völker, die nicht bei drei auf dem Brexit sind, an die Kette legen will? Hatten wir sowas nicht schon zur Genüge in diversen finsteren Vergangenheiten, die teilweise erst eine Generation her sind?
Na, na, der Vergleich verbietet sich. Historische Vergleiche mit düsteren Zeiten sind nur angezeigt, wenn sie in die gewünschte Richtung zielen. Etwa, wenn es darum geht, „Rechte“ an den Pranger zu stellen. In dem Falle sind sie selbst dann geboten, wenn sie katastrophal in die Hose gehen, weil die hehre Absicht gepaart daherkommt mit schreiender Unkenntnis der Geschichte.
Derzeit tourt die Bühnen-Show „Berlin, Berlin“ durch Deutschland. Dort werden die „Goldenen 20er“ abgefeiert. In der Show, so lesen wir, beschreibt der Regisseur, wie „aus der Asche des Trümmerfelds“, das Berlin nach dem Ersten Weltkrieg gewesen sei, „innerhalb kürzester Zeit ein Magnet für die Welt wird“. Zurzeit sei Berlin auch wieder ein Magnet für „junge Leute aus aller Welt“, bunt eben. Doch heute entwickle sich manches auch wieder leider „so wie vor 100 Jahren“. Gemeint ist der Aufstieg der Nazis damals, vor dem man heute wieder warnen muss, weshalb man sich gegen leichte Unterhaltung entschieden habe und für „Unterhaltung mit Haltung“. Aha, damals die Nazis, heute ... na, wer wohl?
Das muss echte Kunst sein, wenn man sich soweit von jeder Wirklichkeit entfernt und trotzdem noch meint, eine politische Botschaft für Erwachsene im Gepäck zu haben. Berlin, das „Trümmerfeld“ nach dem Ersten Weltkrieg? Da haben die Macher augenscheinlich den Ersten mit dem Zweiten Weltkrieg verwechselt. Folgefalsch sprechen sie dann auch vom „Wiederaufbau“ der Metropole, um uns dann zu sagen, dass die Stadt im Grunde damals schon so multikulti gewesen sei wie heute. Berlin in den 1920ern war also geprägt von Kiezen, in denen Deutsche nur noch eine kleine Minderheit stellten und von Araber-Clans in ihren „No-Go-Gebieten“. Alles ganz toll, bis die Nazis kamen und die Party brutal gesprengt haben. Wie heute eben, deshalb zeigen wir „Haltung“.
Da haben Leute aus der Geschichte gelernt, die von Geschichte nicht den blassesten Schimmer haben. Die Qualität ihrer Schlussfolgerungen entspricht ihrem Kenntnisstand. Macht aber nichts, die Richtung stimmt ja, und das allein zählt.
Wir in Deutschland sind stolz darauf, wie gründlich wir die richtige Richtung selbst in den letzten Winkeln des gesellschaftlichen Lebens durchgedrückt haben, bis sogar eine Show über die 1920er Jahre im Geschirr der Gegenwartspolitik ackert. Das ist längst nicht selbstverständlich in Europa. In etlichen EU-Ländern erheben sich immer noch kritische Stimmen, was Verhofstadts Vision von einer betonierten EU-Föderation ohne Fluchtmöglichkeiten so bestechend attraktiv macht. Denn dann hat man sie alle an der Kandare, auch die Widerborstigen.
Angela Merkel musste da gerade ganz schön was durchmachen, als Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sie in Berlin heimsuchte. Auch Wien wolle „Klimapolitik“ betreiben, flötete Kurz, um hinterhältig anzufügen: „Natürlich nicht auf Kosten der Steuerzahler und der Wirtschaft.“ Das war derart fies, dass Merkel schon mit ihrem Papierstapel auf den Tisch klopfte, als wolle sie jetzt sofort gehen. Kurz weiß schließlich, dass die Bundesregierung genau das gerade in großem Stil betreibt: „Klimapolitik“ auf Kosten der Steuerzahler und der Wirtschaft.
Gegen die Berliner und Pariser Idee einer Aktiensteuer, die fast nur Kleinsparer treffen soll, hat Kurz auch geätzt. Das konnte Merkel gar nicht verstehen: „In einer öffentlichen Diskussion sind immer alle dafür.“ Klar: Bei „öffentlichen Diskussionen“ in Deutschland wird mittlerweile peinlich darauf geachtet, wer da die „Öffentlichkeit“ spielen darf und wer nicht. Wir haben unseren Laden nämlich im Griff, Herr Kurz! Aber warten Sie nur ab: Sobald Verhofstadts „wirkliche Union“ Wirklichkeit ist, wird auch in Österreich und Co. aufgeräumt. Denn dann kann, wie gesagt, ja keiner mehr entwischen. Zumindest solange nicht, bis auf den 13. August abermals ein 9. November folgt, was keineswegs nochmal 28 Jahre dauern muss.