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Kernkraftwerke sind wieder gefragt: 63 neue Anlagen befinden sich derzeit weltweit im Bau
Foto: imago/YAY ImagesKernkraftwerke sind wieder gefragt: 63 neue Anlagen befinden sich derzeit weltweit im Bau

Internationale Energieagentur

Globales Comeback der Atomenergie

In 40 Ländern Pläne für Kernenergie-Ausbau – CDU-Chef Friedrich Merz glaubt trotzdem nicht an Rückkehr deutscher Atomkraftwerke

Robert Mühlbauer
27.01.2025

Mit dem Atomausstieg hat sich Deutschland auf einen internationalen Sonderweg begeben, einige Kritiker wie der Ökonom Hans-Werner Sinn sprechen sogar von einer „Geisterfahrt“. Ein neuer Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) unterstreicht diese Sicht sogar. Laut IEA gibt es eine globale Renaissance der Kernenergie. Das Interesse an Kernenergie sei so groß wie seit der Ölpreiskrise in den 70er Jahren nicht. Zwar habe diese Form der Energieerzeugung „in den letzten Jahren mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen“.

Jedoch erlebe die Kernenergie „ein starkes Comeback, mit steigenden Investitionen, neuen technologischen Fortschritten“. Während einige wenige Länder wie Deutschland komplett ausgestiegen sind, haben mehr als 40 Länder der Erde Pläne, ihre Nutzung der Kernenergie auszubauen. Es gebe viele Anzeichen für „eine neue Ära der Kernenergie“, sagte IEA-Chef Fatih Birol.

Historischer deutscher Fehler

Die Stromerzeugung der weltweiten Flotte von knapp 420 Reaktoren werde 2025 einen neuen Rekordwert erreichen. Japan hat seine Stromerzeugung mit Atomkraftwerken – die nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 gestoppt wurde – schrittweise wieder aufgenommen. In Frankreich sind die Wartungsarbeiten an den Reaktoren abgeschlossen, sodass dort wieder mit voller Leistung Atomstrom produziert wird. Neue Reaktoren gehen in zahlreichen Ländern ans Netz, allen voran in China, aber auch in Indien, Korea, der Türkei und teils auch Europa, etwa in Großbritannien und Frankreich.

IEA-Chef Birol äußerte bei der Vorlage des Berichts Kritik an der deutschen Entscheidung zum Atomausstieg. „Deutschland hat einen historischen Fehler gemacht“, sagte der Leiter der in Paris ansässigen Internationalen Energieagentur. Diese ist eine unabhängige Einheit der Industrieländerorganisation OECD.

Strombedarf wird stark zunehmen

Kernkraftwerke tragen derzeit zehn Prozent zum globalen Strommix bei. AKWs sind damit die zweitwichtigste CO₂-arme Energiequelle, nach Wasserkraft (13 Prozent) und vor Wind (acht Prozent) und Solar (sechs Prozent), wobei vor allem der Anteil von Windstrom global seit Jahren deutlich zulegt. Der wichtigste Energieträger ist nach wie vor Kohle. Kohlekraftwerke produzieren mehr als ein Drittel (36 Prozent) des globalen Strommix, gefolgt von Gaskraftwerken (22 Prozent).

Der Strombedarf wird in Zukunft stark steigen, betonen die IEA-Experten. Das liegt nicht nur am klassischen Verbrauch von Industrie und Privathaushalten, etwa für elektrisches Licht oder Klimaanlagen. Hinzu kommt vielmehr der künftig stark zunehmende Stromverbrauch für Elektroautos, Datenzentren und Computer mit Künstlicher Intelligenz sowie für – gerade von Grünen propagierte – elektrische Heizungen.

Weltweit sind derzeit nach IEA-Angaben 63 neue Kernkraftwerke im Bau, die über 70 Gigawatt Leistung haben werden. Dieses Ausbauniveau sei eines der größten seit den neunziger Jahren. Zudem wurde in den vergangenen fünf Jahren der Bau von weiteren 60 Reaktoren zusätzlich beschlossen.

Rückbau hat begonnen

Nicht verwunderlich: China baut sehr schnell. Während in westlichen Ländern der Neubau – etwa beim britischen Kernkraftwerk Hinkley Point C – oft Jahrzehnte dauert, vollendet China neue Atomkraftwerke (AKW)durchschnittlich in lediglich sieben Jahren. Allerdings sei die Nukleartechnik zu stark abhängig von Technik aus China oder Russland, findet die IEA. Von den jüngst neu gebauten Kraftwerken haben fast alle chinesische oder russische Designs. Und Russland hat mit 40 Prozent bei der globalen Uran-Erzeugung und Anreicherung einen überaus bedenklich hohen Marktanteil. Die IEA rät deshalb zu einer spürbar größeren Diversifikation der Lieferketten.

In Deutschland geht derweil im Wahlkampf der Streit um den Atomausstieg weiter. Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck wies vorige Woche im Untersuchungsausschuss jegliche Vorwürfe zurück, er habe bei der Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke in irgendeiner Art auch nur ansatzweise manipuliert und getrickst. Konkret ging es um die Frage, ob Gutachten-Aufträge damals ergebnisoffen waren. Die damalige Ampelregierung hat die drei Meiler Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 zum 15. April 2023 abgeschaltet. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) dringt seitdem auf einen schnellen Beginn des Rückbaus. Dieser dauert je Kernkraftwerk zwischen mindestens zehn bis zwölf Jahren.

Allein der Glaube fehlt

„Die Atomkraft in Deutschland ist stillgelegt und das ist gut so“, schreibt die SPD in ihrem Wahlprogramm. Dagegen fordern Union und AfD einen Wiedereinstieg in die Kernenergie. Die CDU fordert in ihrem Wahlprogramm eine fachliche Bestandsaufnahme, ob die Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten drei Kernkraftwerke mit einem vertretbaren technischen und finanziellen Aufwand möglich ist.

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz überraschte jüngst indes mit der Aussage, er glaube nicht mehr wirklich an eine Rückkehr dieser drei Meiler.


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