06.05.2025

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Wappen von Beuthen O.S.
Bild: WikimediaWappen von Beuthen O.S.

Östlich von Oder und Neiße

Fremdeln Polen mit Ostdeutschland?

Nicht repräsentative Meinungsumfrage zu den „hässlichsten Städte Polens“ – Alte preußische Städte stark überrepräsentiert

Chris W. Wagner
05.05.2025

Eine aktuelle Rangliste sorgt im Internet für Gesprächsstoff. Darin werden zehn der „hässlichsten Städte Polens“ gekürt. Das Ranking wurde vom Online-Portal Głos Wielkopolski (Die Stimme Großpolens) erstellt. Ausgewertet wurden subjektive Einschätzungen von Teilnehmern diverser Onlinediskussionen. Es wurden keine offiziellen Umfragen oder wissenschaftlichen Studien durchgeführt, sondern Kommentare unter anderem zum Zustand der Architektur, der Anzahl und Qualität von Grünflächen, dem Freizeitangebot sowie dem Sicherheitsgefühl der Einwohner ausgewertet. Dies allein schon wäre fragwürdig, da ein Sicherheitsgefühl auf die Optik einer Stadt gar keinen Einfluss nimmt.

Die Liste der angeblich zehn hässlichsten Städte führt das oberschlesische Beuthen [Bytom] an, gefolgt von Lodsch (Łódź), Myslowitz [Mysłowice] in Oberschlesien, den niederschlesischen Städten Liegnitz [Legnica] und Waldenburg [Wałbrzych], Leslau [Włocławek] in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern, Tomaschow [Tomaszów Mazowiecki] in der Woiwodschaft Lodsch, Tichau [Tychy] in Oberschlesien, Petrikau [Piotrków Trybunalski] ebenfalls in der Woiwodschaft Lodsch und Landsberg an der Warthe [Gorzów Wielkopolski] in der Woiwodschaft Lebus.

Städte wie Beuthen und Waldenburg waren einst bedeutende Standorte des Kohlebergbaus und der Schwerindustrie. Nicht umsonst zeigt das Wappen Beuthens neben einem halben goldenen Adler auf blauen Grund aus dem Wappen Oberschlesiens einen Bergmann, der Gestein mit einer Hacke bearbeitet. Der Niedergang dieser Wirtschaftszweige in den 90er Jahren führte zu Massenarbeitslosigkeit, Armut, Abwanderung und damit zu leerstehenden, verfallenden Industriegebäuden.

Ähnlich erging es Lodsch. Einst als das „Manchester Polens“ bekannt, spielte die Stadt eine zentrale Rolle in der Textilindustrie. Im 19. Jahrhundert zählte das trikulturelle polnisch-deutsch-jüdische Lodsch zu den größten Textilzentren Europas. Neben Textilien war Lodsch auch für Färbereien, Webereien und Spinnereien bekannt. Die industrielle Expansion veränderte das Stadtbild erheblich: Fabriken, Arbeitersiedlungen und die Infrastruktur wuchsen rasant.

Einige der ehemaligen Fabriken dienen als historische Sehenswürdigkeiten, Museen oder wurden in moderne Geschäfts- und Kulturzentren umgewandelt. Dennoch prägen vielerorts verfallene Gebäude das Stadtbild.

Beuthen führt die Liste an
Ähnliche Probleme finden sich auch in Myslowitz, das den dritten Platz der Liste einnimmt. Hier klagen Einwohner über die marode Infrastruktur. Auch fehlen ihnen Grünanlagen und Freizeitmöglichkeiten. In Kombination mit sozialen Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität entsteht ein Gesamtbild, das den negativen Ruf dieser Städte verfestigt.

Aber vielleicht haben die Polen einfach keinen Sinn für postindustrielle Architektur? Städte wie Beuthen oder Waldenburg prägten die deutsche Industriearchitektur und -infrastruktur. Polen tat sich schwer mit der Integration und Modernisierung einst preußischer Städte wie Liegnitz. Viele architektonische Zeugnisse deutscher Vergangenheit wurden als fremd und wenig ansprechend wahrgenommen, was möglicherweise bis heute zu einer negativen Wahrnehmung führt oder die Dokumentation eigener Aversion begünstigt. Möglicherweise führt eine „kulturelle Spannung“ zwischen dem Stolz auf die polnische Identität und der Tatsache, dass diese Städte noch immer starke deutsche Einflüsse haben, also zu einer Art Ablehnung dieser „deutschen“ Architektur und Infrastruktur.

Trotz ihres schlechten Rufes zeigen diese oft verkannten Städte Potential, sich neu zu erfinden. Einige sind bereits auf dem besten Weg, aus ihrem Image als Graue Maus auszubrechen. Lodsch ist ein Vorzeigebeispiel dafür. Hier wurde ehemaligen Textilfabriken wie der Manufaktura oder dem alten Kraftwerk von 1907, das zum Kultur- und Wissenschaftszentrum umfunktioniert wurde, neues Leben eingehaucht.

Ähnliches gelang in Waldenburg mit der alten Zeche (Stara Kopalnia), die ebenfalls zum Kulturzentrum wurde. Auch in Landsberg an der Warthe oder Liegnitz werden ehemalige Industrieareale neu belebt. In Beuthen oder Myslowitz laufen erste Revitalisierungsprojekte, auch wenn hier der große Durchbruch noch aussteht.

Vor allem aber haben – unabhängig von solchen Vorzeigeprojekten – mittlerweile viele Wohngebäude aus der Kaiserzeit ihre Frischzellenkur hinter sich. Gibt es da möglicherweise sogar so etwas wie Neid, dass Profanbauten aus der Vorkriegszeit in den ostdeutschen Gebieten der Republik Polen, Polens sogenannten Nord- und Westgebieten, in renovierter Form besondere Pracht verkörpern? Und den Charme von Lost Places, die noch auf ihre Wiedererweckung warten, muss man auch verstehen wollen.


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