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Nutzung der Burgen mit ihren Wallanlagen
Ein wichtiger, wenn nicht sogar dominierender Bestandteil der ostpreußischen Kulturlandschaft zur Zeit der Prußen waren einfache, aber oftmals monumentale Befestigungsanlagen aus Holz, Erde und Steinen. Laut dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) in Schleswig haben knapp 450 dieser Burgwälle die Zeitläufe überdauert. Die übrigen fielen der Gewinnung von Kies und Lehm sowie der Landwirtschaft zum Opfer oder wurden ab dem 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden überbaut. Eine Vorstellung vom Ausmaß der neuzeitlichen Zerstörungen vermittelt der Blick in die Liste der prußischen Burgen in Ostpreußen, welche Leutnant Johann Michael Guise zwischen 1826 und 1828 angefertigt hat. Von vielen der hier aufgeführten Anlagen wie beispielsweise denen bei Dettmitten, Groß Engelau und Potawern findet sich heute keine Spur mehr.
Die Befestigungen lagen in aller Regel auf Höhenzügen und waren entweder durch umlaufende Ringwälle oder Abschnittswälle geschützt. Im letzteren Falle sorgte der günstige Standort auf einem zungenförmigen Bergsporn mit steilen Abhängen oder über Flussschleifen dafür, dass zumeist nur ein gerades und relativ kurzes Wallstück zur jeweiligen Zugangsseite hin angelegt werden musste. Das konnte dann allerdings bis zu zehn Metern hoch sein – bei 30 bis 40 Metern Breite an der Basis. Und manchmal fielen diese Abschnittswälle auch ungewöhnlich lang aus, wie zum Beispiel der im Wald zwischen Kaltenborn und Wallendorf, der sich noch heute über mehr als drei Kilometer erstreckt.
Zuflucht und Kultplatz
Welchem Zweck die Burgen der Prußen dienten, ist nach wie vor nicht sicher geklärt, da keine schriftlichen Quellen hierüber existieren. Aus den archäologischen Befunden sowie der Form und Größe der Anlagen ergeben sich aber vier grundsätzliche Nutzungsmöglichkeiten. Zum Ersten residierten in manchen der Burgen wohl Vertreter des ortsansässigen Adels samt Handwerkern und Gesinde. So förderten die systematischen Ausgrabungen im Inneren der Burg von Kraxtepellen im Samland eine Kulturschicht von einem Meter Dicke zutage, was für eine dauerhafte Besiedlung durch viele Personen und das Vorhandensein von Werkstätten spricht.
Zum Zweiten waren zahlreiche Wallanlagen der Prußen Zufluchtsstätten für die gesamte Bevölkerung der umliegenden Region, welche dort Unterschlupf fand, wenn kriegerische Konflikte tobten oder räuberisches Gesindel durchs Land zog. In solchen Fällen umschließen die Befestigungen eine größere Fläche. Wie unter anderem in Wargen, wo sich die Hauptburg samt rechteckiger Vorburg über 200 mal 60 Meter erstreckt, oder in Norgau – hier hat der Burgwall einen Umfang von 450 Metern. Gleichzeitig weisen solche Fluchtburgen vergleichsweise dünne Kulturschichten auf, weil die Menschen dort meist nur wenige Tage verweilten.
Zum Dritten lagen viele der kleineren Burgen am Rande des Machtbereichs prußischer Adelsgeschlechter, was darauf hindeutet, dass sie als Grenzposten fungierten. Das könnte vielleicht in Kringitten der Fall gewesen sein, wo ein paar Männer über längere Zeit in recht einfachen Verhältnissen gelebt haben müssen.
Und zum Vierten dienten einige der prußischen Burganlagen auf Höhenzügen auch als Kultplatz sowie Versammlungs- und Bestattungsort – insbesondere, wenn sie in heiligen Wäldern lagen. In solchen Fällen erübrigten sich aufwendigere Befestigungen; einfache niedrige Wälle oder Palisadenzäune reichten aus. Eine Anlage dieser Art für die rituelle Nutzung stellte die kleinere der beiden Burgen bei Kraam dar.
Hinsichtlich des Alters der Wallanlagen im Lande der Prußen ging die Forschung lange Zeit davon aus, dass diese kaum vor der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrtausends entstanden sein können. In den letzten Jahren wurden seitens des ZBSA in Kooperation mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin Altersbestimmungen anhand von Holzkohleresten in den unteren Brandschichten der Wallkörper von Burgen im Samland durchgeführt.
Alter der Anlagen
Die Untersuchungen erbrachten sensationelle Ergebnisse, weswegen man den Beginn der Errichtung solcher Befestigungen nun um mehr als 1000 Jahre früher ansetzt. So gehen vier der untersuchten Anlagen, nämlich die von Pokirben, Kraam, Ekritten und Germau, auf die spätere Bronzezeit beziehungsweise ältere vorrömische Eisenzeit zurück, denn die Datierungen mit der C14-Methode weisen auf einen Bau zwischen 700 und 650 v. Chr. hin. Und die Burgwälle von Kringitten und Ellerhaus existierten auch bereits seit 400 v. Chr., also der jüngeren vorrömischen Eisenzeit. Ebenso ergaben die Untersuchungen, dass es eine kontinuierliche Weiternutzung der Burgen in der späten Eisenzeit und während der Völkerwanderung gegeben hat, wohingegen datierbare Belege aus der Epoche der Wikinger derzeit noch fehlen. Die archäologischen Untersuchungen der Wallanlagen im Baltikum und damit auch in Ostpreußen werden noch bis zum Jahre 2029 von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz finanziert, weshalb Hoffnung auf weitere Funde besteht.
Th. Nehrenheim am 24.03.21, 22:05 Uhr
Es ist selbstverständlich erfreulich, dass wenigstens die Alterumswissenschaften unsere Heimat "nicht vergessen" haben. Allerdings muss man auch an deren Arbeit Kritik üben, wenn, wie die Universität Kiel es getan hat, zwar Grabung und Erforschung von Wiskiauten erfolgt, der Kontakt zur Kreigemeinschaft der von dort Vertriebenen aber nicht gesucht wird, die Literatur über die lokalen Gegenbenheiten nicht genutzt wird und stattdessen die russische Bevölkerung befragt wird! Da kann man nur lachen, auch angesichts der räuberischen Tätigkeiten vor Ort - lokale Bodenfunde aus der Wikingerzeit kursieren unter interessierten russischen Privatpersonen, es geht um Geld! So wurde dann erstaunt herausgefunden, dass es einen bootspassierbaren Durchbruch nahe der Nehrung bei Cranzbeek gegeben habe.
sitra achra am 20.03.21, 12:06 Uhr
Schön, dass dieses Kulturerbe in der Erinnerung bewahrt und seine Erforschung weiterhin gefördert wird. Danke für diesen informativen Artikel!
Der Kriwe wird sich freuen!