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Geschichtsvergessen

Klaus Weigelt
04.10.2020

Bereits seit dem 9. November vergangenen Jahres finden bundesweit Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit statt. Sie werden am 3. Oktober dieses Jahres in Potsdam beendet. Gefeiert wird die Vereinigung der DDR mit Westdeutschland im Jahre 1990 und damit die Befreiung von 17 Millionen Deutschen aus der Diktatur des SED-Unrechtsstaates. Das ist ein Anlass zu großer Freude.

Für einen Königsberger und Ostpreußen mischt sich in diese Freude ein Wermutstropfen. Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 wurde festgeschrieben, was für den Kenner bereits seit der Konferenz von Teheran 1943 Faktum war: die Abtretung des damaligen deutschen Staatsgebietes jenseits von Oder und Neiße an Polen und die Sowjetunion.

Der Staat Preußen wurde von den Alliierten 1947 aufgelöst. Königsberger kommen also in der deutschen Einheit nicht mehr vor: Ihre Stadt liegt heute auf russischem Hoheitsgebiet.

Im Hinblick auf ihre eigene Heimat sehen viele Ostdeutsche das ebenso. Nicht wegen der territorialen Amputation des deutschen Staatsgebietes. Diese war nach allem, was das Deutsche Reich zwischen 1933 und 1945 angerichtet hatte, eine schmerzliche Folge.

Was nicht akzeptiert werden kann, ist die aus Unkenntnis oder mangelndem Patriotismus hingenommene geistige, historische und kulturelle Amputation: Die in Jahrhunderten erbrachten Leistungen der Deutschen in Pommern, Ost- und Westpreußen, Ostbrandenburg und Schlesien werden zunehmend dem Vergessen anheimgegeben.

Diese „Geschichtsvergessenheit“ wurde den Deutschen von niemandem aufgezwungen. Sie ist vielmehr die Folge der Tatsache, dass man sich nicht mehr ausreichend für die geistigen, historischen und kulturellen Leistungen des deutschen Ostens interessiert. Deswegen spielt dieses Thema bei den Einheitsfeierlichkeiten leider keine Rolle.

Das größte Opfer, das für die Einheit erbracht wurde, wird ausgegrenzt: der Verzicht auf das zu Deutschland gehörende kulturelle Erbe des deutschen Ostens.

Es schmälert die Freude an der Einheit, und es würde die Freude an der Einheit vergrößern, wenn bei den Feiern auch der großen Leistungen gedacht würde, die über Jahrhunderte im Osten von und für Deutschland erbracht wurden und bis heute Bestand haben.

Da geht es nicht nur um den aus Königsberg stammenden Weltweisen Immanuel Kant, sondern auch um die Lieder aus dem Dichterkreis um Simon Dach, wie „Macht hoch die Tür“ oder „Mit Ernst, o Menschenkinder“, die in der Advents- und Weihnachtszeit gesungen werden und die erstmals vor Jahrhunderten im Königsberger Dom erklungen sind. Und vieles andere mehr.

Aber ein Erinnern geschieht nicht.

• Der Autor ist Präsident der Stiftung deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR.


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Kommentare

Jan Kerzel am 10.10.20, 23:25 Uhr

Siegfried Hermann. Putin bietet überhaupt nichts an und hat dies auch nie getan. Er stichelt gerne substanzlos bzgl. deutscher Souveränität etc.. Niemand hätte Putin aufgehalten, den Deutschen, nicht der Bundesrepublik, eine Teilhabe im Oblast Kaliningrad zu gewähren. Das ist aber nicht sein Interesse, obwohl er dabei für sich und Russland viel Ansehen und Einfluss erworben hätte. Sein Interesse sind der Gasverkauf und technologische Transfers, politisch setzt er Instabilität in den Nachbarstaaten. Mit Sicherheit kein Partner!

Michael Holz am 07.10.20, 09:39 Uhr

Sehr geehrter Herr Weigelt, die Deutschen unserer Zeit sind nicht "geschichtsvergessen", sie haben nur auf Grund der erfolgreichen Indoktrination der Sieger ihre eigene Geschichte verdrängt.
@ Siegfried Hermann: Sie schreiben, Putin hätte "die Rückgabe der Ostgebiete mit einen Friedensvertrag (!) angeboten!?" Könnten Sie ernsthafte Quellen für diese Behauptung nennen? Man sagte, bereits Gorbaschov hätte 1989 im Gespräch mit Helmut Kohl dieses erwähnt. Der damalige Kanzlerberater Telschik (oder so ähnlich) hat dies jedoch stets verneint. Kohl sollte die Reaktion der Polen gefürchtet haben, Deutschland könnte die derzeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete zurück verlangen. Die armen Polen, die würden dann ja wieder die unter ukrainischer Verwaltung stehenden polnischen Ostgebiete zurück verlangen. Das geht schon einmal gar nicht!

Chris Benthe am 05.10.20, 06:43 Uhr

Danke für diesen bemerkenswerten Beitrag.

Siegfried Hermann am 04.10.20, 14:55 Uhr

Das ist staatsrechtlich nicht ganz richtig.
Selbst das BVG hat in einen Grundsatzurteil festgestellt, das das Deutsche Reich und der Staat Preußen weiterhin völkerrechtlich in "Abwesenheit" besteht!
Genauso ist/ war den Alliierten nach HLKO und Völkerrecht, das auch die usa ratifiziert haben (!) verwehrt nach eigenen Gusto Deutschland neu einzuteilen und einfach ihr US-Ldt.-Geschäftssystem überzustüpseln. Und Deutschland - mal wieder- die Alleinschuld zu geben, ist ja auch Geschäfts-gebarden der wallstreet.
Oder wie Mao sagte: Wer die Gewehre hat, hat die Macht.
Da ist noch lange nicht das letzte Wort und Zustand gesprochen. Warum sonst hat Putin wiederholt die Rückgabe der Ostgebiete mit einen Friedensvertrag (!) angeboten!?
Der Schlussstein zum Welt-Frieden ist und bleibt Deutschland und zwar ein komplett vereinigtes Deutschland!

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