21.02.2025

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Rief den europäischen Verbündeten in Erinnerung, dass nichts ein politisches System so sehr bedroht wie die Unzufriedenheit der eigenen Bürger: US-Vizepräsident J.D. Vance
Bild: ddp/dts Nachrichtenagentur;Rief den europäischen Verbündeten in Erinnerung, dass nichts ein politisches System so sehr bedroht wie die Unzufriedenheit der eigenen Bürger: US-Vizepräsident J.D. Vance

Politische Stimmung

Es weht ein Hauch von 1989 durch das Land

Überzeugt von eigenen Irrwegen reagieren Vertreter der etablierten Parteien entsetzt auf eine Warnung aus den USA. Und verkennen den Wandel im eigenen Land

René Nehring
19.02.2025

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Mit dieser Botschaft, die im Wortlaut etwas anders lautete, mahnte der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow im Herbst 1989 seine deutschen Genossen zu drängenden Reformen ihres morschen politischen Systems. An diesen Satz konnte man auch am vergangenen Freitag denken, als der neue US-Vizepräsident J.D. Vance einen ernsten Appell an die europäischen NATO-Verbündeten richtete. Mit der Kernaussage „Wenn Sie vor Ihren eigenen Wählern Angst haben, gibt es nichts, was Amerika für Sie tun kann“ erinnerte Vance an die simple Tatsache, dass nichts ein politisches System so sehr bedroht wie die Unzufriedenheit der eigenen Bürger.

Natürlich ist die Bundesrepublik von heute nicht gleichzusetzen mit dem Endstadium der DDR. Sie ist nicht ansatzweise so marode wie der Arbeiter- und Bauernstaat, die hier lebenden Bürger genießen einen der höchsten Lebensstandards der Welt, und nicht zuletzt haben die Wähler – trotz mancher Schikanen gegen eine große Oppositionspartei – regelmäßig die Möglichkeit, über den Kurs ihres Landes selbst zu bestimmen. Gleichwohl haben sich in den vergangenen Jahren einige bedenkliche Parallelen zur untergegangenen DDR herausgebildet.

Parallelen zur späten DDR
Zu den gefährlichsten Tendenzen gehört die Ideologisierung von immer mehr Lebensbereichen. So wurde die deutsche Volkswirtschaft mittels staatlicher Vorgaben und Subventionen zielstrebig auf das Ziel der „Klimaneutralität“ ausgerichtet – und dabei bewusst in Kauf genommen, dass dies zu Wettbewerbsnachteilen für einheimische Unternehmen wie auch zu Wohlstandsverlusten der Bürger führte.

Eine ebenso gefährliche Parallele zwischen der Bundesrepublik von heute und der DDR ist das Ausblenden offensichtlicher Missstände, wenn diese nicht in das Weltbild der Führung passen. So verweigert die amtierende Bundesregierung trotz des Tag für Tag sichtbaren Scheiterns der Politik der offenen Grenzen ein grundsätzliches Umdenken in der Zuwanderungsfrage – und ruft stattdessen mit ihr nahestehenden Massenorganisationen zum „Kampf gegen Rechts“ auf. Auch die SED-PDS inszenierte, als ihr die Zügel der Macht entglitten, im Januar 1990 in ihrem ganzen Land Massenaufmärsche, in denen sie vor der „Gefahr von Rechts“ warnte – womit damals wie heute eine Mehrheit der Bürger gemeint war.

Interessant sind auch die Parallelen im Umgang mit Kritikern aus den eigenen Reihen. Ging die SED hart gegen Reformkommunisten wie Robert Havemann vor, so drängten die Sozialdemokraten mahnende Mitglieder wie Thilo Sarrazin und dessen Ehefrau Ursula (immerhin Tochter des früheren DGB-Vorsitzenden Ernst Breit) und die Grünen ihr kämpferisches Urgestein Boris Palmer aus ihren Parteien.

Geradezu bedrohlich – und offenbar so auch im Ausland wahrgenommen – ist die schleichende Unterhöhlung der Meinungsfreiheit. Wenn Minister einer Regierung, die eine dramatische Verschlechterung der inneren Sicherheit und einen beispiellosen ökonomischen Niedergang zu verantworten hat, im Internet nörgelnde Bürger hundertfach mit Strafanzeigen überziehen, zeigen sie damit klassische Verhaltensmuster autoritärer Staaten.

Denkwürdig sind nicht zuletzt auch die Ähnlichkeiten im Verhalten der heimischen Eliten gegenüber Hinweisen ihres dominanten Bündnispartners. Ignorierten einst die SED-Bonzen die Warnungen aus Moskau, verbitten sich Verantwortungsträger des Politikbetriebs von heute jegliche Einmischung aus Washington. So ließen Vertreter fast aller Parteien Vance' Mahnung mit Worten wie „übergriffig“ oder „inakzeptabel“ an sich abprallen.

Die nächste Wende?
Wie es weitergeht, ist anhand stabiler Umfragewerte schon vor der Bundestagswahl vom kommenden Sonntag erahnbar. Während die Kanzlerpartei SPD, die jahrelang viele Sorgen und Nöte ihrer Kernwählerschaft ignorierte, gegenüber der letzten Bundestagswahl in etwa halbiert werden dürfte, kann die oppositionelle AfD, die in den vergangenen Jahren viele Sorgen und Nöte einstiger SPD-Stammwähler aufgriff und im politischen Tagesgeschäft vertrat, mit einer Verdoppelung der Stimmen rechnen. Sollte es so kommen, wäre dies – trotz der schon jetzt zu erwartenden Aufmärsche linker NGOs – keine Niederlage der Demokratie, sondern deren Normalfall. Denn in einem System, das „Volksherrschaft“ heißt, zählt am Ende, was das Volk will, und nicht, was einzelne Parteien oder Lobby-Gruppen wollen.

