Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen verjüngt sich
Die 70. Werkwoche sollte ganz besonders schön werden, und das hat funktioniert. Es gab Geschenke, liebe Worte, herzliche Umarmungen und ostpreußisches Kulturgut. Nicht nur Sticken, Weben, Stricken und Trachtenschneidern, nein, es wurde auch getanzt und gesungen. Wie jedes Jahr wurde sich rege ausgetauscht über die eigenen Familiengeschichten und den eigenen Werdegang. Dies alles in Verbindung mit dem fast meditativen Handarbeiten macht die Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen, gefördert durch die Stiftung „Zukunft für Ostpreußen“, so besonders. Für diese Veranstaltung unter der Leitung von Hannelore Mosbacher wird der Urlaub geplant, der Laden geschlossen, Ersatz gefunden für die zu pflegenden oder zu betreuenden Angehörigen, neun Stunden oder mehr Anreisezeit werden in Kauf genommen, um sieben Tage lang zusammenzukommen.
Hier ist das Ostpreußische wirklich lebendig. Ganz besonders erfreulich war der gesunkene Altersdurchschnitt. Aus Allenstein kamen drei junge Marjellchens, die mit ihrer Wissbegierde, ihrem Talent und ihrer Freude eine gute Dynamik in die Politische Bildungsstätte in Helmstedt trugen.
Auch Männer dürfen teilnehmen
Viele der Teilnehmerinnen, aber auch Männer dürfen sich anmelden, kommen schon seit Jahrzehnten. Sie tragen das gesammelte Wissen an die neueren Teilnehmerinnen heran, und zwar ganz ungezwungen, freiwillig und mit leuchtenden Augen. So etwas hat Christa Höpner, sie führt ein Wollgeschäft mit dem schönen Namen „Wollgemacht“ in Burg auf Fehmarn und hat schon diverse Strickkurse besucht, in dieser großherzigen Art noch nie erlebt. Hier sitzt keiner auf seinem Wissen. Wenn etwas nicht klappt, wird ausprobiert, zur Not zurückgestrickt oder -gewebt. Hat jemand eine gute Erfahrung mit einer Abwandlung gemacht, wird diese benannt, gezeigt und umgesetzt. So konnte die Teilnehmerin Edeltraut Hesse ihre Erfahrung bezüglich der unglaublich warmen Schlaufenhandschuhe weitergeben. An den Schlaufen bleiben ihre Enkel beim Anziehen nämlich durchaus mal hängen und zogen damit die Herzchen aus dem Handschuh heraus. Um das zu verhindern, strickt sie jede dritte Reihe fest, so kann nichts passieren. Die Idee wurde sogleich umgesetzt und erleichterte schon allein das Stricken, weil man nicht immer befürchten musste, die mühevolle Arbeit aufgrund einer Unachtsamkeit von vorn beginnen zu müssen.
Einen ganz besonders angenehmen Zuwachs bekam die Trachtenschneider-Gruppe um Marianne Kopp. Eine Mutter mit ihrer 14-jährigen Tochter reiste nach Helmstedt, um für sich ein ostpreußisches Trachtenkleid zu nähen. Kein einfaches Unterfangen, schon allein die Farbwahl braucht seine Zeit. Aber die Werklehrerin stand mit ihrem geballten Wissen zur Verfügung, gab Anleitung und aufmunternde Worte, wenn mal eine Paspel zu großzügig geheftet wurde. Sie hat sich auch die gespendeten Kleider angeschaut. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Spender und der erneute Aufruf: Sollte jemand ein Trachtenkleid nicht mehr tragen, können sie in der Werkwoche weitergegeben werden. Selbst beschädigte Kleider können aufgetrennt und Teile der wertvollen Stoffe weiterverarbeitet werden. Auch Webrahmen oder Bandweben finden bei den fleißigen Händen immer Verwendung. Das Motto der Werkwoche lautet „Erhalten und Gestalten“ und darf auch gerne außerhalb der Werkwoche gelebt werden. Sachspenden können an die Landsmannschaft Ostpreußen e.V., Buchtstraße 4, 22087 Hamburg geschickt werden.
Sachspenden sind willkommen
Wie aus einem unfertigen und zu kleinen ostpreußischen Arbeitskleid ein passendes geschneidert wurde, zeigte Kerstin Schink eindrucksvoll. Sie maß aus, schnitt zurecht, bügelte, heftete und nähte so passgenau, dass man die Erweiterung nur bei ganz genauer Betrachtung erkennt.
