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Italien

Gefängnis für einen Grenzschützer?

Matteo Salvinis hartes Vorgehen gegen Bootsmigranten – Giorgia Melonis Stellvertreter steht vor Gericht

Peter Entinger
30.09.2024

Die ohnehin an Anekdoten nicht arme italienische Politik ist um eine Facette reicher. Der Vorsitzende der Rechtspartei Lega und stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für sechs Jahre ins Gefängnis. Die Strafverfolger der Region Sizilien werfen Salvini vor, Bootsmigranten rechtswidrig in eine Art Geiselhaft genommen zu haben, als er dem spanischen Rettungsschiff „Open Arms“ mit rund 150 Afrikanern an Bord im August 2019 sechs Tage lang die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa verweigerte.

Die Lega hatte im Juni 2018 mit der Fünf-Sterne-Bewegung eine Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte gebildet, nachdem diese Partei mit knapp 33 Prozent und die Lega mit 17 Prozent die vorherigen Parlamentswahlen gewonnen hatten. Doch das Bündnis hielt nicht lange, auch weil sich Salvini nicht in die Kabinettsdisziplin einfügte.

Salvini war bei dem bereits seit drei Jahren laufenden Prozess nicht im Gerichtssaal. Auf seinem Instagram-Kanal schrieb er: „Ich würde alles wieder so machen.“ Nachdem die Beweisaufnahme abgeschlossen war, hielt die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer. Salvinis Verteidigung wird in einigen Wochen kontern. Das Urteil soll in einem Monat fallen. Selbst bei einem möglichen Schuldspruch würde Salvini nicht unmittelbar ins Gefängnis müssen. Er wird direkt in Berufung gehen und dann möglicherweise in dritter Instanz vor das Kassationsgericht ziehen. Bis dahin vergeht noch viel Zeit, die Rede ist von mindestens drei Jahren.

Salvini hatte in den vergangenen Monaten wiederholt erklärt, er habe bloß das Vaterland verteidigt und „die Grenzen geschützt“. Sein Vorgehen sei damals die Linie der gesamten Regierung inklusive der Absprache mit Ministerpräsident Conte gewesen. Die Staatsanwaltschaft erwidert, die Schließung der Häfen habe in der exklusiven Zuständigkeit des Innenministers gelegen.

In der Bundesrepublik würde ein solcher Prozess mit großer Wahrscheinlichkeit zum Rücktritt eines Ministers führen. Doch noch steht das Mitte-Rechts-Bündnis um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hinter Salvini. Meloni schrieb auf der Plattform X: „Es ist unglaublich, dass ein Minister der Republik Italien sechs Jahre Gefängnis riskiert, weil er seine Aufgabe wahrnimmt, die Grenzen der Nation zu verteidigen.“ Die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei PD, Elly Schlein, beschuldigte Meloni daraufhin, den Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Regierung und Justiz zu missachten.

Dass Salvini der Vorladung zu Gericht nicht nachgekommen ist, hat die Stimmung in Italien verschärft. Der Richterbund sprach von einem Affront und kritisierte die Einmischung der Regierung in den Prozess, und die Opposition forderte Salvinis Rücktritt.

„Ich bekenne mich schuldig, Italien und die Italiener zu verteidigen. Ich bekenne mich schuldig, mein Wort zu halten“, ließ der 51-jährige Politiker in einer Videobotschaft verlauten. Er erklärte, die Zahl illegaler Ankünfte an der Küste habe sich in seiner Amtszeit von rund 42.700 auf 8691 reduziert. „Während der besagten Reise schifften wir immer Kinder, Kranke und Schwangere aus“, fügte er hinzu. Die Linken im Parlament hätten die Gesetze so geändert, dass sie Grenzsicherung ein Verbrechen sei, erklärte Salvini weiter: „Kein Minister in der Geschichte wurde bisher dafür angeklagt.“

Nach einer Reihe von Wahlniederlagen steht er massiv unter Druck. Da kommt ihm der Prozess möglicherweise gerade recht, um die Reihen hinter sich zu schließen. Noch scheint das zu funktionieren.


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