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Hamed Abdel-Samad stammt aus einer dörflichen Lebensgemeinschaft in Ägypten – Um der engstirnigen Gemeinschaft zu entfliehen, kam er nach Deutschland, doch auch hier sieht er besorgniserregende Entwicklungen
Hamed Abdel-Samad ist 1972 als Sohn einer bäuerlichen Familie in einem Dorf nahe Kairo geboren. Seit mehr als 25 Jahren lebt er in Deutschland. Bekannt wurde der Politologe und Publizist durch seine islamkritischen Schriften. Das ist offensichtlich die Begründung dafür, dass 2013 eine Fatwa gegen ihn verhängt wurde, vergleichbar mit der gegen Salman Rushdie 1989. Dessen Umgang war für ihn ein Gradmesser für den Zustand der Freiheit im Westen. Fatwa wird interpretiert als ein Dekret muslimischer Würdenträger mit dem Ziel, antiislamische Aktivitäten zu unterbinden.
In 16 Kapiteln analysiert Abdel-Samad seine Entwicklung eines aus einer ägyptischen Dorfgemeinschaft im islamischen Kulturkreis Stammenden zu seinem heutigen Leben im Umfeld einer werteorientierten Gesellschaft deutschen Zuschnitts. Das ist ein totaler Bruch mit der ersten Phase seines Lebens und damit seiner Heimat. „Eine Dorfgemeinschaft wird von fünf Prinzipien bestimmt: Zusammenhalt, Uniformität, Solidarität, Religiosität und eine klare Hierarchie.“ Im Klartext: Der Mann ist allmächtig in seiner Familie und in seinem Clan, und wer ausbricht, ist ein Rebell. Ein Witz zeigt den nach unserer Ansicht absurden Brauch: „Warum muss eine Frau barfuß in Kuhmist treten, damit sich ein Mann wichtig fühlt?“ Dies beweist, in welcher Weise dem Einzelnen Zügel angelegt werden, und von einem freien Willen für die Menschen nicht gesprochen werden kann.
Abdel-Samad beschreibt diese Phase seines Lebens sehr deutlich am Beispiel seiner Mutter, die, ursprünglich eine Rebellin, erst spät ihre Selbstständigkeit durch Uniformierung verlor. Diese Erkenntnis erschütterte ihn zutiefst, und er begann, am Gottesbild des Islam zu zweifeln. Im Ergebnis sah er in dieser Unmündigkeit des Einzelnen das Herrschaftsinstrument jedes Diktators in Nahost, im Namen Gottes oder der Vaterlandsliebe über die Menschen zu herrschen.
Der Schritt in die Gegenwart Deutschlands und darüber hinaus in die westliche Welt war für ihn logische Konsequenz. In der neuen Umgebung hoffte er, die wahre Freiheit als Individuum, als mündiger Bürger und wachsamer Konsument zu finden Er traf indes auf Strukturen, die ihn an seine Heimat Ägypten erinnerten und die er als überzeugter Anhänger der Freiheit nicht akzeptieren konnte: „Dass eine offene Gesellschaft offen bleibt für jeden Einzelnen, unabhängig von seiner Herkunft, und dass sie kritisch bleibt gegenüber jeder Gruppe, die nicht im Interesse der Gesellschaft als Ganzes arbeitet, sondern nur für mehr Macht der eigenen politischen, ethnischen oder religiösen Gruppe, ohne Rücksicht auf den Einzelnen und die Gemeinschaft.“
Es ist hervorzuheben, dass er, orientiert an diesen Grundsätzen, die zahlreichen Gruppen, Gruppierungen, Vereinigungen, Bewegungen, Rechte, Linke oder Protestbewegungen, die gegenwärtig das Bild der deutschen Gesellschaft bestimmen, beschreibt. „Wir sind Zeugen einer Renaissance alter Ideologien, die in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts ... aufblühten: Kommunismus, Faschismus, Islamismus. Diese Ideologien haben sich seither weiterentwickelt, aber ihren totalitären Kern nicht verloren.“ Er befürchtet den allmählichen Verlust des westlichen Wertesystems in Deutschland, in Europa und weltweit. Der Autor spricht von einem Kampf um die Deutungshoheit der westlichen Grundwerte Freiheit und Demokratie, weil diese je nach Bedarf in Anspruch genommen werden, für Andersdenkende aber nicht gelten.
Dies ist eine eher pessimistische Sicht, die man in dieser Form nicht teilen muss, aber man sollte sie zur Kenntnis nehmen. Eindeutig werden positive Elemente gerade bei der Schilderung der deutschen Szene vermisst, die zahlreichen Zeichen gefestigter Demokratie angesichts der Anschläge radikaler Kräfte in Kirchen oder auf Märkten. Diese Haltung wird von demokratischen Parteien übernommen, sie macht Hoffnung auf die Stabilität unserer politischen Ordnung.
Hamed Abdel-Samad: „Der Preis der Freiheit – Eine Warnung an den Westen“, dtv, München 2024, Hardcover,
284 Seiten, 24 Euro