Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Es mag unfair sein, dass sich gar nicht wenige Ostdeutsche vom derzeitigen innenpolitischen Klima an die DDR erinnert fühlen. Doch immer wieder gibt es Vorgänge, die man noch vor zwanzig Jahren für undenkbar gehalten hätte, die nun aber wie staatspolitische Notwendigkeiten hingestellt werden. Wie unter einer Lupe zeigte sich derlei unlängst in Ludwigshafen.
In dieser Großstadt beherrschten Sozialdemokraten jahrzehntelang die Kommunalpolitik. Erst in den letzten Jahren wurde die SPD von der CDU und – bei der jüngsten Bundestagswahl – auch von der AfD überholt. Diese gewann damals nicht weniger als 24 Prozent und wurde, knapp vor der CDU und klar vor der SPD, zur stärksten Partei, während sie noch im Vorjahr bei den Stadtratswahlen bloß an dritter Stelle gelegen hatte. Dank solchen Aufwinds seiner Partei hatte der AfD-Kandidat für die im September anstehende Oberbürgermeisterwahl, der Gymnasiallehrer und langjährige Landtagsabgeordnete Joachim Paul, durchaus Chancen auf den Wahlsieg. Doch seine politischen Gegner konkurrierten nicht mit ihm, sondern verhinderten einfach seine Kandidatur. Obendrein geschah das auf so skandalöse Art, dass die Ludwigshafener Vorgänge ein Alarmsignal für ganz Deutschland sein sollten.
Regeln des passiven Wahlrechts
Die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen wird in Deutschland von lokalen oder regionalen Wahlausschüssen sichergestellt. Diese prüfen auf der Grundlage fristgerecht eingereichter Wahlvorschläge vorab, ob eine Partei, eine Wählergruppe oder ein Einzelbewerber überhaupt zur Wahl zugelassen werden kann. Festzustellen ist dabei, ob die Kandidaten das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter erreicht haben, ob sie – wie meist gesetzlich verlangt – im Wahlkreis oder Ort ihrer Kandidatur ihren Wohnsitz haben, und ob ihnen womöglich, etwa aufgrund einer mehrjährigen Freiheitsstrafe, das passive Wahlrecht entzogen wurde. Das alles sind objektive Kriterien, die sich ganz unparteiisch feststellen lassen.
Eben darauf beschränkte sich bislang jede Prüfung der „Wählbarkeit“ eines Kandidaten. Nicht dessen persönliche Verfassungstreue wurde je überprüft, sondern allein jene seiner Partei – und auch das nur, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diese ein Verbotsverfahren angestrengt wurde.
Im siebenköpfigen Ludwigshafener Wahlausschuss, der aufgrund einer Fristverfehlung der AfD nur aus deren Konkurrenten zusammengesetzt ist, verfiel man nun auf die Idee, man selbst habe hinsichtlich der „Wählbarkeit“ des AfD-Kandidaten zu überprüfen, ob dieser die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Landes einzutreten.
Zu deren – vom Bundesverfassungsgericht 1952 definierten – acht Prinzipien, ihrerseits Konkretisierungen von Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und pluralistischer Demokratie, gehören übrigens die Chancengleichheit konkurrierender Parteien und das Recht auf Ausübung von Opposition. Das Grundgesetz legt fest, dass Parteien und Verbände dann verboten werden können, wenn sie aktiv auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, also extremistisch sind. Sogar Einzelne können wichtige Grundrechte dann verwirken, wenn sie sich extremistisch betätigen. Doch darüber entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht.
Ausschluss auf Zuruf einer NGO
In Ludwigshafen hat nun aber ein aus Vertretern konkurrierender Parteien bestehender Wahlausschuss einem Staatsbürger sein passives Wahlrecht für eine anstehende Wahl entzogen. Besonders erhellend ist, wie sich dies vollzog. Ein Netzwerk von NGO-Aktivisten hatte sich an die Vorsitzende des Wahlausschusses mit dem Wunsch gewandt, dass die Wahl des AfD-Kandidaten verhindert werde. Beigefügt war ein entsprechendes „Dossier“ über diesen. Die Vorsitzende – ihrerseits die amtierende, doch nicht mehr kandidierende Oberbürgermeisterin, bis 2023 übrigens Mitglied der SPD – forderte einige Zeit später von der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums eine amtliche Stellungnahme zum AfD-Kandidaten an. Die ging ihr kurze Zeit später als elfseitiger Text zu. Der stellte, im Wesentlichen, passend gedeutete Zitate des AfD-Kandidaten zusammen. Dieses Dokument sandte die Vorsitzende mit Dank für das vorangegangene Engagement an die Initiatoren jenes NGO-Netzwerks sowie an alle im Wahlausschuss vertretenen Parteien. Dort wurde dann, gegen die Stimme des FDP-Vertreters, der AfD-Kandidat abgelehnt. Die NGO-Aktivisten und ein Landtagsabgeordneter der Grünen freuten sich darüber ausdrücklich.
Der ausgeschlossene AfD-Kandidat erbat sich sofort Rechtschutz vom zuständigen Verwaltungsgericht und dann vom Oberverwaltungsgericht. Beide Gerichte betrieben, was man als „Arbeitsverweigerung“ empfinden kann: Man sei zeitlich nicht in der Lage, sich ein belastbares Urteil über die Verfassungstreue des Klägers zu erarbeiten; und ohnehin sei dessen Eilantrag unzulässig, weil ein Wahlprüfungsverfahren nur nachträglich möglich sei, falls es nicht um offensichtliche Willkür ginge. Solche erkannten beide Gerichte nicht. Sie hielten auch anscheinend jenen Schaden für geringer, den eine mögliche Wahlwiederholung mit sich bringt, als jenen, den ein „Parteiverbot durch die Hintertür“ grundsätzlich für Deutschlands Demokratie anrichtet.
Vom Präzedenzfall zur Regel?
Denn wenn Wahlausschüsse Kandidaten als deshalb „unwählbar“ streichen können, weil diese von den – allenthalben AfD-gegnerischen Innenministern unterstellten – Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem hingestellt werden: Was mag dann dagegen schützen, dass künftig sehr viele AfD-Kandidaten dank geeigneter NGO-Initiativen einer „Regelanfrage“ beim Verfassungsschutz unterzogen werden? Und dass man unliebsame Kandidaten dann einfach streicht? Auf diese Weise wäre die AfD wirkungsvoll von Wahlämtern ausgeschlossen – und sogar ohne jedes Risiko, dass ein Parteiverbotsverfahren zugunsten der AfD ausginge.
Freilich bleibt dann immer noch die Frage, was eigentlich AfDler daran hindert, solche Aussagen und Handlungen einfach zu unterlassen, die man mit plausiblen Gründen auch als gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet auslegen kann ...