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Rekordzahlen bei Neuzulassungen von Reisemobilen stehen einer Zunahme von Insolvenzen bei Herstellern und Vermietern gegenüber
Jubel auf der einen Seite, Jammer auf der anderen – so lässt sich die Situation der Campingbranche kurz zusammenfassen. Daniel Onggowinarso, der Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbands (CIVD) zeigt sich mit der Entwicklung des Marktes äußerst zufrieden, denn im April überschritt der Bestand der Reisemobile in Deutschland erstmals die Marke von einer Million zugelassener Fahrzeuge. Davon profitieren sowohl der Tourismus als auch die Wirtschaft. Die Urlaubsform Camping bringt gerade auch für ländliche und strukturschwache Regionen positive Effekte, indem sie erheblich zur regionalen Wertschöpfung beiträgt.
Laut dem Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif) betrug der touristische Gesamtumsatz im Jahr 2023 rund 19,5 Milliarden Euro, ein Plus von knapp acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. 6,4 Milliarden Euro verblieben in den Regionen und kamen lokalen Betrieben, Dienstleistern und Geschäften zugute. Viele Gemeinden haben sich auf das geänderte Reiseverhalten der Deutschen eingestellt und gezielt neue Stell- und Campingplätze eröffnet. Stellplätze lassen sich mit relativ geringen Investitionen schnell einrichten.
Im Jahr 2024 zogen deutsche Campingplätze mit 43 Millionen Übernachtungen eine historisch gute Bilanz. Da Campingurlauber meist aktiv sind, profitieren die Gemeinden von deren Besuchen in Museen, Veranstaltungen, Restaurants und Geschäften. Im Schnitt sind es rund 50 Euro, die Camper täglich pro Person ausgeben.
Caravaning erfreut sich wegen der größeren Flexibilität bei der Reiseplanung großer Beliebtheit, Die Langlebigkeit der Fahrzeuge – Reisemobile bleiben oft über Jahrzehnte im Bestand und werden über mehrere Haltergenerationen genutzt – überzeugt ebenso wie ihr Beitrag zur Nachhaltigkeit. Camper setzen verstärkt auf ein nachhaltiges Nutzungsangebot der Campingplatzbetreiber.
Veränderung seit 2024
Doch der seit dem Jahr 2015 anhaltende Campingboom – die Zahl der registrierten Fahrzeuge hat sich seitdem verdoppelt – zeigt seine Schattenseiten. In ganz Deutschland gibt es eine Pleitewelle im Wohnmobilhandel, von der auch Vermieter betroffen sind.
Klinke Caravaning im niedersächsischen Loxstedt stellt zum 30. Juni seinen Betrieb ein, Camper Base, Caravaning Schneider in Heidelberg, Caravaning Henschel in Aalen, Bayern-Camper GmbH in Wurmannsquick, Auto & Freizeit Nord GmbH aus Wesenberg sowie der Vermieter Freeway Camper aus München sind ebenfalls betroffen. Vor allem Start-ups wie Roadfans, Plug Van und Off konnten sich nicht am Markt halten, traditionelle Familienunternehmen können der schwierigen Marktlage besser trotzen.
Doch was sind die Gründe für die Insolvenzserie? Handelt es sich um die natürliche Fluktuation im Markt oder gibt es weitere Ursachen?
Experten sprechen davon, dass der Markt während des Booms zu schnell gewachsenen sei. Vor allem während der Corona-Pandemie wollten alle auf den Zug aufspringen und gingen von zu positiven Nachfrageprognosen aus. In dieser Zeit hätten sie mehr Fahrzeuge verkaufen können, als die Hersteller liefern konnten. Befeuert durch billiges Geld versuchten die Anbieter seitdem, ihre Flotte zu vervielfachen. Doch im vergangenen Jahr wendete sich das Blatt. Wegen der angespannten Wirtschaftslage reagieren Käufer zurückhaltend. Aufgrund gestörter Lieferketten auch nach der Pandemie und stark gestiegener Zinsen gerieten viele Unternehmen in Schieflage. Händler und Vermieter blieben auf ihren riesigen Fuhrparks sitzen, die nicht mehr refinanzierbar waren. Händler mussten das Dreifache für Raten zahlen bei gleichzeitigem Nachfragerückgang.
In der Folge geriet auch der renommierte Hersteller Knaus Tabbert unter Druck und musste in zwei Werken die Produktion aussetzen. Weil die Händler ihre Lagerbestände zunächst abverkaufen müssen, blieben für die Saison 2024/2025 Neubestellungen aus. Zum Rückgang der Nachfrage tragen außerdem gestiegene Preise für Neufahrzeuge bei, daher weichen viele – vor allem jüngere Interessenten – auf kompaktere Campingbusse aus. Diese kosten heute mit bis zu 70.000 Euro so viel wie vor ein paar Jahren noch ein größeres Wohnmobil mit mehr Komfort. Für solche muss man derzeit meist mehr als 90.000 Euro berappen. Wer bis Herbst durchhält, kann jedoch mit guten Rabatten rechnen.
Von einer grundsätzlichen Krise will der CIVD jedoch nicht sprechen. Wie die Neuzulassungen zeigen, sei die Nachfrage weiterhin da. „Reisemobile und Caravans ermöglichen eine flexible, selbstbestimmte Art des Reisens, die Naturerlebnis, Individualität und Erholung auf einzigartige Weise miteinander verbindet“, so CIVD-Chef Onggowinarso.
Ob die Begeisterung allerdings langfristig anhalten wird, wenn der Betrieb auf Stell- und Campingplätzen ganzjährig immer weiter zunimmt, bleibt offen. Mit Freiheit und Romantik hat Campingurlaub nicht mehr viel zu tun.