Geschärt, gespannt, geknüpft und gewebt wurde um die Werklehrerin Liesa Rudel, die am Mittwochnachmittag zum Jostenbandweben einlud. Diese Arbeit ist für Anfänger ein schöner Zeitvertreib, da man ein Stück wirklich fertig bekommt und stolz auf sich sein kann. Erfahrene Teilnehmer können sich an schwierigeren Mustern erproben – oder bei schlechten Lichtverhältnissen auch verzweifeln. Dank der mühevollen Arbeit von Klaus Rudel konnte in diesem Jahr auch wieder ein Webstuhl zum Doppelweben genutzt werden. Sabina Kiczor aus Allenstein liegt das Weben förmlich im Blut. Sie schaut sich ein Muster auf ihrem Smartphone an und webt es kurzerhand nach, und zwar erfolgreich.
Immer wieder fanden die Videos zur Werkwoche, die bei YouTube eingestellt sind, Erwähnung, halfen sie doch schon so mancher Teilnehmerin, ihr unfertiges Stück zu Hause zu beenden. Eine Weiterleitung zu den Videos gibt es auf der Internetseite der Landsmannschaft Ostpreußen www.ostpreussen.de in der Mediathek.
Und wer meint, um neun oder zehn Uhr am Abend sei dann auch mal Schluss, wird eines Besseren belehrt. Spätabends findet man immer noch jemanden, der an seinem Stück arbeitet. Um elf Uhr leuchteten noch die Nählampen in der Weißstickergruppe. Andrea Borkenhagen meinte munter, dass sie ein Herz noch fertigbekommen wolle, dafür werde sie aber nur noch eine Stunde benötigen. Es wurde dann vermutlich länger, weil sie freimütig auf sämtliche Fragen geantwortet hat und ihr breitgefächertes Wissen teilte.
Bei so viel konzentrierter Arbeit tragen die Volkslieder, die in einer großen Gruppe gemeinsam gesungen werden, die Volkstänze, deren lustiges Treiben nicht nur den geschaffenen Tanzraum zum Beben bringt, und die Auflockerungseinheiten, die den durch die Handarbeit angespannten Schultern etwas Lockerung bereiten, dazu bei, dass ostpreußische Volkskunst – Kopp sei Dank – wirklich Spaß macht.
Aus Teilnehmern werden Lehrer
Dass aus Teilnehmern auch Werklehrerinnen werden, hat schon fast Tradition. Die Trachtenschneiderin Kopp wurde nach ihrer ersten Werkwoche als Teilnehmerin und einer privaten Aktion bei der damaligen Werklehrerin sogleich verpflichtet. Dieser kommt sie bis heute nach. Auch Heidi Friedrich kam so zu ihrem Amt als Werklehrerin für die Stickgruppe. In diesem Jahr war die Strickerin Edith Werner verhindert, sodass sie durch die langjährige Teilnehmerin Regine Mentz-Weiss erfolgreich vertreten wurde. Wenn sie mal etwas nicht wusste, sprang eine andere ein. Hier wurden Handschuhe, Mützen, Socken und Übungsstücke der Doppelstricktechnik gefertigt.
Was bringt Menschen zur Werkwoche, der ganz zu Unrecht ein angestaubter Ruf nachhängt? Warum fahren Leute stundenlang, um dann stundenlang an einer Arbeit zu sitzen, die womöglich gar nicht fertig wird?
Mit welcher Motivation?
Weil es schön ist. Egal, woher man kommt, egal, wie fähig man bereits ist, alle sind willkommen und fühlen sich willkommen, alle sind interessiert an Ostpreußen, seiner Geschichte, seiner Volkskunst, alle freuen sich über neues Wissen oder das Weitergeben von Wissen. Es herrscht eine große Dankbarkeit. Die langjährige ehemalige Leiterin der Werkwoche, Uta Lüttich, hat bei der Essensrunde immer gesagt: „Wir danken!“ Dieser Dank galt bestimmt nicht nur dem guten Essen, sondern auch dem Erhaltenen und den Gestaltenden.
Dankbarkeit gibt es auch für die Teilnehmer, selbst wenn sie nicht werken. Brigitte Willen fühlt sich beispielsweise durch die ostpreußischen Frauen, die schon fast zum Inventar der Werkwoche gezählt werden können, heimisch und an die eigene Mutter erinnert. „Hier fühle ich mich ihr nah!“
Der Wunsch nach vielen weiteren Werkwochen, im nächsten Jahr vom 6. bis zum 12. Oktober, war deutlich hörbar. So sagte Beatrix Mittmann, die jeden Morgen zur Morgengymnastik einlud, dass sie noch so lange zur Werkwoche fahren möchte, wie ihre Beine sie tragen, vielleicht sogar als Werklehrerin.