Dass dies keineswegs nur für Deutschland gilt, zeigt ein Blick zu den Nachbarn. In Frankreich, Italien, Österreich und in den Niederlanden haben Parteien der Mitte in den vergangenen Jahren dramatische Verluste erlitten, während populistische Bewegungen enorm zulegten. In Dänemark, wo die Sozialdemokraten Volkes Wille akzeptierten und beispielsweise die unkontrollierte Zuwanderung begrenzten, regieren sie noch immer. Eine der letzten christdemokratischen Parteien Europas, die noch mit einem klassischen bürgerlichen Programm vor die Wähler tritt, ist die des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Dass dieser regelmäßig mit einer Zweidrittelmehrheit regieren kann, könnte anderen christdemokratischen Parteien zu denken geben.

Apropos Christdemokratie. Nach Lage der Dinge wird der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz sein. Dieser hat seit der Übernahme des CDU-Vorsitzes den Kurs seiner Partei auf vielen Feldern wieder hin zu klassischen christdemokratischen Positionen korrigiert. Wenn Merz ins Kanzleramt einzieht, wird sich zeigen, ob er auch bereit ist, den Kurs des ganzen Landes zu ändern – und sich dafür mit noch mächtigeren Interessengruppen als den Merkelianern in der Union anzulegen.

Oder, um beim Vergleich zu 1989/90 zu bleiben: Merz steht vor der Wahl, ob er der Letzte von gestern sein will – oder der Erste von morgen.


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Kommentare

Wolf Wilhemi am 19.02.25, 17:26 Uhr

Vance hat angedeutet, dass das, was bisher die Basis der Existenz Ds nach dem 2.Weltkrieg war, der Schutz der USA, entzogen werden könnte: Wer die Freiheit im Innern einschränkt, setzt das politische Überleben der ganzen Nation aufs Spiel. So deutlich war bisher kein Freund, so sprachlos deshalb die ertappten Anwesenden. Wenig später hat der US Sender CBS in "60 minutes' mittels einer Reportage der ganzen Welt Einblick in deutsche Meinungsfreiheit gegeben. Fatal.
Jetzt historische Vergleiche anzustellen ist überflüssig. Die seit über 10 Jahren geübte politische Praxis mit ihren Verwerfungen und Wirkungen hat eine einmalige, verworrene Gegenwart geschaffen. Dass eine neue Regierung den gordischen Knoten lösen wird, steht nicht zu erwarten. Denn Merz ist weder Alexander d Gr noch hat er den Freund Vance wirklich verstanden.

Gregor Scharf am 19.02.25, 14:42 Uhr

Sie verkennen den Ernst der Lage. Damals konnten wir auf die Hilfe der alten Bundesländer zählen. Heute sind die Menschen dort derart stark indoktriniert, dass sie nicht wahrhaben können, was mit ihnen geschieht, weil ihnen die Erfahrung fehlt.
Nach der Münchner Räterepublik, dem Nationalsozialismus und dem real existierenden Sozialismus in der DDR erfahren wir die vierte kommunistische Revolution in Rot-Grün. Das ist nichts Geringeres als eine weitere todbringende, alles erstickende Dunkelphase für Deutschland und Europa, denn die Kommunisten haben sich selbst in Brüssel eingenistet.
Die mahnenden Worte kommen nicht nur aus Washington. Sie kommen von den Alliierten, die diese Irrenanstalt schon einmal zur Vernunft bringen mussten.
Wer den Rat und die Warnungen in den Wind schlägt, steht schon bald allein da. Und dass die Unfähigen am lautesten bellen, begegnet einem in nahezu allen Lebenslagen. Es sind immer die Vertreter der Kleingeister, die einen in ihren primitiven Sumpf hinabziehen. Es reicht nur zum Maulaufreissen und dem Brüllen einstudierter Kampfparolen, planlos, hirnlos, nutzlos. In der DDR war das Bildungssystem nachweislich Weltklasse. Noch Fragen?

Albert Nola am 19.02.25, 13:54 Uhr

J.D. Vance: „Wenn Sie vor Ihren eigenen Wählern Angst haben...“ Klingt gut und ist zugleich falsch. Wenn die Wähler in Ostdeutschland für die AfD, 5. Kolonne Moskaus, oder in Frankreich für die linken Judenhasser (Jean-Luc Mélenchon) wählen, dann haben wir vor solchen Wählern Angst. Und Angst ist ein guter Ratgeber.

Kersti Wolnow am 19.02.25, 08:49 Uhr

Der Kampf gegen Rechts wurde von Gregor Gysi ausgerufen, weil ein Hakenkreuz auf einem sowjetischen Ehrenmal auftauchte. Wie immer, wenn der Täter unbekannt bleibt, wird so etwas als rechte Straftat diagnostiziert.
Überhaupt habe ich als Neubürger sei Oktober 1989 mit Erschrecken feststellen müssen, daß die Ideologie der dDR auch im Westen angekommen ist mit Schuldkult, verzerrter Geschichtsschreibung und eben dem Kampf gegen Rechts, was gleichzusetzen ist mit dem Kampf um Selbstbestimmung einiger Parteien. Nicht zu vergessen ist auch, daß wir die Teilvereinigung mit der Aufgabe der starken DM bezahlen mußten, was allen Europäern heute die Bedeutungslosigkeit eingebracht hatte, wie wir bei den Verhandlungen um die europäische Ukraine vor Augen geführt bekommen. Europa zeigt mit uns Deutschen seit 100 Jahren keine Solidarität.

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