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Literatur

Gemeinsam waren sie stark

Agathe Lindner-Welk – Die vielseitige Schriftstellerin schuf ein Museum für ihren Ehemann Ehm Welk

Martin Stolzenau
08.11.2024

Ehm Welk hat sich als kritischer Journalist, Dramatiker und vor allem als Erzähler einen Namen gemacht. Er knüpfte mit seiner Erzählkunst an Vorbilder wie Charles Dickens, Wilhelm Raabe sowie Fritz Reuter an und offenbarte dabei eine reiche Menschenkenntnis, große Volksverbundenheit sowie eine beispielhafte Heimatliebe.

Mit seiner humanistischen Gesinnung und gekonnten Erzählweise schuf der Autor aus der Uckermark mit Werken wie der „Kummerow-Trilogie“ und dem autobiographischen Erzählbuch „Mein Land, das ferne leuchtet“ wahre Bestseller. Seine „Heiden von Kummerow“ wurden als einer der wenigen Koproduktionen fürs West- und DDR-Fernsehen verfilmt. Die Fortsetzung „Die Gerechten von Kummerow“ wurde später allein von der DEFA verfilmt. Sein Werk gilt über alle Zeitenwechsel hinweg bis heute als fester Bestandteil der deutschen Nationalliteratur.

Wie bei den meisten erfolgreichen Männern stand an der Seite von Welk ebenfalls eine herausragende Frauenpersönlichkeit. Das war Agathe Lindner- Welk. Sie stellte über Jahrzehnte ihre eigenen schriftstellerischen Fähigkeiten in den Dienst ihres Mannes, fungierte als seine Sekretärin sowie „erste Kritikerin“. Nach dessen Tod ordnete sie seinen Nachlass und half tatkräftig beim Aufbau des „Ehm-Welk-Literatur­museums“ in Angermünde mit.

Doch in allen bekannten Biographien über Welk wird Agathe Lindner-Welk nur am Rande erwähnt. Allein im „Bad Doberaner Jahrbuch“ von 1999 ist ihr von Monika Schürmann auf den Seiten 47 bis 57 eine biographische Skizze gewidmet, welche die Ehefrau Welks nach ihrem eigenen Tod vor 50 Jahren aus dem Schatten ihres Mannes hebt und ihren Anteil an seinem Wirken würdigt.

Welks Ehefrau wurde am 27. April 1892 in Berlin als Agathe Lindner geboren. Sie war das älteste von drei Kindern der Familie. Ihr Vater war der Berliner Brauereidirektor Otto Lindner, die Mutter eine Tochter von Friedrich Castorf, dem damaligen Obermeister der Berliner Tischlerinnung. Die Familie lebte zunächst im Wohlstand.

Doch das änderte sich nach dem frühen Tod des Vaters 1902. Die besonders begabte Tochter, die vielgestaltige Interessen offenbarte und sich zur Literatur hingezogen fühlte, konnte die inzwischen verbesserten Möglichkeiten für eine erweiterte Frauenbildung nicht nutzen, weil das Geld fehlte. Sie besuchte ab 1907 die Handelsschule der Berliner Kaufmannschaft, arbeitete dann in einem Handelsunternehmen und heiratete nach dem Erlebnis des Krieges und des Zusammenbruches der Hohenzollern-Monarchie 1922 Otto Hofmeister, der nach dem Krieg mit gesellschaftskritischen Texten hervorgetreten war.

Die „Heiden“ gemeinsam erarbeitet
Hofmeister und Welk waren Freunde. So lernte Agathe Lindner durch Hofmeister auch Welk kennen. Das hatte Folgen: Als Hofmeister noch 1922 überraschend starb, stand Welk der trauernden Witwe bei. Beide pflegten zudem ähnliche Interessen. Sie liebten die Literatur und Tiere.

Über einen intensiven Briefwechsel entwickelte sich zunächst eine enge Freundschaft und schließlich Liebe. Im Jahr 1924 entschlossen sich die Hofmeister-Witwe und Welk zur Heirat. Parallel veröffentlichte die junge Frau erste eigene Gedichte und Reiseberichte. Welk wirkte als Chefredakteur einer Zeitschrift und löste mit seinen gesellschaftskritischen Dramen eine öffentliche Kontroverse aus.

Seine linke Haltung trug ihm unter den Nationalsozialisten eine kurzzeitige Haft und berufliche Einschränkungen ein. Deshalb zog das Paar zunächst nach Lübbenau im Spreewald, wo Welk mit der Arbeit an seiner „Kummerow“-Trilogie begann. Seine Frau assistierte ihm. Daneben verfasste sie eigene Gedichte sowie Prosa wie „Madonna an der Treppe“ und „Die Stimme Irgendwo“. Dennoch stellte sie ihre Fähigkeiten im wachsenden Maße in den Dienst ihres Ehemannes.

Ab 1940 lebte das Ehepaar dann in Neuenkirchen am Rande der Ueckermünder Heide im östlichen Vorpommern. Der Ort nahe Stettin, der lange zu den Landkreisen von Randow und Ueckermünde gehörte, ist heute Teil der polnischen Gemeinde Dobra im Kreis Police, dem früheren Pölitz.

In Neuenkirchen verschanzte sich das Schriftstellerpaar in der Inneren Emigration. Welk setzte seine „Kummerow“-Trilogie fort, und seine Ehefrau half ihm bei der Arbeit. Allein seine 1937 erschienenen „Heiden von Kummerow“ erreichten bis zum Kriegsende eine Auflage von 750.000 Exemplaren. Die Nationalsozialisten ließen diese heimatbezogene Existenznische zu. Doch als die Rote Armee nahte, floh das Paar Anfang 1945 über Ueckermünde nach Schwerin, wo der unbelastete Schriftsteller Welk beim Aufbau eines neuen Volksschulwesens in Mecklenburg-Vorpommern einbezogen wurde.

Bemerkenswerte eigene Werke
Ab 1950 arbeitete Welk wieder als freischaffender Schriftsteller in Bad Doberan. Seine Frau assistierte weiter und schuf dazu auch wieder eigene Prosa. 1962 erschien von Agathe Lindner-Welk der Roman „Juliane Wied“. Darin wird die Entwicklung einer jungen Frau in einem Prozess der Selbstfindung als Lehrerin und Malerin geschildert. Die Heldin kämpft in diesem Werk für die Rechte der Frauen, für mehr Menschenliebe und für einen hoffnungsvollen Aufbruch in eine bessere Zukunft nach 1945. Dabei gelangte die Autorin mit ihrer Heldin zu der Erkenntnis: „In seinem Werk reicht der Mensch sich weiter.“

Doch Agathe Lindner-Welk empfahl sich nicht nur mit ihren veröffentlichten Arbeiten weiter, sondern auch mit ihrem Beitrag zum Werk ihres Mannes, der 1966 in Bad Doberan starb. Nach dem Tod Welks blieb sie in seinem Sinne tätig. Sie ordnete seinen Nachlass, initiierte Neuveröffentlichungen seiner Werke und engagierte sich für das Ehm-Welk-Museum in Angermünde
Lindner-Welk starb am 8. November 1974 in Bad Doberan, acht Jahre nach ihrem berühmten Mann. Kurz zuvor war zum 90. Geburtstag Ehm Welks eine Briefmarke zu ihm veröffentlicht worden. Ihre letzte Ruhe fand die engagierte Schriftstellerin auf dem Friedhof in Bad Doberan neben ihrem Ehemann. Ihr gemeinsames Grab mit Stein blieb erhalten.


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