10.11.2025

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Dichter-Ehrung

Ernst Moritz Arndts Zeit in Bonn

Wenn Heimat verbindet: Zwei Pommern fanden im Rheinland in tiefer Freundschaft zusammen

Torsten Seegert
10.11.2025

Vielen ist der Kösliner Journalist Hermann Grieben sicher nicht mehr bekannt. Doch ihn, der 1850 Redakteur der Stettiner „Ostsee-Zeitung“ war und ab 1853 für die „Pommersche Zeitung“ arbeitete, verband eine Freundschaft mit dem Rüganer Ernst Moritz Arndt (1769–1860). Reichte sein Wissen um Arndts Schriften bis in die Jugend zurück, so besuchte er ihn ab 1854 in Bonn mehrfach persönlich.

Ausgestattet mit „Gruß und Handschlag“ durch Bürgermeister Braun, der 1848 als „Abgeordneter aus Hinterpommern“ die Seinen in der Frankfurter Paulskirche vertrat, empfing ihn „Vater Arndt“ in seinem Baumgarten als „lieben pommerschen Landsmann“. Dass viele seiner pommerschen Freunde bereits tot waren, kommentierte er knapp: „Ja, und ich stehe schon in meinem fünfundachzigsten, ich überlebe sie alle.“

Grieben, der begeistert Arndts Buch „Wanderungen aus und um Godesberg“ gelesen hatte, war bei seiner Reise durch das Rheinland vor allem auf das Ahrtal gespannt. Arndt bestärkte ihn dabei und meinte: „ ... das müssen sie sehen, das ist ein großer reicher Paradiesgarten Gottes.“ Auch wenn dieser erste zehnminütige Besuch des pommerschen Journalisten bei Arndt in Westdeutschland von kurzer Dauer war, so sollten doch weitere folgen.

Heute kaum vorstellbar: Als im Oktober 1856 die Greifswalder Universität ihr 400. Gründungsjubiläum begehen wollte, lud sie auch Arndt ein. Altersbedingt musste er diese Einladung zwar abschlägig beantworten, doch war er sehr angetan davon, dass er als Repräsentant der philosophischen Fakultät schon zu Lebzeiten seinen Platz auf dem Denkmal finden sollte. Er schrieb: „Ich habe nach dem Ruhm eines ehrlichen Mannes gestrebt. Will man durch das Denkmal in mir eine gewisse Beständigkeit und Festigkeit des Lebens ehren, was man den nordischen altsächsischen pommerschen Charakter nennt, so ist das eine Ehre, die ich mit Stolz annehme, mit dem Stolz ein Sohn Pommerns zu sein.“

Diese eher bescheidene, aber selbstbewusste Äußerung veranlasste den Journalisten Grieben in der „Pommerschen Zeitung“ eine ausführliche Beschreibung von Arndts Leben und einen Bericht der Jubiläumsfeier der Universität, bei der auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zugegen war, zu veröffentlichen und diese im Anschluss an Arndt nach Bonn am Rhein zu senden.

Grieben, der 1858 zu einem Ausflug auf die Insel Rügen aufbrach, äußerte zu einem Wanderer, der ihn dabei auf den Rugard begleitete, dass, wenn dereinst Arndt ein Denkmal gesetzt werden würde, es dort seinen Platz finden solle. Auch wenn er die Vorstellung hatte, es könne wie das Hünengrab auf dem Dobberworth bei Sagard aussehen, so ist der nun auf dem Rugard befindliche Arndt-Turm sicher angemessen.

Mit dem Ruf Griebens in die Redaktion der „Kölnischen Zeitung“ sollte dann aus dem bereits bestehenden Briefkontakt des Kösliners zu Arndt eine noch engere Bindung zu dem Publizisten und seiner Familie werden. Dies ergab sich auch dadurch, dass der Sohn von Arndt, Roderich, einer von Griebens neuen Kollegen war – beide, Hermann und Roderich, verband zudem eine Verehrung des Dichters und Philosophen Dante.

„Willkommen, mein lieber Doctor, in meinem Hause! Sie bringen mir Grüße aus der Heimat, und das Beste, sich selbst. Roderich hat mir schon von Ihnen erzählt und ich habe sie längst erwartet!“ So herzlich wurde er nun wieder im Haus „Lülo“ in Bonn am Rhein von dem fast 90 Jahre alten Arndt in seiner lebhaften Weise mit seinen durchdringenden Augen begrüßt.

Zwei Pommern am Rhein
Nach einem kurzen Austausch zu Dichtung und Versmaß des Kösliners blieb Arndt in einem sprudelnden Redefluss, den zu unterbrechen es nicht lohnte. Und so kam er auch bald auf Griebens Herkunft – Köslin – zu sprechen und was Arndt damit verbinde: „Ich kenne die Stadt auch, aber bloß von weitem. Als ich von Schweden kam (1809), wanderte ich auf die Düne; da habe ich überm See den Gollenberg und überm Walde den Kirchturm gesehen. Das war Cöslin...“

Grieben staunte wegen Arndts Erinnerungskraft. Doch bevor er etwas sagen konnte, packte Arndt ihn am Arm, um ihn in den kleinen Hintergarten zu ziehen und ihm das schöne Siebengebirge zu weisen. Sie sprachen noch über Bürgermeister Braun und den Geschichtsschreiber der Befreiungskriege, Heinrich Beitzke – und schnell war die Zeit vorüber. Arndt nahm zum Abschied noch einmal beide Hände.

Das darauffolgende Treffen zwischen Grieben und Arndt wurde durch einen Todesfall im Umfeld Griebens überschattet. Arndt wusste wohl, wie ihm zumute war. Schließlich ertrank 1834 sein jüngster Sohn Wilibald im Rhein, und auf seinem Grab hatte er damals extra eine Eiche aus der Heimat, von der Insel Rügen, pflanzen lassen. Er, der zudem vieles kommen und gehen sah, sprach Grieben in dieser Situation wieder Mut zu: „Ich weiß, lieber Freund; aber Muth, Muth und immer den Kopf obenauf. Immer grad gestanden! So zwingt man auch den bittersten Schmerz.“

Es entwickelte sich eine echte Freundschaft und Verbundenheit zwischen Grieben und Arndt. Und nachdem Weihnachten 1859 der 90. Geburtstag von Arndt gefeiert wurde und Orden, Korrespondenz und Blumen das Haus „Lülo“ geflutet hatten, schaute auch Grieben am 30. Dezember beim Jubilar noch einmal rein, um mit einem stillen Händedruck zu übermitteln, was er selbst nicht in Worte kleiden konnte. Arndt darauf: „Man hat mich Überalten zu hoch gestellt, ich habe ja so viel Ehre und Glück nicht verdient.“

Grieben hatte ihn nicht mehr wiedergesehen. Am 29. Januar 1860 schlief der hochbetagte Pommer in der Mittagsstunde ein. Am 1. Februar nachmittags wurde Arndt – begleitet von unzähligen Trauernden, unter denen sich auch Grieben befand – zu Grabe getragen. Arndts selbstgedichtetes Grablied erklang. Dann fand er seine letzte Ruhe auf dem Alten Friedhof in Bonn unter der Eiche, die er 1834 selbst pflanzte – neben seinem Sohn Wilibald.

Bitter: Die heutige Universität Greifswald hieß einst Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Diesen Namen hat sie jedoch 2017 abgelegt.


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