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Franz Pfemfert

Galionsfigur des litarerischen Expressionismus

Ein früher moderner Künstler aus Ostpreußen – Bekanntschaft mit Trotzki, Brod, Friedlaender und Hardekopf

Martin Stolzenau
26.05.2024

Der Ostpreuße Franz Pfemfert versuchte sich als Lyriker, Literaturkritiker, Publizist, Übersetzer, Verleger und Zeitschriftenherausgeber und stand als Galionsfigur des literarischen Expressionismus neben Herwarth Walden für einige Jahre im Zentrum der frühen Literatur-Moderne in Deutschland.

Er gehörte dann zur Minderheit der literarischen Intelligenz, die sich gegen die nationale Kriegsbegeisterung stellte, vollbrachte mit subtilen Praktiken indirekter Kriegskritik, mit denen er die verschärfte wilhelminische Zensur umging, eine wahre Meisterleistung redaktioneller Arbeit und unterhielt mit seiner Ehefrau lange einen engen Kontakt zu Leo Trotzki. Pfemfert beharrte in der Weimarer Republik auf seiner rätekommunistischen Orientierung und setzte sich damit an deren Ende zwischen alle Stühle. Das mündete in ein politisches Schattendasein, ehe ihn die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten ins Exil trieb, wo er nach einigen Turbulenzen vor 70 Jahren arm, einsam und vergessen verstarb.

Pfemfert wurde am 20. November 1879 in Lötzen geboren. Sein Geburtsort liegt etwa 90 Kilometer nordöstlich von Allenstein, wurde 1340 erstmals urkundlich unter dem Namen Letzenburg erwähnt und erhielt 1612 als Lötzen die Stadtrechte. Heute gehört die geschichtsträchtige Stadt zur polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Eine Umbenennung in Giszycko erfolgte am 4. März 1946 zu Ehren des evangelischen Pfarrers und Sprachforschers Gustav Gisevius, der einst für die polnische Schulsprache in Masuren eingetreten war.

Kindheit in Lötzen
Dort verbrachte Pfemfert seine frühe Kindheit. Sein Vater war Bäcker, wechselte dann wegen besserer Einkommensmöglichkeiten nach Berlin und starb hier, als der Sohn 13 Jahre alt war. Die verwitwete Mutter eröffnete eine Fischhandlung, nahm den Sohn von der Schule und ließ ihn im Geschäft arbeiten. Der junge Pfemfert entzog sich dieser Maßnahme und flüchtete zu den Großeltern nach Lötzen, wo er sich autodidaktisch Bildung aneignete. Doch seine Zukunftsaussichten waren in der durch Rückständigkeit geprägten Masuren-Region ohne Gymnasialabschluss nicht rosig.

Deshalb ergriff der Bäckersohn die Initative und schloss sich als Jugendlicher einem Wanderzirkus an, kehrte mit ihm nach Berlin zurück und hielt sich mit Hilfsarbeiten über Wasser. Pfemfert besuchte ab 1900 politische Versammlungen, bekam Kontakt zu Bohème- und Anarchistenkreisen und lernte über Senna Hoy Alexandra Ramm kennen, seine spätere Frau. Daraus resultierte 1904 seine Mitarbeit an der anarchistischen Literatur-Zeitschrift „Kampf“. Dazu gesellten sich Veröffentlichungen in anderen Zeitungen. Ab 1909 trat er mit politischen Aufsätzen sowie Essays über zeitgenössische Literatur im „Blaubuch“ hervor, ehe er ein Jahr später zum Chefredakteur der politisch-literarischen Zeitschrift „Demokraten“ aufstieg, die als erste Zeitschrift des literarischen Expressionismus gilt.

Pfemfert veröffentlichte zeitkritische Gedichte, Glossen sowie Rezensionen, brachte das berühmte Gedicht „Weltende“ von Jakob van Hoddis heraus und sammelte eine große Schar von damals namhaften Autoren um sich. Das reichte von Gottfried Benn, Max Brod, Paul Scheerbart und Salomo Friedlaender über Alfred Lichtenstein, Kurt Hiller, René Schickele, Oskar Kanehl und Arthur Trebitsch bis zu Ludwig Rubiner, Paul Boldt, Martin Beradt, Ludwig Bäumer und Ferdinand Hardekopf. Das war ein großer Teil der literarischen Avantgarde.

1911 gedieh Pfemfert zum selbstständigen Herausgeber und Verleger der „Aktion“, einer „Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur“, die ab 1912 als „Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst“ firmierte und mit ihren avantgardistischen Autoren schnell eine führende Rolle einnahm. Pfemfert heiratete 1913 und wandte sich sofort nach Kriegsausbruch im Unterschied zu vielen anderen Intellektuellen gegen Chauvinismus und Militarismus. Dabei entwickelte er einen neuen Typus der Antikriegslyrik. Den nationalistischen Propaganda der wilhelminischen Presse stellte er Sondernummern entgegen, die der Kultur der Kriegsgegner gewidmet waren.

Die diesbezüglichen Sonder-Reihen ergänzten das kritische Programm der „Aktion“. Parallel gründete er als politische Alternative die „Antinationale Sozialistenpartei Deutschlands“, die dann mit dem Spartakusbund Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs zusammenarbeitete. Pfemfert übersetzte Lenins „Staat und Revolution“, veröffentlichte die erste Verfassung der jungen Sowjetrepublik und wurde mehrfach verhaftet. Seine Frau unterhielt die „Aktions-Buch-und Kunsthandlung“ in Berlin-Wilmersdorf mit Ausstellungen bekannter Moderne-Künstler wie Egon Schiele und fungierte als Literaturagentin und Übersetzerin von Leo Trotzki, was den freundschaftlichen Kontakt zwischen beiden Familien begründete

Verarmt in Mexiko
Doch am Ende der Weimarer Republik fand Pfemfert in keiner Linkspartei eine politische Heimat. Er wurde Trotzkist und zum Einzelgänger, hielt sich mit einer „Werkstatt für Porträtphotographie“ über Wasser und wurde zusätzlich durch einige Krankheiten und Kuraufenthalte in seiner Wirksamkeit eingeschränkt. 1933 floh er mit seiner jüdischen Frau über die Tschechoslowakei, Paris, Lissabon und New York mit einigen Turbulenzen nach Mexiko, wo er als Fotograf wirkte und mit Leberkrebs am 26. Mai 1954 in finanzieller Not verstarb. Der Vater des literarischen Expressionismus in Deutschland fand seine letzte Ruhe auf dem Pantheon-Friedhof in Mexiko-Stadt. Sein deutscher Nachlass wurde 1933 beschlagnahmt und ging verloren. Sein mexikanischer Nachlass fiel später einer Schiffshavarie zum Opfer.

In den letzten Jahren gab es außer Beiträgen in Lexika zahlreiche Schriften, die sein Leben und Wirken untersuchen. In Berlin-Wilmersdorf erinnert inzwischen in der Nassauischen Straße 17 eine Gedenktafel an Pfemfert.


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