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Sahra Wagenknecht klagt in ihrem neuen Buch „linke Selbstgerechtigkeit“ an
Sahra Wagenknecht ist seit den frühen 1990er Jahren in maßgeblichen Führungsfunktionen der in „Linkspartei“ umbenannten SED tätig. Dabei handelt es sich um jene berüchtigte Diktatur-Partei der untergegangenen DDR, die unter anderem als politische Befehlsinstanz der Stasi-Geheimdienste in die deutsche Geschichte ebenso unrühmlich einging, wie sie auch verantwortlich war für die tödlichen Grenzbefestigungen an der innerdeutschen Grenze.
Kronzeugin linker Selbstkritik
Doch Wagenknecht, vielfach wiedergewählte Bundestagsabgeordnete ihrer Partei, nur auf die totalitären Spuren grauer DDR-Zeiten und deren Verbrechen zu reduzieren, sie ständig vergangenheitspolitisch damit zu konfrontieren, ähnlich wie auf der anderen Seite des politischen Spektrums ewig mit der Faschismuskeule auf die AfD eingeschlagen wird, griffe auch hier erheblich zu kurz. Denn: Sie ist inzwischen zu einer wichtigen und nachdenklich stimmenden Kronzeugin linker Selbstkritik für offenkundige Fehlentwicklungen in diesem Lager geworden.
Unlängst überstand die in Talkshows stets besonnen und unaufgeregt argumentierende Politikerin sogar einen Ausschlussantrag aus ihrer Partei, den sie vor allem wegen ihres neuen Buches „Die Selbstgerechten: Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ über sich ergehen lassen musste. Grund genug, sich einmal mit zentralen Aussagen des kürzlich erschienenen Werkes zu beschäftigen.
„Spaltung der Gesellschaft? Auch Sozialdemokraten und linke Parteien sind beteiligt“: So diagnostiziert Wagenknecht im ersten Teil ihres lesenswerten Buches eine „gespaltene Gesellschaft und ihre Freunde“ und beklagt darin ein vergiftetes Meinungsklima in Deutschland. Doch, man höre und staune, das sei keineswegs nur den bösen „Rechten“ und „Populisten“ geschuldet, wie offiziös behauptet wird, auch viele Sozialdemokraten und linke Parteien hätten daran ihren Anteil.
Angriffslustig und offenbar ohne größere Isolationsfurcht entlarvt Wagenknecht Punkt für Punkt Lebenslügen in maßgeblichen Teilen ihres „eigenen“ Lagers: „Ob Flüchtlingspolitik, Klimawandel oder Corona: Linksliberale Überheblichkeit nährt rechte Terraingewinne.“ Die erstarkte Rechte, so die Autorin, sei nicht die Ursache, sondern selbst das Produkt einer zutiefst zerrissenen Gesellschaft. Auf den Punkt gebracht schreibt sie: „Es hätte keinen Donald Trump und auch keine AfD gegeben, wenn ihre Gegner ihnen nicht den Boden bereitet hätten.“
Je lauter Rechte tönten, desto mehr fühlten sich Linksliberale in ihrer wenig überzeugenden Position bestärkt – das sei die zu registrierende Folge. Und im Echoraum einer engen Schein-Logik hallt es dann erwartbar zurück, wie diese Beispiele zeigen: „Nazis sind gegen Zuwanderung? Also muss jeder Zuwanderungskritiker ein verkappter Nazi sein! Klimaleugner lehnen CO₂-Steuern ab? Also steckt wohl mit ihnen unter einer Decke, wer höhere Sprit- und Heizölpreise kritisiert. Verschwörungstheoretiker verbreiten falsche Informationen über Corona? Wer anhaltende Lockdowns für die falsche Antwort hält, steht also mutmaßlich unter dem Einfluss von Verschwörungstheorien. Kurz: Wer nicht für uns ist, ist ein Rechter, ein Klimaleugner, ein Aluhut ... So einfach ist die linksliberale Welt.“
Kritik zielt auch ins linke Milieu
Kein Wunder also, dass die so Vorgeführten laut aufschreien wie die sprichwörtlich getroffenen Hunde. Doch die geben nicht nur in Wagenknechts Partei den Ton an. Das von ihr attackierte linksliberale Milieu – urban, divers, kosmopolitisch und individualistisch – zielt darüber hinaus vor allem tief ins grüne Milieu. Zusätzlich ergeben sich erhebliche Schnittmengen zur 68er-geprägten Sozialdemokratie einer Saskia Esken plus Kevin Kühnert, und selbst immer größere Teile der Unionsparteien sind nach 16 Jahren Merkel-CDU vom linksliberalen Virus befallen. Mit betrüblichen Konsequenzen, meint die streitbare Autorin: „Politische Konzepte für sozialen Zusammenhalt bleiben auf der Strecke.“
Insbesondere im zweiten Teil des Buches entwickelt die Volksvertreterin dann ein Programm, mit dem soziale Politik, die diesen Namen auch verdiene, wieder mehrheitsfähig im Sinne einer sozusagen „geläuterten Linken“ werden könnte. Dabei plädiert Wagenknecht in anschaulicher Weise für „Nationalstaat und Wir-Gefühl“ und begründet – jenseits unrealistischer One-Word-Ideologeme – weshalb die vermeintlich totgesagte Idee des Nationalstaates eine Zukunft hat. Mit diesem Weckruf positioniert sich die wahrhaft linksintellektuelle Politikerin gegen die tonangebenden postnationalen Funktionseliten der Berliner Republik in Richtung EU-Zentralstaat ebenso wie gegen die „Nie-wieder-Deutschland-Linken“ (Claudia Roth), die mit der deutschen Nation ein grundsätzliches Akzeptanzproblem haben. Deren Mantra, es dürfe „kein Zurück zum Nationalstaat“ geben, widerspricht Wagenknecht.
Sie unterstreicht vielmehr: „Von einer Handlungsunfähigkeit der Nationalstaaten kann keine Rede sein. In jeder großen Krise, egal ob gerade die Banken kollabieren oder Corona die Wirtschaft in den Abgrund zieht, entpuppten sich die totgesagten Nationalstaaten sogar als einzig handlungsfähige Akteure.“ Zwar positioniert sie sich gegen einen völkischen Biologismus und schreibt unter Bezug auf Cornelia Koppetsch, dass die Identifikation mit der Nation eine progressive und keine regressive Kraft gewesen sei, „sondern eine unersetzliche Ressource für Gemeinsamkeit, gemeinsame Gestaltung und sozialen Ausgleich“.
Kurzum: Dass „links“ auch realpolitisch punkten kann, hat Wagenknecht mit ihrem höchst interessanten Buch in vielfacher Hinsicht bewiesen. Es kann daher empfohlen werden.