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In den meisten Kitas der Bundesrepublik sind zu wenig Fachkräfte tätig
Der aktuelle Ländermonitor „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung zeichnet ein alarmierendes Bild. In deutschen Kitas sinkt bundesweit der Anteil pädagogisch ausgebildeter Kräfte. Das gilt vor allem für das Personal mit abgeschlossenem Fach- oder Hochschulstudium – etwa staatlich anerkannte Erzieher, Sozialpädagogen oder Kindheitspädagogen –, das als qualifiziertes Fachpersonal gilt. Fast ein Drittel der Einrichtungen beschäftigte zuletzt kaum mehr als die Hälfte solcher Fachkräfte. Im Vergleich zu 2017, als noch 41 Prozent der Teams überwiegend gut qualifiziert waren, liegt der Wert 2023 nur noch bei etwa 32 Prozent, Tendenz sinkend.
Als „pädagogisch qualifiziert“ zählt, wer einen fachlich einschlägigen Abschluss hat. Darunter fallen vor allem Erzieher sowie Fachschul- oder Hochschulabsolventen der Sozialpädagogik oder Kindheitspädagogik. Kinderpflegekräfte ohne Fachschulausbildung werden hingegen nicht als echte Fachkräfte gewertet. Die sogenannte Fachkraftquote gibt an, welcher Anteil des pädagogischen Personals die formale Ausbildung vorweisen kann. Sie ist ein zentraler Qualitätsindikator für Kitas, da höhere Qualifikation in Studien nachweislich mit besserer Betreuungs- und Bildungsqualität einhergeht.
Bayern ist ein Schlusslicht
Die Fachkraftquote unterscheidet sich dabei dramatisch zwischen Ost und West. In vielen ostdeutschen Bundesländern liegt der Anteil qualifizierter Kräfte noch bei über 80 Prozent – Spitzenreiter sind Thüringen und Brandenburg, wo nahezu neun von zehn Erziehern entsprechend ausgebildet sind. In den westlichen Ländern liegt die Quote dagegen deutlich niedriger. Der Bundesschnitt liegt bei etwa 72 Prozent, Bayern ist mit rund 54 Prozent am schwächsten. Dort arbeiten viele Kinderpflege- und Ergänzungskräfte ohne entsprechenden Abschluss, sodass dort nur 3,6 Prozent aller Kitas die empfohlene Quote von 82,5 Prozent Fachkräfte erreichen. Ein Drittel der bayerischen Einrichtungen hat nicht einmal zur Hälfte ausgebildetes Personal. Der Anteil solcher Spitzenteams ist in Sachsen etwas gestiegen, doch die meisten Länder zeigen sinkende Werte. Innerhalb der Länder gibt es ebenfalls große Unterschiede. In Stadt- und Landkreisen variieren Fachkraftquoten stark, Stichproben zeigen zum Beispiel im Landkreis Augsburg (Bayern) nur knapp 2,3 Prozent der Kitas mit hohem Fachkräfteanteil, während in thüringischen Kreisen fast alle Kitas eine gute Quote aufweisen.
Experten in der Politik führen den Trend auf den eklatanten Fachkräftemangel und den hohen Kostendruck in den Kommunen zurück. Weil Erzieher fehlen, werden zunehmend Quereinsteiger oder Personen ohne formalen pädagogischen Abschluss eingestellt, damit Kitas überhaupt offengehalten werden können. Dieses „De-Professionalisierung“ genannte Phänomen – also die dauerhafte Absenkung des Qualifikationsniveaus – ist laut Bertelsmann-Studie die Folge des Notstands. Die vorhandenen Fachkräfte sind stark belastet. Untersuchungen zeigen, dass fast die Hälfte täglich überlastet ist und viele kurz- bis mittelfristig sogar den Beruf wechseln wollen. Dies führt zu einer kritischen Abwärtsspirale.
Ruf nach Qualitätssicherung
Das schlechte Abschneiden Bayerns löste eine Debatte aus. Die Familienministerin des Freistaats, Ulrike Scharf (CSU), warnte, man würde Äpfel und Birnen vergleichen, da in Bayern traditionell viele Kinderpfleger und Ergänzungskräfte tätig seien, die in anderen Ländern nicht als Fachkräfte gelten. Dennoch bestätigen die Statistiken: Nach bundesdeutschem Maßstab hat keine Region so wenige pädagogisch ausgebildete Erzieher wie Bayern. Nordrhein-Westfalen liegt mit rund 74 Prozent im Mittelfeld, und Berlin erreicht lediglich etwa 35 Prozent der Einrichtungen mit sehr hohem Fachkräfteanteil. Die Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“ des Bundesfamilienministeriums hatte als Untergrenze für eine ausreichende Fachkraftversorgung eine Quote von 82,5 Prozent ins Spiel gebracht – ein Wert, den in Bayern die wenigsten Kitas erreichen.
Angesichts dieser Daten schlagen Gewerkschaften und Fachverbände nun Alarm. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnete die Entwicklung als alarmierend und fordert ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz mit verbindlichen Vorgaben zur Ausbildung und Personal-Ausstattung. Nur so lasse sich ein Mindestmaß an pädagogischer Qualität sichern und regionale Ungleichheit abbauen, so ihre Argumentation. Auch ver.di kritisiert, dass die Fachkraftquote faktisch von der Kassenlage der Kommunen abhänge. Die Dienstleistungsgewerkschaft verlangt deshalb eine verlässliche Finanzierung durch Bund und Länder, eine Ausbildungsoffensive für Erzieherkräfte sowie einen speziellen Fonds für den Kita-Ausbau.
Auch Politiker von Opposition und Fachverbänden mahnen, der drohenden Überlastung müsse durch gezielte Investitionen entgegengesteuert werden – etwa durch bessere Arbeitsbedingungen und Qualifizierungsangebote, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Der aktuelle Lagebericht zeigt eine deutliche Schieflage in der frühkindlichen Bildung: Die Qualitätsvoraussetzung „pädagogisch ausgebildetes Fachpersonal“ wird vielerorts nicht erfüllt, die Fachkraftquote geht weiter zurück.