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Energieversorgung

Franzosen-Strom hat Vorrang

Als Strom-Exporteur verdient Frankreich kräftig an Europas Energiemarkt

Hagen Ritter
18.07.2024

Vor den französischen Parlamentswahlen war in deutschen Medien zu lesen, dass führende Politiker von Marine Le Pens Rassemblement National Frankreichs Strommarkt vom Rest Europas abkoppeln und auch Stromexporte nach Deutschland stoppen wollten. Nach Ansicht von Parteichefin Le Pen geht der gemeinsamen Strommarkt zulasten von Frankreichs Industrie, weil Deutschlands Ausstieg aus der Kernenergie auf dem Strommarkt höhere Preise verursachte. Nur wenige Tage vor der Wahl hatte auch Eric Ciotti, Chef der konservativen Les Républicains erklärt, Frankreich müsse aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, damit günstigere Strompreise garantiert werden können. Im Wahlkampf hatte das Thema Kaufkraft der Franzosen ohnehin eine wichtige Rolle gespielt.

Die Parlamentswahl gewonnen hat indessen aber ein linkes Volksfrontbündnis aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und Jean-Luc Mélenchons Linkspartei. Die Pläne, Frankreich vom europäischen Strommarkt abzukoppeln, sind mit dem linken Wahlsieg nicht vom Tisch. Sowohl Frankreichs Kommunisten als auch dem Linkspopulisten Mélenchon sind französische Stromlieferungen nach Deutschland und in andere Nachbarländer nämlich ebenso ein Dorn im Auge.

Spanien wirft Frankreich Öko-Strom-Blockade vor
Nicht zu vergessen: Schon vergangenes Jahr sah sich Frankreichs Führung scharfen Vorwürfen der spanischen Regierung ausgesetzt, sie würde grenzüberschreitende Stromleitungen blockieren. Spaniens damalige Energieministerin Teresa Ribera (Sozialisten) warf Paris sogar vor, die Franzosen hätten über Jahre Projekte zur besseren Anbindung der iberischen Halbinsel an das europäische Stromnetz verhindert. Mittlerweile werden Ribera gute Chancen eingeräumt, für Spanien einen Posten in der neuen EU-Kommission zu besetzen. Der Vorwurf, Frankreich blockiere spanischem Öko-Strom den Zugang zum europäischen Markt, kann damit weiteres Gewicht bekommen.

Kenner der Materie sehen auch kaum Chancen für den Plan eines Ausstiegs Frankreichs aus dem gemeinsamen Strommarkt. Als eines der letzten großen Projekte der Wahlperiode hatte noch die alte EU-Kommission vergangenes Jahr eine Reform des Strommarktes auf den Weg gebracht. Mit einem Stopp von Stromexporten würde Frankreich geltende Abmachungen brechen und müsste damit rechnen, dass Brüssel Strafmaßnahmen verhängt. Allerdings hatte wenige Tage vor der Parlamentswahl Jordan Bardella, der Spitzenkandidat des Rassemblement National, einen Weg aufgezeigt, wie sich Frankreich zumindest vorübergehend Handlungsfreiheit auf dem Strommarkt verschaffen kann. Bardella sprach dabei vom Ziel, sich von den Strompreisregularien in der EU zu lösen, um einen „französischen Strompreis“ zu bekommen. Dies wäre kein kompletter Ausstieg vom gemeinsamen Strommarkt, sondern nur eine Sonderregelung für Frankreich. Ausnahmeregeln bei den Energiepreisen hatte die EU auch schon Spanien und Portugal während der Energiekrise zugestanden.

Möglicherweise setzen sich nach dem Ende des Wahlkampfes aber auch die Stimmen derjenigen durch, die auf die Vorteile auf dem Energiemarkt für Frankreich verweisen. Jean-Pierre Clamadieu, Präsident des Energiekonzerns Engi und auch der Wirtschaftsprofessor Patrice Geoffron erinnerten beispielsweise daran, dass Frankreich über den gemeinsamen Strommarkt unter dem Strich mehr exportiert als importiert. Entscheidend dabei: Frankreich verdient mit seinen Exporten Geld. Deutschland muss hingegen seinen exportierten Strom immer öfter verschenken oder sogar Geld drauflegen, wenn mal wieder wetterbedingt ein Überangebot an Öko-Strom herrscht.

Frankreich verdient am Atomstrom, Deutschland zahlt für Ökostrom
Ein neues Vorhaben der EU-Kommission kann den Vorteil für Frankreich noch vergrößern. Bei dem Projekt geht es um eine Neuberechnung der Öko-Bilanz bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos. Wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf einen Entwurf der EU-Kommission berichtete, soll zur Berechnung des „CO2-Fußabdrucks“ der Batterieherstellung künftig nur noch der Strom berücksichtigt werden, der wirklich zur Produktion genutzt wird. Setzt die EU-Kommission dieses Berechnungsverfahren tatsächlich um, landen Batteriehersteller in Deutschland schnell im Aus. Trotz der Energiewende spielen in Deutschland fossile Energieträger noch immer eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung. Verringert sich der Anteil der Fossilen durch Ausbau von Windkraft und Solarstrom, steigen wiederum die Kosten. Frankreich kann dagegen seinen hohen Anteil von rund 67 Prozent Atomstrom am Energiemix als Trumpf ausspielen.

Es war Frankreichs Präsident EmmanuelMacron, der 2023 in der EU durchgesetzt hat, dass Strom aus Kernkraft nicht nur
als „klimaneutrale“ Energie eingestuft wurde, sondern auch als förderungswürdig gilt.

In der deutschen Wirtschaft wachsen bereits Befürchtungen, dass die EU-Kommission auf die Idee kommt, die in der Schublade liegende Öko-Bilanz-Regel für die Batterieherstellung auch noch auf andere Wirtschaftsbereiche anzuwenden. Zu den dann drohenden Auswirkungen zitiert die „Bild“-Zeitung aus einem internen Papier von Unternehmen, dass dies dann für den hiesigen Standort „einen Rattenschwanz der Deindustrialisierung bedeuten“ würde.


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