15.12.2024

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Baltikum

Geldnot wegen Demographie – Baltikum hat Steuerproblem

Um die Nato-Vorgaben für mehr militärische Sicherheit zu erfüllen, erhöhen Litauen, Estland und Lettland die Steuern – aber die Zahl der Steuerzahler sinkt

Hermann Müller
03.09.2024

Rund zwei Millionen Esten, Letten und Litauer demonstrierten im August 1989 mit einer 600 Kilometer langen Menschenkette durch die damaligen Sowjetrepubliken für die Unabhängigkeit des Baltikums. Mit ihrer Aktion erinnerten die Balten seinerzeit an den Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939. Die einstige Zusatzvereinbarung zu dem Abkommen der beiden Diktatoren hatte die drei baltischen Staaten 50 Jahre zuvor ihre Unabhängigkeit gekostet.

Dreieinhalb Jahrzehnte nach der legendären Menschenkette durch das Baltikum ist nun im Südwesten Litauens der Grundstein für einen Standort der Bundeswehr gelegt worden. Bereits nächstes Jahr will die Truppe in Litauen eine schwere Kampfbrigade aufstellen. Bis 2027 soll die Brigade Litauen dann mit 5000 Bundeswehrangehörigen ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht haben.

Stationiert wird die Brigade an einer geopolitisch höchst sensiblen Stelle. Nicht weit entfernt sind die Grenze zu Weißrussland und die sogenannte Suwalki-Lücke. Dieser schmale Landstreifen, der aktuell als einer der gefährlichsten Orte Europas bezeichnet wird, verbindet Litauen mit der polnischen Woiwodschaft Podlachien.

Schießstände für MG und Panzer
Neben Stabs- und Unterkunftsgebäuden entstehen am neuen Bundeswehrstandort auf dem litauischen Truppenübungsplatz Rūdninkai auch Werkstätten, sowie Sport- und Ausbildungsanlagen. Nach Angaben von Litauens Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas sind ebenso Schießstände für Maschinengewehre und Schützenpanzer sowie ein Panzerübungsplatz geplant. Anlässlich der Grundsteinlegung für den neuen Standort waren weder Bundeskanzler Scholz noch Verteidigungsminister Pistorius (SPD) oder Außenministerin Baerbock (Grüne) ins Baltikum gereist. Deutschland wurde nur durch den Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums, Nils Hilmer, vertreten.

Für Litauen war die Grundsteinlegung dagegen offenbar ein Termin von höchster Priorität. Neben Verteidigungsminister und Generalstabschef war auch Premierministerin Ingrida Šimonytė in Rūdninkai präsent. Tatsächlich ist die Verteidigungspolitik für alle drei baltischen Länder ein Top-Thema.

Alle drei Staaten haben angesichts des Ukrainekrieges im Jahr 2023 neue Verteidigungsstrategien beschlossen. Litauen will die Nato-Vorgabe zu den Verteidigungsausgaben deutlich übererfüllen. Statt den zwei Prozent der Wirtschaftsleistung will das Land bis spätestens 2027 die Drei-Prozent-Marke für Verteidigung erreichen. Mit dem zusätzlichen Geld will Litauen auch in den USA und Deutschland Rüstungsgüter einkaufen. Teil der neuen Verteidigungsstrategie sind zudem Mobilisierungspläne und Vorbereitungen für zivilen Widerstand im Fall eines Krieges. Als wichtigen Baustein der Landesverteidigung sieht Litauens Regierung die geplante dauerhafte Stationierung der Bundeswehrbrigade.

Bereits weit über Nato-Vorgabe
Lettlands Verteidigungsausgaben liegen dieses Jahr mit 2,4 Prozent und geplanten 2,5 Prozent für 2025 bereits deutlich über dem Nato-Ziel. Estland liegt bereits jetzt bei 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit seinen lediglich 1,2 Millionen Einwohnern gibt der Baltenstaat damit in diesem Jahr immerhin 1,3 Milliarden Euro für die Verteidigung aus.

Für alle drei Länder stellen die steigenden Verteidigungsausgaben einen finanziellen Kraftakt dar, der mit Kürzungen in anderen Bereichen oder Steuererhöhungen bezahlt werden muss. In Estland ist zum Jahresanfang bereits die Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent angehoben worden. Obendrein haben die Esten mit einer extrem hohen Inflation zu kämpfen. Zur Deckung der steigenden Staatsausgaben denkt Estlands Regierung bereits über die Einführung von neuen Steuern nach. Auf längere Sicht wird auch die bislang extrem niedrige Staatsverschuldung Estlands steigen.

Litauens Parlament hat zur Anhebung des Verteidigungshaushaltes bereits im Juni Steuererhöhungen beschlossen. Genutzt werden sollen die zusätzlichen Steuereinnahmen auch zur Finanzierung der Infrastruktur für die neue Brigade.

Mit Steuererhöhungen, also zusätzlichen Belastungen der Bürger, besteht das Risiko, das sich ein grundlegendes Problem der baltischen Länder verstärkt. Das Baltikum steuert in den nächsten Jahrzehnten nämlich auf ein drastisches Absinken der Bevölkerungszahl zu. Diese Entwicklung kann sich durch Abwanderung junger Leistungsträger noch verschärfen. Eine Prognose von Eurostat sagt voraus, dass lediglich Estland in den kommenden Jahrzehnten mit einer annähernd konstanten Bevölkerungszahl rechnen kann. Insgesamt gehen Bevölkerungsforscher davon aus, dass die Einwohnerzahl der baltischen Länder jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts von derzeit sechs Millionen auf etwa vier Millionen absinken wird.


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