22.05.2024

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Östlich von Oder und Neiße

Geschäftsanbahnung läuft jenseits der Neiße ganz anders

Ein polnischer Partnerbusinessclub hat erstmals in der Bundesrepublik getagt – Kennenlernen in lockerer Atmosphäre

Till Scholtz-Knobloch
12.02.2024

Es ist Sonnabendabend. Das historische Gebäude in der Görlitzer Neißstraße, in dem sonst Borowski-Glaskunstwerke das Auge erfreuen, füllt sich mit Gästen. Es sind vorwiegend polnische Geschäftsleute aus Hamburg, Berlin, Danzig und vielen kleineren Orten Niederschlesiens aus den unterschiedlichsten Branchen. Sie wollen in der Bundesrepublik investieren und möchten Kontakte knüpfen. Eingeladen hat der polenweit agierende Partnerbusinessklub (Partnerski Klub Biznesu).

Für das erste Treffen am deutschen Neißeufer hatte Katarzyna Hübner gesorgt. Die Geschäftsfrau aus Leopoldshain [Łagów] hatte 2005 die erste deutsch-polnische Schule direkt an der Staatsgrenze, im zur Republik Polen gehörenden Teil der Neißestadt Görlitz [Zgorzelec] gegründet. Ihre Schule begleitet Kinder und Jugendliche vom Vorschulkindergarten bis zum Abitur. 2022 kam eine weitere Schule im 100 Kilometer entfernten Liegnitz [Legnica] dazu, die mit Mercedes-Benz Polen zusammenarbeitet und den Schülern Praktikumsplätze in Aussicht stellt. „Durch Katarzyna Hübner habe ich ihren Ehemann, den Bäckermeister in vierter Generation, Armin Hübner aus Horka, kennengelernt“, so Michał Huzarski. Der gebürtige Liegnitzer hat durch sein Studium die ersten geschäftlichen Schritte in Danzig gemacht, eine Kaschubin geheiratet und betreut im Rahmen des Partnerbusinessclubs Unternehmer in Liegnitz und Umgebung. „Katarzyna hatte mich und unseren Chef für die Woiwodschaft Niederschlesien in die Bäckerei ihres Mannes nach Horka gebracht. Bäckermeister Armin Hübner fragte uns ganz pragmatisch: ‚Was könnt ihr für mich tun?' Ich schaute mich um und sah, dass Armin Liegnitzer Bomben herstellt.“ Und die ist polnischen Neubürgern als deutsches Erbe nicht bekannt! „Armins Bombe war die Erste, die ich, ein 47-jähriger Liegnitzer, im Leben probiert hatte! Das Zweite, was unser Interesse weckte, war Armins Dosenbrot. Weil unser Partnerclub auch karitativ unterwegs ist, kam mir sofort in den Sinn: Brot in Büchsen lässt sich wunderbar in Notgebiete verschicken. So entstehen Netzwerke“, sagt Huzarski.

Zu einem nächsten Treffen in Görlitz möchte er den Görlitzer Oberbürgermeister einladen, damit er sieht, wie Netzwerke und Ideen in einer ungezwungenen Atmosphäre entstehen. Das funktioniert in Polen anders als in der Bundesrepublik, wo erfolgreiche Unternehmer gerne hinter hohen Mauern leben, den Erfolg still genießen und bei der Suche nach Geschäftspartnern mit ihrem Anliegen gerne mit der Tür ins Haus fallen. Der Pole hingegen lädt avisierte Geschäftspartner daheim zum Grillen ein und kommt dann am vierten Abend vielleicht mit einer Idee an, wenn der Deutsche längst sein Hirn martert, wieso denn immer noch kein Vertrag unterschrieben wurde.

Für Hübner ist es das fünfte Treffen. Er freut sich, dass die polnischen Partner so locker sind, bei ähnlichen Treffen deutscher Unternehmer gehe es zugeknöpft zu, sagt er. „Zum vorherigen Treffen in Liegnitz hatte ich einen deutschen Bekannten mitgenommen, der am Anfang skeptisch war. Doch danach musste er feststellen, dass er seit zehn Jahren in Deutschland nach einem Geschäftspartner gesucht hatte, den er letztendlich in Liegnitz fand“, so Hübner. Er brachte diesmal einen Großgastronomen aus Niesky mit. Jörg Kalbas sucht Mitarbeiter für sein Haus, aber in Anbetracht der durch die Decke gehenden Baukosten hörte er sich auch nach Partnern in der Baubranche um. Er streckte seine Fühler nach Baufirmen aus, die schnell und effektiv bauen: „Dass ich mich heute als Abfallprodukt auf Baufirmen konzentrieren würde, habe ich so auch nicht erwartet. Für mich ist das hier wie eine Messe,“ lacht er.

Hübner ist zufrieden, denn nächste Woche geht sein Dosenbrot zum ersten Mal in die Vereinigten Arabischen Emirate: „Mit deutscher Hilfe ist das nicht passiert. Ich spreche zwei Sprachen fließend, kenne den polnischen Markt und ich kann auch gut als Zwischenhändler agieren“, so Hübner, der an diesem Abend gleich mehrere Unternehmer mit Tipps oder konkreten Firmenkontakten bedienen kann.

„Görlitz ist unsere Tür in die westliche Welt des Business“, sagt Huzarski. „Unsere Vision ist es, eine starke Gemeinschaft von Unternehmern zu schaffen, die ihre Erfahrungen teilen, sich gegenseitig unterstützen und dauerhafte Geschäftsbeziehungen aufbauen“ und er mahnt: „Denke an Beziehungen, nicht an Transaktionen, denn diese kommen mit der Zeit von selbst.“


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